Donnerstag, 3. August 2006

Sklaverei im 21. Jahrhundert

Das Thema Sklaverei lässt unweigerlich an Bilder denken wie dieses: Afrikaner, die Tieren gleich auf Schiffen in die Neue Welt verschleppt werden. Das ist traurige Geschichte, Sklaverei hingegen nicht, denn nie gab es in der Geschichte mehr Menschen, die in Sklaverei leben mussten!

Denn „entgegen den Vorhersagen der Abolitionisten, die Sklaverei und modernen Kapitalismus für unvereinbar hielten, sind niemals mehr Menschen zur Herstellung von Waren und als Dienstleister versklavt worden als gegen Ende des 20. Jahrhunderts.“ (Pino Arlacchi, 2000, S.41).

Dabei gilt es zwischen verschiedenen Ausprägungen von Sklaverei zu unterscheiden: Leibeigenschaft ist heute eher selten und hauptsächlich ein Phänomen Nord- und Westafrikas, sowie in der arabischen Welt. Von Schuldknechtschaft (oder bonded labour) sind schätzungsweise 20 Millionen Menschen (vor allem in Indien) betroffen. Vertragssklaverei ist eine besonders perfide Art der Machtausübung, denn hier werden Menschen mit Verträgen an einen Arbeitsplatz gelockt, wo ihnen dann unter Gewaltandrohung Freiheit und Lohn geraubt werden. Von trafficking wird dann gesprochen, wenn diese Menschen unter Gewaltandrohung oder –anwendung „verschleppt“ werden. Vertragssklaverei und das sog. trafficking erhielten in den letzten Jahren am meisten Zuwachs und existieren vor allem in Brasilien, Süd- und Südostasien, sowie einigen arabischen Ländern. Anti-Slavery International schätzt die gegenwärtige Anzahl an Sklaven auf 27 Millionen Menschen. Hinzu kommen jedoch noch die schwer zu erfassenden Formen der Zwangsheirat, sowie ca. 179 Millionen Kinder, die zu Arbeiten gezwungen werden, welche ihrer Gesundheit schaden oder als Kindersoldaten rekrutiert werden.

Und das, obwohl Sklaverei seit 25 Jahren offiziell in allen Ländern der Welt verboten ist (das letzte Land, das Sklaverei offiziell ächtete, war Mauretanien im Jahre 1981). Wo liegen also die Ursachen für die Zunahme menschenunwürdiger Abhängigkeitsverhältnisse? Sklaven sind heute „billig“ geworden, es besteht nicht mehr die Notwendigkeit von langwierigen und schwierigen Transporten – die Ungleichheitsstrukturen und die damit einhergehenden sozialen , politischen und kulturellen Exklusionsprozesse machen große Teile der Menschheit zu Verworfenen & „Überflüssigen“. Landlosigkeit, mangelnder Zugang zu Bildung, schlechte staatliche Strukturen und grausame Traditionen bilden dabei ein gefährliches Konglomerat. Der Haussklavin in Paris, der Zwangsprostituierten in Berlin, der Zwangsverheirateten in Diyarbakir, dem in Schuldknechtschaft Lebenden in Dehli, dem Zwangsarbeiter im Amazonas oder dem Kindersoldaten in Kigali – ihnen allen bleiben letztlich die elementarsten Menschenrechte verwehrt.

Wer sich mit der Thematik etwas näher auseinandersetzen möchte: die seit 1839 bestehende, an dem Verbot der Sklaverei entscheidend beteiligte NGO Anti-Slavery International hat eine sehr informative Homepage, die ich jedem nur empfehlen kann: www.antislavery.org. SOLWODI (Solidarity with women in distress) kümmert sich um von Zwangsprostitution und Menschenhandel betroffene Frauen: www.solwodi.de. Die International Labour Organization als Sonderorganisation der UNO und Friedensnobelpreisträger (1969) ist wohl DIE Anlaufstelle für Fragen der Arbeitsbedingungen und des –rechts: www.ilo.org. Das Freiburger Informationszentrum 3. Welt IZ3W, das auch die gleichnamige Zeitschrift herausgibt, beschäftigt sich in deren aktueller Ausgabe schwerpunktmäßig mit dem Thema Sklaverei und Zwangsarbeit. Zuletzt sei noch auf einen Artikel in der FR über die Selbstorganisation der arbeitenden Kinder verwiesen: http://www.oikos-berlin.de/projekte/welttreffen/pdf/frankfurterrundschau280404.pdf

Sehr empfehlenswert ist natürlich auch die Lektüre von Arlacchi, Pino (2000): Ware Mensch. Der Skandal des modernen Sklavenhandels, München/Zürich