Freitag, 29. September 2006

Safarinachmittag



















Vor wenigen Jahren betrat mit PeterLicht eine sehr eigenwillige Künstlerpersönlichkeit die Bühnen der deutschen Musiklandschaft. Von mir nur am Rande wahrgenommen, da zwar für nett, aber (fälschlicherweise) nicht sonderlich wichtig erachtet, errichtete er seit seinem Semi-Hit "Sonnendeck" im Sommer 2001 nach und nach sein eigenes kleines, verschrobenes musikalisches Universum, bevor er mit seinen "Liedern vom Ende des Kapitalismus" - laut SZ "beste deutsche Platte seit sehr langer Zeit", die für die "Nullerjahre das werden könnte, "was Fehlfarben für die verkorksten Achtziger und Blumfeld für die rastlosen Neunziger waren: Pamphlet, Manifest, Programm" - plötzlich wieder in mein Bewusstsein trat. Im Februar 2006 präsentierten die Münchener Kammerspiele die Uraufführung von "Wie werden siegen. Und das ist erst der Anfang", das auf der Musik und Texten von PeterLicht basiert. Diesmal begann ich ich mich etwas näher mit diesem Künstler zu beschäftigten, der seine Verweigerungshaltung so weit trieb, dass es lange Zeit nicht mal ein Foto von ihm gab und er bei Konzerten hinter einem Bettlaken auftrat, meine Gehirnwindungen öffneten sich Stück für Stück, bis ich schließlich eines schönen Tages mit dem Safarinachmittag Bekanntschaft machte. Die Musik wusste mich sofort zu begeistern, auf den ersten Blick wirkte der Text jedoch reichlich absurd, mit der Zeit ergaben sich dann Zusammenhänge, Bilder entstanden, die sich nicht in Worte fassen ließen, so dass er mir seitdem im Kopf herum schwirrt, mich nicht mehr verlässt und immer wieder aufs neue fröhlich und zugleich melancholisch stimmt:


Safarinachmittag

an einem hundsgewöhnlichen safarinachmittag
fuhr ich raus in die steppe
in die steppe vor der stadt
irgendwann muss ich dich dann getroffen haben
irgendwann saßt du dann im safariwagen
irgendwann begannen wir zu lachen
das ging auf kosten unsrer rachen
und da das lachen immer lauter wurde
bekamen wir davon gehirnerschütterungen

deshalb ließen wir die hirne ruhen
und fuhren weiter im safariwagen
durch die steppe vor der stadt,
an einem hundsgewöhnlichen safarinachmittag

und wir führten gespräche über unsre fragen
welche tiere wir gerne wären
wenn wir mal wieder tiere wären
ich wünschte mich als savannenbewohner,
du wünschtest dich als paarhufer oder so
wir einigten uns auf termiten,
für die wir uns dann hielten

wir tranken presssaft aus purpursonnenhutkraut
in unseren augen gingen sonnen auf
sonnen aus purpur, sonnen aus purpur
einen himmel gab es nicht
safari - die braucht das nicht in der steppe vor der stadt
an einem hundsgewöhnlichen safarinachmittag

über uns flog ein archaeopterix
wir sahen ihm nach und sagten nix
er selber wollte auch nicht reden
was sollte er auch sagen
er war ja schon ausgestorben
auf seinem flug nach norden
doch selbst das sollte uns nicht daran hindern
jedermannes ausgestorbenheit zu lindern

insgesamt bleibt festzustellen
aussterben ist langweilig, sowas, das macht man nicht
damit kommt man weiter nicht
aber weiter kommt man im safariwagen
in dem wir sitzen und durch die steppe jagen
durch die steppe vor der stadt
an einem hundsgewöhnlichen safarinachmittag
an einem hundsgewöhnlichen safarinachmittag...


