Sonntag, 1. November 2020

Älterwerden

Zögern mitten im Satz.

Nachfragen wenn man glaubt
es verstanden zu haben

Es nicht mehr eilig haben
mit dem Wissenwollen

Einen Stein ein Glas eine Hand
länger festhalten als nötig

Den Ärmel des Gegenüber beim Reden berühren
zu spüren man ist noch da

Ein Buch einen Blick eine Haut verlieren
und nicht mehr finden wollen

Erinnern statt sehnen

Den Gedanken: Das alles ist nach mir noch da
trainieren wie einen Muskel

Gefühl als wäre jemand im Zimmer


(Ulla Hahn)

Dienstag, 30. Juni 2020

Mixtape No. 20: Close to the edge


1. Regulator - Bad brains (1982): Die Bad Brains waren eine der wenigen schwarzen Punkbands - und mit Sicherheit die wichtigste. Als Pioniere des Eastcoast Hardcore mischten sie zwischen den schnellen Punk aber auch Reggae-Stücke. Das Thema von "Regulator" ist immer noch aktuell, auch wenn es mir in der Version auf der "Black Dots" noch etwas besser gefällt.

2. Danny Nedelko - Idles (2018):  Ein Antirassimus-Stück der wunderbaren Idles. "Fear leads to panic / panic leads to pain / Pain leads to anger / anger leads to hate." Word.

3. Rattenlinie Nord - Turbostaat (2020): Auf der Rattenlinie Nord im hohen Norden Deutschlands sind viele Nazis in den letzten Tagen des Dritten Reichs geflüchtet. Karl Dönitz, der in dem Song gesampelt wird, leitete die letzte Reichsregierung. Turbostaat kommen aus der Gegend, an der die Rattenlinie Nord entlangführte. 

4. It was there that I saw you - ...and you will know us by the trail of dead (2002): Trail of Dead gehören zu den Bands, die immer etwas unter meinem Radar flogen. Klar, dass sie irgendwie wichtig sind war mir immer klar, aber ich fand nie einen Zugang. Bis ich kürzlich 18 Jahre nach Erscheinen die wunderbare Platte "Source Tags and Codes" auflegte und zu verstehen begann. Die Band pendelt hier im exakt richtigen Maße zwischen zugänglich und verschroben, dass es so schnell beim Hören nicht langweilig wird.

5. Dream House - Deafheaven (2013): Blackmetal, Postrock und Shoegaze: In und mit diesem Spannungsfeld spielt Deafheaven auf dem Album "Sunbather". Dabei gelingt es ihnen, dass diese Genres nicht nur nebeneinander stehen zu lassen, sondern sie zu einem eigenen Sound zu formen.

6. Slomo - Slowdive (2017): Bei dieser Band ist der Name Programm. Die langsame, gedämpfte Musik mit verschwommenen Lyrics und ätherischem Shoegaze-Sound hat die Band bereits in den Neunzigern relativ erfolglos gespielt. Dass sie nach fast 15 Jahren noch einmal ein Album zustande brachten, das auch noch gut ist, war eine positive Überraschung.

7. Little wing - Neil Young (1975): 35 lange Jahre hat es gedauert, bis "Homegrown" endlich erschien, Neil Young fand die Songs damals zu persönlich, auch weil sie nach einer Trennung entstanden. Die Platte ist von viel Moll und Melancholie geprägt - und sicher die beste, die Young seit langem veröffentlicht hat. "Little Wing" ist wie manche andere Songs bereits auf einem anderen Album erschienen. Im Kontext von "Homegrown" ist er aber am besten aufgehoben.

8. Blue red and grey - The Who (1975): Wenn Pete Townshend hier die Ukulele auspackt und davon singt, dass er alle Zeiten des Tages mag, dann spielt er für uns, auch wenn es zunächst so scheinen mag, kein Gute-Laune-Lied. Der Kopf der britischen Rockband "The Who" litt zu dieser Zeit unter Depressionen. Und so ist es auch eher ironisch zu verstehen, wenn er singt "I get a buzz from being cold an wet".

9. Right around the clock - Sorry (2019): Auf ihrem Debüt "925" vermischt die Band "Sorry" Indie, R'n'B und Elektro zu einem eingängigen, bisweilen aber auch widerborstigen Mix. So gut kann Britpop klingen.

