Donnerstag, 22. Februar 2018

Nachrichten nach dem Wiki-Prinzip

Die aktuelle Startseine von Wikitribune (Screenshot)
Nachrichten kommen von Journalisten? Diese eigentlich profane Frage wird von Wikipedia-Gründer Jimmy Wales gerade ganz anders beantwortet. Der US-Amerikaner hat von dem Geschäft recht basisdemokratische Vorstellungen - und deshalb eine Plattform gestartet, auf der die Leser explizit auch an den Artikeln mitschreiben und eigene verfassen dürfen. 

Noch ist das Projekt wohlgemerkt in der Pilotphase. Doch die ersten Artikel zeigen: Es könnte funktionieren. Die englischsprachigen Texte sind nüchtern, sachlich und mit vielen Fußnoten versehen. Meist haben wenig mehr als fünf Personen etwas an ihnen geändert. (Eigene Beiträge der Leser sind aber noch kaum zu finden.)

Auch in den Diskussionen, die es zu den Texten gibt, ist wenig von dem zu spüren, das Zeitungsverlage umtreibt, bisweilen auch quält: Argwohn, Hass und die Neigung, Berichten der Presse zu misstrauen, sofern sie dem eigenen Weltbild zuwider laufen.

13 Redakteure, 7700 angemeldete Nutzer

Wohl auch, weil laut Süddeutscher Zeitung Wikitribune, so der Name des Mediums, erst 7700 angemeldete Nutzer hat. Und diese vermutlich zu einem großen Teil aus dem Bestand der Wikipedia-Schreiber stammen.

Die Idee ist, keine Frage, durchaus interessant: Das Wissen der vielen zu nutzen, die oft besser Bescheid wissen als ein einzelner Mensch (und sei es auch seine Profession). Schwarmintelligenz wird so etwas gemeinhin genannt. Nachrichtentexte zudem an aktuelle Gegebenheiten anzupassen, aus ihnen also relativ zeitlose, an Fakten orientierte Berichte zu machen. Das klingt spannend.

Doch lässt sich das tatsächlich für ein so heiklen Bereich wie Nachrichten verwirklichen? Es sind zumindest Zweifel angebracht. Weshalb auch Jimmy Wales 13 Redakteure beschäftigt, die ihr Handwerk durchaus verstehen.

Fakten - oder Ärger und Frust?

Wer Diskussionen auf Nachrichtenseiten (oder gar sozialen Medien) professionell begleiten muss, hat nämlich die gegenteilige Erfahrung gemacht: Dass nicht das sachliche Argument zählt, sondern die laute Rede, das Zuspitzen, die Polemik - und der Verdacht, der zuständige Redakteur sei bezahlt oder gar von der hohen Politik instruiert.

Selten kann auch ich mich daher an eine Online-Diskussion auf den Plattformen meines Arbeitgebers erinnern, aus der ich mehr gezogen hätte als Ärger und Frust.

Indes: Das Beispiel Wikipedia zeigt, dass solch ein Open Source-Projekt (notwendig ist lediglich eine Anmeldung als Nutzer mit Emailadresse) durchaus funktionieren kann.

Ob Nachrichten nach dem Wiki-Prinzip auch langfristig von Mehrwert sind, diesen Beweis ist der Wikipedia-Gründer natürlich noch schuldig. Vorerst wird das Projekt an dieser Stelle aber wohlwollend und interessiert beobachtet. 

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