PeterLicht-Diskografie:

2000: EP - 6 Lieder



2001 14 Lieder





2003 Stratosphärenlieder
(worauf auch der Safarinachmittag zu finden ist)





2006 Lieder vom Ende des Kapitalismus



Die NPD und Du

Wahlsonntag in Mecklenburg-Vorpommern – das gleiche Bild wie vor knapp zwei Jahren in Sachsen: Eine scheinbar aus dem Nichts ins Parlament aufgestiegene NPD, völlig unvorbereitete Demokraten und äußerst ungeschickt agierende Journalisten. Anstatt den Verfassungsfeinden der NPD mit Gelassenheit und Souveränität zu begegnen, agieren Politiker wie Medienvertreter hektisch, fallen den braunen Spitzenkandidaten ins Wort und brechen die Interviews vorzeitig ab. Wovor scheuen sich die Demokraten? Etwa vor besseren Argumenten? Oder vor Klischees, denen sie nichts entgegenzusetzen wissen? Ist es ihnen denn gar nicht bewusst, dass sie mit ihrer undemokratischen Umgangsweise den braunen Herrschaften genau die Bühne geben, die sie ihnen doch eigentlich zu verweigern suchen? Letztlich liegen die Ursachen des Problems in der Krise unserer Demokratie und in der totalitären Vergangenheit Ostdeutschlands.

Betrachten wir daher zunächst die National-„Demokraten“: Die einst kapitalistische Partei wandelte sich spätestens Anfang der 90er Jahre zu einer antikapitalistischen, revolutionären Partei. Erfolg war ihr dadurch zunächst nicht beschieden, denn nach der Wende wussten zunächst andere, noch radikalere Organisationen das rechtsextreme Potenzial im Osten der Republik zu bündeln. Aufgrund einer Reihe von Verbotsverfahren gegen rechtsextreme Organisationen, einer breiten Öffnung der Partei hin zu rechten Skinheads und Kameradschaften und einem gleichzeitig moderateren, professionalisierten und beinahe bürgerlichen Auftreten konnte sich die NPD langsam in der rechtsextremen Szene etablieren.

Kämpfen gegen das „Schweine-System BRD“

Ironischerweise ist der wirkliche Aufstieg der selbst ernannten Retter des deutschen Volkes ausgerechnet dem Verfassungsschutz zu verdanken. Das gescheiterte Verbotsverfahren gegen die NPD im Jahre 2000 erlaubte zwar keinerlei Aussage über die Verfassungstreue der Partei, es machte sie aber auf einen Schlag in der ganzen Republik bekannt. Die NPD bastelte daraus für ihre Anhänger das Image eines Märtyrers und stellte die BRD als illegitimes „System“ dar, das es zu überwinden gilt. Außerhalb der Parteikreise kam das gescheiterte Verbot einem Persilschein gleich, der die Wählbarkeit der Partei als angeblich legitime, demokratische Alternative implizierte.

Der parlamentarische Erfolg ist für die „nationalen Sozialisten“ lediglich Mittel zum Zweck im Kampf um die Überwindung des „Systems BRD“. Neben dem Kampf um die Parlamente hat der Parteivorsitzende und diplomierte Politikwissenschaftler Udo Voigt den Kampf um die Köpfe und den Kampf um die Straßen ausgerufen. Mit durchaus beachtlichem Erfolg – zumindest in vielen ländlichen, von den demokratischen Parteien vernachlässigten Regionen. Hier die Parteistrategie: Neben der Besetzung sozialer Themen wie Hartz IV versucht die NPD, möglichst bürgerlich und seriös aufzutreten, sich auf kommunaler Ebene als bürgernahe, aktive Partei zu präsentieren, Auseinandersetzungen nicht zu scheuen und im Zweifelsfall pragmatisch zu handeln. Sie veranstaltet scheinbar harmlos anmutende „Volks“-Feste mit Bratwurst und Blasmusik, organisiert nationalistische Krabbelgruppen, betätigt sich rege in Bürgerinitiativen und hilft Langzeitarbeitslosen bei der Jobsuche.

Im sächsischen Parlament agiert die NPD geschickt. Sie hat sich fleißig in die Regeln des von ihr so verabscheuten parlamentarischen Alltags eingearbeitet und weiß die Schwächen der demokratischen Parteien für sich zu instrumentalisieren. Da ihre Kritik nicht selten einen wahren Kern hat, wussten die Demokraten zunächst nicht, wie sie reagieren sollten. So boten sie der NPD zunächst viel Raum für Propaganda, und nur so konnte es dieser wiederum gelingen, ihr rein instrumentelles Verhältnis zur parlamentarischen Demokratie zu kaschieren.