10. Spanish joint - D'Angelo (2000): Ist das noch Soul oder bereits Jazz? Jedenfalls ist es ziemlich gut, was D'Angelo hier auf dem besten Stück seiner Platte "Voodoo" macht. Die war damals so gut, dass er vierzehn Jahre benötigte für "Black Messiah", das (noch ein kleines Stück bessere) Nachfolgealbum.

11. Skin I'm in - Sly and the Family Stone (1973): "Fresh" war das letzte richtig gute Album, auf dem Sly & The Family Stone noch einmal ihr Können zeigten. Es war aber auch schon geprägt von dem Wissen um das Scheitern der Bürgerrechtsbewegung in den USA, zu der sich diese Band - der Männer und Frauen, Schwarze wie Weiße selbstverständlich angehörten - zählte. Wie wenig in Wirklichkeit erreicht wurde, das zeigt sich heute wieder ziemlich deutlich.

12. Happens to the heart - Leonard Cohen (2019): Posthume Veröffentlichungen sind immer eine heikle Sache. Zu groß ist die Gefahr, dass nur Profit aus Material gezogen werden soll, das der Künstler selbst nie veröffentlicht hätte. Bei "Thanks for the dance" von Leonard Cohen ist das anders. Sein Sohn Adam hat sich um diese Aufnahmen gekümmert, die ähnlich intim geworden sind wie auf seinem letzten Album "You want it darker". Sie sind sogar noch ein Stück entrückter geraten. "Happens to the heart" ist eines der besten davon.

13. The wild rover - Lankum (2019). Lankum spielen Irish Folk. Doch sie spielen diesen Folk so, dass die Stimmen und Instrumente anders klingen als in den klassischen Formationen. Wie sie hier Irlands wohl bekanntestes Trinklied zu einem traurigen Klagelied machen und am Ende auch noch postrockig dröhnen lassen, das gefällt mir sehr. 

14. Close to the edge - Yes (1972): Gründe, diese Band (und den Prog-Rock im Allgemeinen) zu hassen, gibt es viele: der Bombast, das prätentiöse Gebaren, die Technikorgien, die Titel mit Überlänge und Unterteilungen in Parts wie bei der klassischen Musik (und auch bei diesem Stück). Das zu hassen ist legitim. Es gibt aber auch viele gute Gründe, das nicht zu tun: die Spielfreude, die technische Klasse, der Ideenreichtum dieser, die in diesem Stück kulminiert. Das zu lieben ist ebenso legitim.

Hier ist die Playlist bei Spotify zu hören - und hier die Youtube-Playlist.

Samstag, 23. Mai 2020

Impressionen No. LIX: Eine neue Seltsamkeit

Mundschutz? Maulkorb? Wiederaufbau!

Sei kein Frosch!

Sieben Jahre Quarantäne.

Meine Herren...

...sie hat unter Bären gelebt.

Dienstag, 7. April 2020

Zeit für eine Bilanz

"Wir machen gerade eine unglaubliche Entdeckung. Dass nämlich im Weltwirtschaftssystem irgendwo doch eine grell rote Alarmlampe vorhanden war mit einem massiven Schalthebel, den die Staatschefs einer nach dem anderen nun mit einem Ruck betätigt haben, um den ,Eilzug des Fortschritts' unter laut kreischendem Bremsen zum Stillstand zu bringen. War die Aufforderung zu einem Wechsel bei unserem Wachstumsmodell im Januar noch eine nette Träumerei, ist sie gerade viel realistischer geworden.

Allerdings sehen leider nicht nur Umweltschützer in dieser jähen Pause des globalen Produktionssystems eine Gelegenheit, ihr Landeprogramm für die Rückkehr auf den Boden der Realität zur Anwendung zu bringen. Jene Globalisierer, die seit Mitte des 20. Jahrhunderts sich in den Kopf gesetzt haben, man könne die Begrenztheit des Planeten außer Acht lassen, sehen ebenfalls eine Chance, die verbleibenden Hindernisse für ihre Flucht nach vorn aus dieser Welt noch radikaler aus dem Weg zu räumen. (...) Wir müssen von der Hypothese ausgehen, dass diese Globalisierer sich der ökologischen Krise sehr bewusst sind und dass all ihre Anstrengungen seit fünfzig Jahren dahingehen, den Klimawechsel zu leugnen, gleichzeitig aber seinen Folgen zu entkommen, indem sie Bastionen für Privilegierte errichten, die den zahlreichen Anderen unzugänglich bleiben. (...) Es sind jene Globalisierer, die sich täglich auf Fox News zu Wort melden und die von Moskau bis Brasilia, von New Delhi, über London, bis Washington am Klimawandel vorbeiregieren. (...)

