Samstag, 24. Februar 2018

Mixtape No. 16: Miles smiles



EIN MILES DAVIS-MIXTAPE

1. Right off (A tribute to Jack Johnson, 1971)
2. Shhh / Peaceful (In a silent way, 1969)
3. Miles runs the voodoo down (Bitches Brew, 1970)
4. Agitation (E.S.P., 1965)
5. All blues (Kind of blue, 1959)
6. Two bass hit (Milestones, 1958)
7. Boplicity (Birth of the cool, 1957)
8. Black satin (On the corner, 1972)
9. Footprints (Miles smiles, 1967)
10. Directions (Black beauty: Live at Filmore East, 1973)
11. So what (Kind of blue, 1959)
12. Bitches brew (Bitches brew, 1970)

...die ganze Youtube-Playlist gibt es hier.

Freitag, 23. Februar 2018

Lokalpolitik als Farce

Im Remstal wird gerade vielerorts ein neuer Bürgermeister gewählt. Eine eigentlich normale, kaum erwähnenswerte Sache in einer Demokratie, die hier auf der kleinsten Ebene Bürger mitenscheiden lässt. Doch vor allem in einer Kommune ist gerade gar nichts mehr normal.

In diesen stürmischen Zeiten, da ein Mann mit dem Verstand eines Siebenjährigen das mächtigste Land der Welt regiert, im Bundestag Abgeordnete sitzen, die nach der Rede einer Auschwitz-Überlebenden nicht applaudieren und die einem deutschen Journalisten eben das absprechen (nämlich Deutscher und Journalist zu sein), ist offenbar vieles möglich, was noch vor kurzem undenkbar schien.

Und so entpuppten sich auch die Bürgermeisterwahlen in der Gemeinde Plüderhausen, die seit 32 Jahren von einem Parteilosen regiert wird, schnell als ein unerwartetes, bisweilen bizarres Spektakel, das es in dieser Form in dieser Gegend zuvor wohl noch nie gegeben hat. Und dem man als Beobachter bisweilen fassungslos gegenüber stand.

Der kleine Trump und die großen Verschwörungen

Es traten auf: ein illustrer Unternehmer, der mit Erotikclips reich wurde, einst einen Fernsehsender mit viel Esoterik und Narzissmus betrieb, sich seit geraumer Zeit mit "Seine Heiligkeit" ansprechen lässt und zugleich das Vereinigte Heilige Deutsche Königreich ausgerufen hat (ein immaterielles Reich, wohlgemerkt). Der SWR nannte ihn, der sich selbst als "Christbuddhist" bezeichnet, deshalb kürzlich den "Trump von Plüderhausen".

Des weiteren eine Dame, die eigentlich Bundeskanzlerin werden möchte, sich aber in mittlerweile rund 50 Gemeinden um das Bürgermeisteramt bewirbt. Die nicht nur Pizzagate für wahr hält, sondern auch an vergleichbare Verschwörungen in Deutschland glaubt. Im Internet mit zahlreichen skurrilen Videos präsent ist. Und wenn sie denn gewählt werden sollte, eigentlich nur eines verspricht: nicht regieren zu wollen. Die sich mit jenem illustren Unternehmer verbündete, eine Doppelspitze ankündigte, nur um kurz vor der Wahl dann mit "seiner Heiligkeit" zu brechen.

Außerdem ein Herr, der sich bereits mehrfach erfolglos um ein solches Amt beworben hat, aus dem Badischen stammt und von allen Mitbewerbern am ehesten als seriöser Kandidat gelten darf. Offensichtlich aber weder das Format noch die Kompetenz für das Amt mitbrachte.*

Ganz anders hingegen jener bereits erwähnte Unternehmer. Dieser gebierte sich während des Wahlkampfs als Aufklärer, witterte Verschwörungen zwischen Presse und Bürgermeister, verlangte aber für einen Auftritt bei einer Wahlveranstaltung der Lokalzeitung 75 000 Euro Gage - und verweigerte, weil er diese nicht bekam, den Platz auf der Bühne, blieb stattdessen beleidigt in der ersten Reihe sitzen. Im Anschluss erklärte er dann mehrfach, doch nicht Bürgermeister werden zu wollen. Belagerte aber trotzdem nahezu täglich das Rathaus, filmte dort mit dem Smartphone und stellte die Aufnahmen ungefragt ins Netz. Zeitgleich bewarb er sich in der Nachbargemeinde um das höchste politische Amt.