Die personelle Decke innerhalb der NPD ist jedoch äußerst dünn. Die sächsische Landtagsfraktion versammelt beinahe die gesamte Parteielite. Mehr als die Hälfte der Gehaltsempfänger im Landtag stammt nicht aus Sachsen, sondern setzt sich aus altgedienten Parteikadern zusammen. Auch Versuche, eine so genannte „Dresdner Schule“ zu begründen, die eine intellektuelle rechtsextreme Elite formieren und eine ähnliche gesellschaftliche Breitenwirkung wie die Frankfurter Schule zeitigen soll, hatte bisher eher bescheidene Effekte zur Folge. Das Einflusspotential einer mit 6000 Mitgliedern durchaus als Splittergruppe zu bezeichnenden Partei sollte daher weder über- noch unterbewertet werden. Vielmehr sollten die bisherigen Auswirkungen als Alarmsignal für die zunehmende Akzeptanz einer sich etablierenden rechtsextremen Kultur verstanden werden. In manchen Regionen Ostdeutschlands lässt sich schon von einer regelrechten Hegemonie der modernen Nazis sprechen. Nur ein Beispiel: Nachdem die NPD „aktive Teilnahme“ androhte, wurde im März ein Benefizkonzert des Liedermachers Konstantin Wecker in Halberstadt abgesagt.

Rechtsextremismus aus der Mitte des Volkes

Rechtsextreme Denkmuster an sich sind in Deutschland quer durch alle Schichten und Generationen zu finden, also kein spezifisch ostdeutsches Phänomen. Doch warum gerade diese außergewöhnlich starke Attraktivität und Akzeptanz des Rechtsextremismus in den ostdeutschen Bundesländern? Gemeinhin wird auf die kollektive Frustration breiter Bevölkerungsteile verwiesen, auf die hohen Arbeitslosenzahlen und die geringen Zukunftsperspektiven der sozial Benachteiligten. Ein Zusammenhang zwischen Prekarisierung breiter Bevölkerungsschichten und Hang zum Rechtsextremismus ist sicher nicht von der Hand zu weisen. Doch diese Erklärung greift – meiner Ansicht nach – zu kurz. Strukturschwache Regionen gab und gibt es im gesamten Bundesgebiet, aber trotzdem konnte sich in Westdeutschland (noch) keine rechtsextreme Partei dauerhaft etablieren; und wo sie es doch zeitweise in die Parlamente schaffte, dort hatte sie stets mit starken zivilgesellschaftlichen Strukturen zu kämpfen.

Die wesentlichen Strukturen des Rechtsextremismus in Ostdeutschland scheinen schon zu Zeiten der DDR gelegt worden zu sein. Drei Faktoren halte ich dabei für ausschlaggebend: das zentrale Prinzip der Gleichheit, den Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit von Seiten der Einheitspartei und die fehlende Zivilgesellschaft.

Zur Gleichheit: Der „Arbeiter- und Bauernstaat“ hatte sich als zentrales Ziel gesetzt, Gleichheit herzustellen: Gleich sollten die Einkommen sein, der Wohlstand, das Denken und die Art der Lebensführung. Konformität, Strebsamkeit und Anpassung waren die Schlüssel zum Erfolg. Orientierung an der Masse, nicht Individualität und Distinktion, war die Voraussetzung für soziale Akzeptanz. So wurden nicht nur Nonkonformisten wie Punks oder Hippies stigmatisiert und verfolgt. Auch die wenigen Ausländer, die die DDR aus den sozialistischen Bruderländern anwarb, wurden staatlich benachteiligt und sozial segregiert. Wie tief die Empfindung des „Ihr gehört nicht dazu“ sich eingeprägt hatte, war nicht zuletzt an den Pogromen von Rostock-Lichtenhagen 1991 erkennbar, als die Wut des Mobs auch auf die seit Jahrzehnten ansässigen vietnamesischen Gastarbeiter überschwappte.