Doch wenn ihnen sich eine Gelegenheit auftut, dann auch uns. Wenn alles zum Stillstand gebracht ist, kann alles auch hinterfragt, überdacht, neu sortiert, endgültig ausgesetzt oder, im Gegenteil, noch stärker vorangetrieben werden. Es ist Zeit für die Bilanz. Dem Ruf des gesunden Menschenverstands: ,Nehmen wir so schnell wie möglich die Produktion wieder auf', müssen wir mit dem Ausruf antworten: ,Das gerade nicht!'. Das letzte, was wir nun tun sollten, wäre, da weiterzumachen, wo wir zuvor waren. (...)

Wenn wir anfangen, jeder für sich, über die verschiedenen Aspekte unseres Produktionssystems uns Gedanken zu machen, werden wir millionenfach ebenso wirksame Globalisierungsunterbrecher sein, wie das durch die Globalisierung schnell sich ausbreitende Coronavirus es paradoxerweise ist. Was das Virus über den Speichelstaub zwischen den Menschen zustande brachte, das Aussetzen der Weltwirtschaft, können wir durch unsere von Mensch zu Mensch weitergegebenen kleinen Gesten nutzbar machen. Mit seinen Fragen errichtet so jeder eine Schranke nicht nur gegen das Virus, sondern auch gegen all jene Teile unseres Produktionsmodells, die wir künftig nicht wiederaufnehmen wollen."

(Bruno Latour)

Mittwoch, 11. März 2020

Die Corona-Lehre

Quarantänehäuser spriessen,
Ärzte, Betten überall
Forscher forschen, Gelder fliessen -
Politik mit Überschall.

Also hat sie klargestellt:
Wenn sie will, dann kann die Welt.
Also will sie nicht beenden
Das Krepieren in den Kriegen,

Das Verrecken vor den Stränden
Und dass Kinder schreiend liegen
In den Zelten, zitternd, nass.
Also will sie. Alles das.

(Thomas Gsella, 2020)

Samstag, 7. März 2020

Zeit für drastische Maßnahmen

Seit dieser Woche beschleicht mich ein ungutes Gefühl. Denn nicht nur in Rudersberg, wo ich beruflich häufig bin, gibt es zwei bestätigte Corona-Fälle. Auch Weinstadt hat seit Freitag seinen ersten bestätigten Fall. Und in beiden Orten sind große Schulen betroffen. Erst am Freitag wurde Südtirol zum Risikogebiet erklärt. In Weinstadt müssen deshalb jetzt 250 Schüler dem Unterricht fernbleiben. Das Schulzentrum Rudersberg hat noch bis Dienstag den Betrieb eingestellt. Richtige Entscheidungen. Allerdings hatte das hochansteckende Virus bis dahin genügend Zeit, sich munter auszubreiten. Und das an Orten, wo sich sehr viele Menschen aufhalten.

Dass Südtirol zur Gefahr werden könnte, war bereits Anfang der Woche abzusehen. Auch dass Corona auf uns zukommt, ist seit Wochen klar. Doch die Behörden reagieren erst jetzt und, wie ich finde, immer einen Tick zu spät. Da ich Verwandtschaft in China habe (die uns inständig darum gebeten hat, nur noch rauszugehen, wenn es unbedingt nötig ist, und wenn, dann mit Maske), weiß ich, was in den kommenden Wochen möglicherweise dräut.

Deutschland reagiert zu langsam

Denn wie China, wo das Problem zunächst unterdrückt, dann unterschätzt wurde, reagieren auch wir in Deutschland viel zu langsam. Im Gegensatz zu uns hat die Volksrepublik aber an einem entscheidenden Punkt die Notbremse gezogen und die wohl drastischste kollektive Quarantäne der Geschichte verordnet. Seit vier Wochen findet kein wirkliches öffentliches Leben statt. Mit dem Ergebnis, dass es dort inzwischen weniger Neuinfektionen gibt als in Deutschland. Und tausende Menschenleben gerettet wurden.