Stellenweise glich dieser Wahlkampf einer schlechten Seifenoper. Wir dürfen gespannt sein, ob sich im Nachbarort bald vergleichbares anbahnt. Denn auch dort hat sich neben dem Unternehmer die Dame mit den skurrilen Videos beworben.

Um eines klarzustellen: All das ist in einer Demokratie durchaus erlaubt. In kleinen Kommunen kann sich quasi jeder (auch ohne Unterschriften von Unterstützern) auf das Amt des Bürgermeisters bewerben. Und dass sich viele Bewerber finden, ist an sich auch ein gutes Zeichen. Lokalpolitik wird aber in dem Moment zur Farce, wenn von den Kandidaten kaum einer die Kompetenz und das nötige Verständnis für die Aufgaben eines Schultes hat.

Bürgermeister - eigentlich kein attraktiver Job

Denn: Eine Kommune zu führen ist in den seltensten Fällen ein Amt, in dem man glänzen kann. Große Projekte sind die Ausnahme, dafür hohe Schulden eher die Regel. Hinzu kommen die Vorgaben aus höheren politischen Ebenen und der Umstand, dass die Gemeinderäte stets das letzte Wort haben, duchzuregieren also in den seltensten Fällen möglich ist. Dafür sind Bürgermeister häufig abends und am Wochenende unterwegs, haben lange Gemeinderatssitzungen und müssen sich schnell in komplizierte juristische Fachbereiche einarbeiten.

Kurz gesagt: Bürgermeister zu sein ist (von der ordentlichen Bezahlung abgesehen) eigentlich kein besonders attraktiver Job. Dass sich immer häufiger Kandidaten um das Amt bewerben, die dafür offensichtlich nicht qualifiziert sind, zeugt von einem Verständnis von Politik, lokaler zumal, das wenig mit der Realtität zu tun hat.

Die Krise der Demokratie, die auf den höheren politischen Ebenen längst offensichtlich ist, hat, das verdeutlicht das Beispiel Plüderhausen, auch die Kommunen erreicht. Was kein gutes Zeichen für den Zustand dieser Republik ist. Es wäre dem Amtsinhaber (und vor allem der Gemeinde) ein Wahlkampf mit ernst zu nehmenden Mitbewerbern zu wünschen gewesen. Bleibt nur zu hoffen, dass am Ende die politische Klugheit bei allen Beteiligten siegt. Der Demokratie und den Bürgern wäre damit allemal geholfen.

Nachtrag:
Hat die politische Klugheit gesiegt? Entscheidet selbst

*...und danach nicht einmal die Größe, seine Niederlage auch einzugestehen und dem Sieger zu gratulieren...

Donnerstag, 22. Februar 2018

Nachrichten nach dem Wiki-Prinzip

Die aktuelle Startseine von Wikitribune (Screenshot)
Nachrichten kommen von Journalisten? Diese eigentlich profane Frage wird von Wikipedia-Gründer Jimmy Wales gerade ganz anders beantwortet. Der US-Amerikaner hat von dem Geschäft recht basisdemokratische Vorstellungen - und deshalb eine Plattform gestartet, auf der die Leser explizit auch an den Artikeln mitschreiben und eigene verfassen dürfen. 

Noch ist das Projekt wohlgemerkt in der Pilotphase. Doch die ersten Artikel zeigen: Es könnte funktionieren. Die englischsprachigen Texte sind nüchtern, sachlich und mit vielen Fußnoten versehen. Meist haben wenig mehr als fünf Personen etwas an ihnen geändert. (Eigene Beiträge der Leser sind aber noch kaum zu finden.)