Zum Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit: Obgleich sich die DDR als antifaschistischer Staat rühmte, verpasste sie die Chance einer intensiven gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte, die in der Bundesrepublik spätestens in den Sechziger Jahren mit den Auschwitz-Prozessen und den Studentenrevolten einsetzte. Den Denkern der sozialistischen DDR zufolge lag die Wurzel des Faschismus im Kapitalismus. In der antikapitalistischen DDR konnte es nach diesem Verständnis per se keine Faschisten geben. Gefährlich waren stattdessen immer die Anderen, vorzugsweise die BRD. Ihr wurde als direktem Nachfolgestaat des NS-Regimes nicht nur die alleinige Verantwortung für die Vergangenheit zugewiesen. Sie, und nur sie, stand unter dem Verdacht, jederzeit wieder in ein faschistisches System umschlagen zu können. Daher rührt auch die absurde Bezeichnung der Berliner Mauer als „antifaschistischer Schutzwall“, und aus demselben Grund kam es zur Diffamierung des Arbeiteraufstands des 17. Juni 1953 als faschistischen, konterrevolutionären, vom Westen gelenkten Aufstand.

Insgesamt mangelte es der DDR an zivilgesellschaftlichen Strukturen. Während sich in der BRD mit wachsendem Wohlstand die Gesellschaft demokratisierte, wurde in der DDR jegliche Selbstorganisation als verdächtig betrachtet und verfolgt. Die kritischen Sensoren der Bürger stumpften so mit der Zeit ab. Im Zuge des schleichenden Untergangs entstanden Ende der Achtziger durch mutige Bürger nach und nach zarte basisdemokratische, zivilgesellschaftliche Strukturen. Diese wurden jedoch nach der Wiedervereinigung schnell von den gefestigten, eingespielten politischen Strukturen der Bundesrepublik erdrückt. Die positive Erfahrung mit dem demokratischen System, welche die westdeutschen Bürger in den Erfolgsjahren der Bundesrepublik machten, blieb vielen Ostdeutschen verwehrt. Die einstige Erfolgsgeschichte West begann schon vor der Wiedervereinigung zu kriseln und so kam für nicht wenige die Wende einem sozialen Abstieg gleich.

Demokratie in Gefahr?

Doch auch im Westen bröckelt allmählich das Vertrauen in die Selbstheilungskräfte der Demokratie und in das Politische System. Laut dem aktuellen Deutschland-Trend der ARD sind 51 % der Deutschen unzufrieden mit der Demokratie – der höchste jemals gemessene Wert in der Geschichte der Bundesrepublik! Zudem gaben zwei Drittel der Befragten an, in Deutschland gehe es eher ungerecht zu. Die Solidarität sinkt, und damit auch die Bereitschaft, sich für die Gemeinschaft zu engagieren – die Zivilgesellschaft ist in Gefahr. Die Art des gesellschaftlichen Diskurses über islamischen Fundamentalismus, Kopftuch, Rütli-Schule und Ehrenmorde schafft zudem eine Atmosphäre, in der ausländerfeindliche Ressentiments zunehmend akzeptiert werden. Für die Rechtsextremen ist es so ein Leichtes, sich als die Vollstrecker des Willens der Mehrheit zu präsentieren und die demokratischen Parteien als vermeintliche Papiertiger zu entlarven. Traumhafte Verhältnisse für eine populistische Partei, die sich die Abschaffung des „Systems BRD“ auf die Fahne geschrieben hat!

Argumentieren – nicht verbieten!