Die Weltgesundheitsorganisation hat diese Maßnahmen kürzlich ausdrücklich gelobt und zur Nachahmung empfohlen, zugleich aber auch darauf hingewiesen, dass in anderen Ländern die nötige Geisteshaltung für solch krasse Alltagseinschränkungen wohl fehlt.

Nicht der Virus, die Epidemie ist das Problem!

Nein, ich möchte hier sicher keine Panik verbreiten. Und ich habe auch keine Angst vor dem Virus - zumal ich nicht zur Hochrisikogruppe gehöre. Das Problem ist aber, dass es hochansteckend ist - und das auch bei Personen, die noch keine Symptome zeigen. Das Problem ist daher vor allem die Epidemie, die auf uns zurollt. Im Ostalbkreis ist schon nach dem zweiten bestätigten Fall zu sehen, welche Auswirkungen das haben könnte. Denn es war auch eine Krankenpflegerin betroffen, weshalb insgesamt zwölf Pflegekräfte unter Quarantäne stehen und die Intensivstation am Virngrundklinikum Ellwangen um vier Betten reduziert werden musste. Und das wegen einem Fall!

Auch der Rudersberger Arzt befindet sich vorsorglich noch in Quarantäne. Man mag sich gar nicht ausmalen, wie unser ohnehin kaputt gespartes Gesundheitssystem in die Knie gehen wird, wenn sich das Virus, so wie es momentan aussieht, schnell und exponentiell ausbreitet. Auch das lässt sich aus China lernen: Den Preis hätten dann nicht nur die Corona-Patienten zu zahlen, sondern alle, die chronisch krank und auf ein funktionierendes Gesundheitssystem angewiesen sind.

Daher ist es jetzt auch in Deutschland an der Zeit, drastischere Maßnahmen zu ergreifen. 14 Tage Corona-Ferien etwa, wie von Virologe Alexander Kekulé jüngst gefordert. Die Absage aller Großveranstaltungen. Fußball-Bundesliga ohne Publikum. Mehr Tests. Ausreichend Schutzausrüstung für das klinische Personal. Und nicht zuletzt bedarf es auch eines geschärften Bewusstseins für die Risiken in der Bevölkerung.

Update: Dieser Beitrag ist jetzt in aktualisierter Version in der Lokalzeitung erschienen.

Donnerstag, 27. Februar 2020

Merz und die Macht der Finanzindustrie

Kein Finanzunternehmen der Welt verwaltet mehr Geld (6 Billionen) und keines ist mächtiger als Blackrock. Es hat Beteiligungen an allen großen börsennotierten Unternehmen. Es übt damit Macht aus auf die Finanzmärkte und die Politik. Verwaltet Renten vieler Menschen. Sorgt dafür, dass Mieten und Preise für Produkte steigen, verhindert Konkurrenz. Blackrock hält Anteile an allen 30 Dax-Unternehmen, an Apple, an Microsoft, an der Rüstungsindustrie. 

Es kontrolliert damit nicht nur Märkte. Die Firma sammelt zudem Unmengen an Daten, die sie auch dazu nutzt, um Regierungen zu beraten. Blackrock hat nicht nur das Potenzial, es beeinflusst bereits seit Jahren konkret politische und ökonomische Entscheidungen. Es ist ein Akteur, der nicht nur systemrelevant, sondern auch potenziell systemzerstörend ist. Friedrich Merz, der sich anschickt CDU-Vorsitzender und Kanzler zu werden, ist Aufsichtsrat dieser Firma.