Auch in den Diskussionen, die es zu den Texten gibt, ist wenig von dem zu spüren, das Zeitungsverlage umtreibt, bisweilen auch quält: Argwohn, Hass und die Neigung, Berichten der Presse zu misstrauen, sofern sie dem eigenen Weltbild zuwider laufen.

13 Redakteure, 7700 angemeldete Nutzer

Wohl auch, weil laut Süddeutscher Zeitung Wikitribune, so der Name des Mediums, erst 7700 angemeldete Nutzer hat. Und diese vermutlich zu einem großen Teil aus dem Bestand der Wikipedia-Schreiber stammen.

Die Idee ist, keine Frage, durchaus interessant: Das Wissen der vielen zu nutzen, die oft besser Bescheid wissen als ein einzelner Mensch (und sei es auch seine Profession). Schwarmintelligenz wird so etwas gemeinhin genannt. Nachrichtentexte zudem an aktuelle Gegebenheiten anzupassen, aus ihnen also relativ zeitlose, an Fakten orientierte Berichte zu machen. Das klingt spannend.

Doch lässt sich das tatsächlich für ein so heiklen Bereich wie Nachrichten verwirklichen? Es sind zumindest Zweifel angebracht. Weshalb auch Jimmy Wales 13 Redakteure beschäftigt, die ihr Handwerk durchaus verstehen.

Fakten - oder Ärger und Frust?

Wer Diskussionen auf Nachrichtenseiten (oder gar sozialen Medien) professionell begleiten muss, hat nämlich die gegenteilige Erfahrung gemacht: Dass nicht das sachliche Argument zählt, sondern die laute Rede, das Zuspitzen, die Polemik - und der Verdacht, der zuständige Redakteur sei bezahlt oder gar von der hohen Politik instruiert.

Selten kann auch ich mich daher an eine Online-Diskussion auf den Plattformen meines Arbeitgebers erinnern, aus der ich mehr gezogen hätte als Ärger und Frust.

Indes: Das Beispiel Wikipedia zeigt, dass solch ein Open Source-Projekt (notwendig ist lediglich eine Anmeldung als Nutzer mit Emailadresse) durchaus funktionieren kann.

Ob Nachrichten nach dem Wiki-Prinzip auch langfristig von Mehrwert sind, diesen Beweis ist der Wikipedia-Gründer natürlich noch schuldig. Vorerst wird das Projekt an dieser Stelle aber wohlwollend und interessiert beobachtet. 

"Stuttgart ist eine beschädigte Stadt"



"Stuttgart ist eine beschädigte, eine menschenfeindliche Stadt. Die Bahnhofs-Baustelle im Herzen der Stadt: Dass die grüne Administration, der Oberbürgermeister und der Ministerpräsident, nicht in der Lage ist, den Bürgern diese noch Jahre dauernde Zumutung zu ersparen, ist eine Schande. Dazu der Autowahn. Wenn Sie die Stadt betreten, wissen Sie, wer hier die Macht hat. Die Macht haben Daimler und Porsche. Stuttgart ist im Augenblick eine absolute Katastrophe."

Claus Peymann im Interview mit der Stuttgarter Zeitung (22. Februar 2018)




Samstag, 17. Februar 2018

Das kulturbefördernde Füll

Ein wünschbar bürgerlich Idyll
erschafft, wenn du ihn trägst, der Füll.

Er kehrt, nach Vorschrift aufgehoben,
die goldne Spitze stets nach oben.

Wärst du ein Tier und sprängst auf Vieren,
er würde seinen Saft verlieren.

Trag einen Füll drum! (Du verstehst:
Damit du immer aufrecht gehst.)

(Christian Morgenstern)

Sonntag, 11. Februar 2018

Die Parteien von innen heraus verändern

Personaldebatten, Koalitionsvertrag oder GroKo - Ja/Nein? Alles nur Strohfeuer! Mein Kommentar vor der Wahl gilt nach wie vor: Die Parteien müssen von innen heraus verändert werden!

Über mögliche Anreize für die Jugend habe ich (ebenfalls vor der Wahl) mit Politikwissenschaftler Uwe Jun gesprochen:

Herr Prof. Jun, einst galten Jugendorganisationen als kritische Mahner gegenüber ihren Mutterparteien. Ist das heute noch so? 

