Sonntag, 11. Februar 2018

Die Parteien von innen heraus verändern

Personaldebatten, Koalitionsvertrag oder GroKo - Ja/Nein? Alles nur Strohfeuer! Mein Kommentar vor der Wahl gilt nach wie vor: Die Parteien müssen von innen heraus verändert werden!

Über mögliche Anreize für die Jugend habe ich (ebenfalls vor der Wahl) mit Politikwissenschaftler Uwe Jun gesprochen:

Herr Prof. Jun, einst galten Jugendorganisationen als kritische Mahner gegenüber ihren Mutterparteien. Ist das heute noch so? 

Kritische Mahner sind sie auch heute noch. Wenn Fundamentalkritik an der eigenen Partei kommt, dann in der Regel von den Jugendorganisationen. Sie sind diejenigen, die die reine Lehre der Parteien hochhalten. Allerdings sind sie von der Quantität her eher eine Randerscheinung geworden. Dabei gilt: Umso ländlicher eine Region, desto schwerer wird es, junge Mitglieder zu gewinnen. In den großen Städten sind sie aber durchaus noch präsent.

Junge Menschen sind schwer für Parteipolitik zu begeistern. Woran liegt das?

Dafür gibt es vielfältige Gründe. Zunächst einmal hat sich das Freizeitverhalten individualisiert. Vieles spielt sich heute online ab. Offline-Aktivitäten sind viel schwieriger zu organisieren. Außerdem haben sich die Lebensstile pluralisiert. Junge Menschen sind deshalb heute nicht mehr so leicht bereit, sich für längere Zeit in Großorganisationen zu engagieren. Außerdem gelten Parteien nun mal als uncool, unsexy und von Älteren dominiert.

Oft ist die Rede von einer generell unpolitischen Jugend. Was sagt die Politikwissenschaft dazu? 

So pauschal lässt sich das nicht sagen. Das politische Interesse läuft aber sehr stark auseinander. Auf der einen Seite gibt es jene, die sich intensiv mit Politik auseinandersetzen, auf der anderen Seite solche, die daran überhaupt nicht interessiert sind. Generell ist das Politikinteresse bei jungen Menschen aber eher punktuell und an bestimmten Themen orientiert. Event-Ereignisse wie die Großdemonstrationen gegen TTIP haben es da leichter als grundsätzlich auf Dauer angelegte Parteien. Außerdem hat sich das Partizipationsverhalten inzwischen geändert. Einen Politiker bei Facebook liken, das verstehen heute manche schon als Form politischer Teilhabe.

In Großbritannien haben Zehntausende junge Menschen die sozialdemokratische Labour-Partei von unten gekapert. Wäre so etwas in Deutschland auch denkbar?


Im Moment halte ich das für eher unrealistisch. Denn hierbei handelt es sich um ein spezifisch britisches Phänomen, das sich durch die starke soziale Ungleichheit, extrem hohe Studiengebühren und eine verbreitete politische Unzufriedenheit erklären lässt. Deutschland ist im Gegensatz dazu ein Hort der Stabilität in Europa. Mehr als 80 Prozent der Bürger sind im Moment zufrieden mit ihrer sozialen Situation. Und selbst wenn sich das ändern sollte, wonach es im Moment aber nicht aussieht, ist noch nicht absehbar, ob sich die Unzufriedenheit innerhalb der bestehenden Organisationen äußert oder sich vielmehr gegen die Etablierten richtet, wie wir das gerade in Frankreich erleben.

Was können Jugendorganisationen tun, um mehr junge Menschen als Mitglieder zu gewinnen?


Sie könnten den Bürgern mehr Partizipationsmöglichkeiten anbieten und zum Beispiel direktdemokratische Elemente innerhalb der Parteien stärken. Mehr Mitgliederbeteiligung wäre ein starker Anreiz, einzutreten. Die Parteien würden dann vielleicht wieder mehr etwas mehr Boden unter die Füße bekommen.

(Das Interview erschien am 16. September 2017 zuerst in den Schorndorfer Nachrichten)

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