Donnerstag, 23. Januar 2020

High Fidelity No. 12: Fünf Bücher

Virginie Despentes: Das Leben des Vernon Subutex 1, 2 und 3
Wer etwas über die Gegenwart in Frankreich erfahren will, dem sei diese Roman-Trilogie von Virginie Despentes empfohlen. Die Autorin wirft darin einen ziemlich schonungslosen, differenzierten Blick auf ihr eigenes Land. Die Protagonisten stammen aus verschiedenen politischen Lagern und Gesellschaftsschichten. Und sie treffen nur deshalb aufeinander, weil sie alle eines verbindet: der ehemalige Plattenladen von Vernon Subutex. Zu Beginn des Romans wird Subutex obdachlos wird und bringt bei seinem Abdriften aus der Gesellschaft das Leben seiner Mitmenschen gehörig durcheinander. Die Trilogie hat einen irre guten Einstieg, ist rasant erzählt, aber auch komplex. Despentes eröffnet viele Handlungsstränge und lässt ihre Roman-Serie zum Ende hin immer absurder werden.
 

Jason Lutes: Berlin I, II und III
Der US-amerikanische Comic-Zeichner Jason Lutes hat intensiv zum Berlin der Vorkriegszeit recherchiert. Und in den drei Bänden, die über mehrere Jahrzehnte entstanden sind, ein Gesellschaftspanorama zwischen den Jahren 28 und 33 erschaffen, das mit Zeitsprüngen, wechselnden Handlungssträngen und Perspektiven arbeitet. Dabei werden verschiedene Schicksale mit ihren ganz unterschiedlichen Sichtweisen auf die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen porträtiert. Dass die Geschichte im Buch wie in der Realität nicht gut ausgehen kann, ist klar. Weshalb, das macht Lutes mit seiner Arbeit verständlich.
 
T.C. Boyle: America
America ist zwar schon 1995 erschienen, wirkt aber wie ein Buch zur Trump-Ära. Es geht darin um ein Paar, zwei illegale Einwanderer aus Mexico, die einen verzweifelten Überlebenskampf führen, der sie in der kalifornischen Wildnis stranden lässt. Es handelt zugleich von der Fremdenfeindlichkeit und den Ängsten der Mittelschicht, die schließlich zu einem fatalen Mauerbau führen. Und davon, wie diese beiden Welten aufeinander treffen, aber nicht zusammenfinden.


Sibylle Berg: GRM Brainfuck
Dieses Buch ist heftig - inhaltlich wie stilistisch. Berg schreibt hier so direkt und hart, als wäre es ein 640 Seiten langer Grime-Track (nach jener Musikrichtung ist der Roman auch passenderweise benannt). Sie macht wilde Interpunktionen, biegt und bricht die Grammatik und neigt zu drastischen Formulierungen. GRM spielt im zum Total-Überwachungsstaat mutierten Post-Brexit-Britain und ist eine düstere, dreckige Dystopie, die vieles vereint, was gerade passiert oder sich bereits andeutet. Geschrieben ist es aus der Perspektive einer Gruppe von Kindern, die am Rande der Gesellschaft leben und versuchen, aus dem System auszubrechen, was aber letztlich nicht gelingen kann. Nach 160 Seiten musste ich erstmal eine Pause machen und den Stoff verdauen. Ein starkes Buch.
 
Hans Rosling: Factfulness
Alles wird immer schlimmer: Kriege, Hunger, steigende Geburtenraten, mangelnde Bildung - aber ist das wirklich so? Rosling, der inzwischen verstorben ist, hatte es sich zur Lebensaufgabe gemacht, dies mit Statistiken zu widerlegen. Denn, so seine überraschende Erkenntnis: je gebildeter eine Gruppe ist, desto düsterer die Weltsicht und desto schlechter die Einschätzung wie es wirklich steht um die Welt. Dagegen setzte der schwedische Professor Fakten. Jeder kann selbst überprüfen, wie gut seine Einschätzung ist. Rosling hat spezielle Tests dafür entwickelt, die jeder einmal ausgefüllt haben sollte. Hier zum Beispiel. 

...und eine Enttäuschung:

Michel Houellebecq: Serotonin
Nachdem ich von "Karte und Gebiet", aber auch von der "Unterwerfung" recht angetan war, fällt Houellebecq hier wieder weit hinter seine Fähigkeiten zurück. Die Handlung ist öde, wirkt stellenweise arg konstruiert, die Gedanken sind uninspiriert und der Ton ist stellenweise unerträglich larmoyant. Was an dem Buch alles nicht gut ist, hat dieser Deutschlandfunk-Rezensent in seinem Verriss treffend zusammengefasst. Achtung: harter Spoiler!