Kritische Mahner sind sie auch heute noch. Wenn Fundamentalkritik an der eigenen Partei kommt, dann in der Regel von den Jugendorganisationen. Sie sind diejenigen, die die reine Lehre der Parteien hochhalten. Allerdings sind sie von der Quantität her eher eine Randerscheinung geworden. Dabei gilt: Umso ländlicher eine Region, desto schwerer wird es, junge Mitglieder zu gewinnen. In den großen Städten sind sie aber durchaus noch präsent.

Junge Menschen sind schwer für Parteipolitik zu begeistern. Woran liegt das?

Dafür gibt es vielfältige Gründe. Zunächst einmal hat sich das Freizeitverhalten individualisiert. Vieles spielt sich heute online ab. Offline-Aktivitäten sind viel schwieriger zu organisieren. Außerdem haben sich die Lebensstile pluralisiert. Junge Menschen sind deshalb heute nicht mehr so leicht bereit, sich für längere Zeit in Großorganisationen zu engagieren. Außerdem gelten Parteien nun mal als uncool, unsexy und von Älteren dominiert.

Oft ist die Rede von einer generell unpolitischen Jugend. Was sagt die Politikwissenschaft dazu? 

So pauschal lässt sich das nicht sagen. Das politische Interesse läuft aber sehr stark auseinander. Auf der einen Seite gibt es jene, die sich intensiv mit Politik auseinandersetzen, auf der anderen Seite solche, die daran überhaupt nicht interessiert sind. Generell ist das Politikinteresse bei jungen Menschen aber eher punktuell und an bestimmten Themen orientiert. Event-Ereignisse wie die Großdemonstrationen gegen TTIP haben es da leichter als grundsätzlich auf Dauer angelegte Parteien. Außerdem hat sich das Partizipationsverhalten inzwischen geändert. Einen Politiker bei Facebook liken, das verstehen heute manche schon als Form politischer Teilhabe.

In Großbritannien haben Zehntausende junge Menschen die sozialdemokratische Labour-Partei von unten gekapert. Wäre so etwas in Deutschland auch denkbar?


Im Moment halte ich das für eher unrealistisch. Denn hierbei handelt es sich um ein spezifisch britisches Phänomen, das sich durch die starke soziale Ungleichheit, extrem hohe Studiengebühren und eine verbreitete politische Unzufriedenheit erklären lässt. Deutschland ist im Gegensatz dazu ein Hort der Stabilität in Europa. Mehr als 80 Prozent der Bürger sind im Moment zufrieden mit ihrer sozialen Situation. Und selbst wenn sich das ändern sollte, wonach es im Moment aber nicht aussieht, ist noch nicht absehbar, ob sich die Unzufriedenheit innerhalb der bestehenden Organisationen äußert oder sich vielmehr gegen die Etablierten richtet, wie wir das gerade in Frankreich erleben.

Was können Jugendorganisationen tun, um mehr junge Menschen als Mitglieder zu gewinnen?


Sie könnten den Bürgern mehr Partizipationsmöglichkeiten anbieten und zum Beispiel direktdemokratische Elemente innerhalb der Parteien stärken. Mehr Mitgliederbeteiligung wäre ein starker Anreiz, einzutreten. Die Parteien würden dann vielleicht wieder mehr etwas mehr Boden unter die Füße bekommen.

(Das Interview erschien am 16. September 2017 zuerst in den Schorndorfer Nachrichten)

Freitag, 9. Februar 2018

Impressionen No. LII: Retrospektiv


 Smerdjakov und die Schuld.


 In der Schwarzwaldhölle.


 An der Schwelle.

Ein Wort
Ein Wort, ein Satz - aus Chiffren steigen
erkanntes Leben, jäher Sinn,
die Sonne steht, die Sphären schweigen,
und alles ballt sich zu ihm hin.

Ein Wort - ein Glanz, ein Flug, ein Feuer,
ein Flammenwurf, ein Sternenstrich -
und wieder Dunkel, ungeheuer,
im leeren Raum um Welt und Ich.
 (Gottfried Benn, 1941)