Freitag, 29. April 2011

wolken, weisen

Die ZEIT unternimmt seit Anfang des Jahres den ehrenhaften Versuch einer Wiederbelebung politischer Lyrik und räumt dieser jede Woche einen prominenten Platz im Politikteil der Zeitung ein. Die Qualität der bisher veröffentlichten Gedichte ist dabei sehr unterschiedlich, und vieles bleibt (dem Medium entsprechend) kryptisch. Auffallend jedoch sind die Tendenz zur konsequenten Kleinschrift, sowie der weitgehende Verzicht auf Satzzeichen und Reime. Damit irritieren diese Texte gleich doppelt, und erfüllen so ihren Zweck als gänzlich andere Perspektiven auf Politik, als es Reportagen, Interviews, Essays, Kommentare und Analysen erlaubt ist. Eines der Gedichte, das mir besonders gefallen hat, stammt von der mir bisher unbekannten Uljana Wolf:

wolken, weisen

           i love originality so much i keep copying it. charles bernstein

diese zeile habe ich schon einmal wo gelesen, eine zweite
          siehe, seite, so. anders schon gelesen. eine zweite, ziehn
zweige and fenster schlugen, was eine art gemeinwesen
          wo zweige ans fenster, "fenster" eine art gemeint zu sein
von der cloud her, denken, quellen, morphende formen
          men, von den wolken her, wellen und formen als waisen
wunden, diese spannung zwischen anhängern eines closed
          oder innere, die anhängende spannung zwischen losen
oder offen vorgestellte textverbände, nehmen seit jahren
          en bereitgestellter text, verbands, und nahm seit jahren
zu, dies schrieb meine hand, geführt vom eignen druck
          auf und meine hand, vom eignen früher sanft gedrückt

Montag, 25. April 2011

Mixtape No. 4: The fugitive


1. Pearl Jam - Inside Job (2006)
2. Quest for Fire - Strange waves (2009)
3. Fister - Bronsonic (2011)
4. Fall of Efrafa - Lament (2007)
5. Faraquet - Cut self not (2000)
6. Andy McKee - Art of motion (2006)
7. Humanoid - Passages part 1 (eiditic memory) (2008)
8. Tribes of Neurot - Duality (2005)
9. Radiohead - Codex (2011)
10. Talk Talk - Inheritance (1988)
11. Godspeed You! Black Emperor - Antennas to heaven (2000)

Das Mixtape gibt es auch als Youtube-Playlist.


Sonntag, 17. April 2011

For whom the bell tolls

No man is an island,
Entire of itself.
Each is a piece of the continent,
A part of the main.
If a clod be washed away by the sea,
Europe is the less.
As well as if a promontory were.
As well as if a manor of thine own
Or of thine friend's were.
Each man's death diminishes me,
For I am involved in mankind.
Therefore, send not to know
For whom the bell tolls,
It tolls for thee.

(John Donne, aus: Meditation XVII)

Impressionen XV

Donnerstag, 7. April 2011

London Pirate Frequencies

Wer gedacht hatte, das Internet würde Piratensendern die Grundlage entziehen, der dürfte überrascht sein, dass zumindest in der britischen Hauptstadt noch eine sehr lebendige Szene illegaler Radiosender existiert:

Die Fremde ist der Tod

So lautet der Name einer Dokumentation von Miro Zownir über den im letzten Jahr verstorbenen Schauspieler und Straßenmusiker Bruno Schleinstein. Größere Bekanntheit erlangte er in den 70er Jahren durch die Hauptrolle im Werner Herzog-Film Jeder für sich und Gott gegen alle, blieb jedoch vielen Berlinern vor allem durch seine Auftritte als Straßenmusiker (für die er prinzipiell kein Geld verlangte) in Erinnerung. Es ist eine erstaunliche, bewegende Geschichte, die sein Leben erzählt: von der Mutter (einer Prostituierten) verstoßen, aufgewachsen in Heimen und Besserungsanstalten, als Experimentiermaterial missbraucht von den Nazis, geistig zurückgeblieben, durch Zufall entdeckt durch Werner Herzog, zeitlebens ein Außenseiter, ein misstrauischer, doch sehr wahrhaftiger Mensch mit einem sehr speziellen musikalischen Stil, einer Art Talking-Blues mit Versatzstücken aus der reichhaltigen Tradition Berliner Straßenlieder. Er konnte Sätze formulieren von erstaunlicher Klarheit und Tiefe, weil er die Abgründe dieser Gesellschaft wie kein Zweiter am eigenen Leib erfahren musste. Zownir gelingt es in seiner respektvollen Dokumentation, diesen eigenwilligen Menschen in seiner ganzen Tragik ein Stück weit verständlicher zu machen und die Erinnerung an ihn zu bewahren. Ausgesprochen sehenswert.