Was also tun gegen die modernen Nazis? Verbote sind – gerade in einer Demokratie – das falsche Mittel und die Diskussion darüber ist spezifisch deutsch. Stattdessen bedarf es einer breiten gesellschaftlichen Auseinandersetzung, der sich auch und gerade die Journalisten nicht entziehen dürfen. Die Demokratie muss ihre Überlegenheit dadurch beweisen, dass sie sich nicht vor der Auseinandersetzung mit Extremisten scheut, sondern ihnen ihre größte Stärke demonstriert: die des Arguments. Das muss gelernt und praktiziert werden. Hier kommt den Schulen eine entscheidende Rolle zu. Es sollte dort aufgeklärt und diskutiert werden, auch und gerade über die modernen Nazis und ihre Argumente. Die Politik darf sich nicht davor scheuen, auch in den peripheren Regionen das Gespräch mit den Bürgern zu suchen. Die Zivilgesellschaft muss gestärkt werden, um den Braunen die Themen streitig zu machen, sich mit ihnen auseinander zu setzen und ihre Argumente zu widerlegen. Die Jugendkultur muss stärker gefördert werden, um etwaigen rechten Hegemonien entgegenzutreten. Und letztlich liegt es in der Verantwortung jedes Einzelnen, rechtsextremen Einstellungen, Denkmustern und Kulturen in seiner Umgebung entgegenzutreten. Denn eine Zivilgesellschaft braucht Individuen, die an sie glauben.  

Samstag, 16. September 2006

Avalanche













Ohne viele Worte zu verlieren - sie wären ohnehin müßig: Leonard Cohens „Avalanche“ aus einem seiner eindringlichsten Alben „Songs of Love and Hate“ (1971)
Well I stepped into an avalanche,
it covered up my soul;
when I am not this hunchback that you see,

I sleep beneath the golden hill.
You who wish to conquer pain,
you must learn, learn to serve me well.
You strike my side by accident
as you go down for your gold.
The cripple here that you clothe and feed
is neither starved nor cold;
he does not ask for your company,
not at the centre, the centre of the world.

When I am on a pedestal,
you did not raise me there.
Your laws do not compel me
to kneel grotesque and bare.
I myself am the pedestal
for this ugly hump at which you stare.

You who wish to conquer pain,
you must learn what makes me kind;
the crumbs of love that you offer me,
they're the crumbs I've left behind.
Your pain is no credential here,

it's just the shadow, shadow of my wound.

I have begun to long for you,
I who have no greed;
I have begun to ask for you,
I who have no need.
You say you've gone away from me,

but I can feel you when you breathe.

Do not dress in those rags for me,
I know you are not poor;
you don't love me quite so fiercely now
when you know that you are not sure,
it is your turn, beloved,
it is your flesh that I wear.

Diskografie:1968: Songs of Leonard Cohen
1969: Songs from a Room
1971: Songs of Love and Hate



1974:
New Skin for the Old Ceremony




1977: Death of Ladies' Man
1979: Recent Songs
1984: Various Positions
1988: I'm your man
1992: The Future
2001: Ten New Songs
2004: Dear Heather

Montag, 11. September 2006

Rückkehr der Blauen










Für alle, denen es bisher entgangen sein sollte: die Stuttgarter Kickers sind nicht nur seit geraumer Zeit die Mannschaft meines Vertrauens (als deren Anhänger ich in den letzten Jahren nicht viel zu feiern hatte), sondern momentan auch in der besten Form seit Jahren: in den sechs bisherigen Spielen konnten sie fünfmal ihren Gegner hoch und verdient bezwingen und sich damit seit dem ersten Spieltag an der Tabellenspitze der Regionalliga Süd halten. Mit einem relativ kleinen, aber eingespielten Kader präsentieren sie sich in den letzten Wochen als größter Aufstiegsfavorit. Dass die Mannschaft in den Profifußball gehört verdeutlichte nicht zuletzt der letzte Samstagmittag auf der Waldau. Im seit fünfzehn Jahren erstmalig wieder ausverkauften Gazi-Stadion konnten die Zuschauer begeisternde Kickers sehen, die in einem hochklassigen Spiel den traumatischen Gegner und Bundesligisten HSV (an dem sie im DFB-Pokalfinale 1987 im Finale knapp scheiterten) aus dem DFB-Pokal kickten. Nach dem 4:3 vom Samstag dürfte der Selbstanspruch der Degerlocher auf eine Rückkehr in die 2. Bundesliga (wo sie definitiv wieder hingehören) nicht mehr zu verleugnen sein. Und wer sich so schön und akrobatisch über seine Tore freuen kann wie Christian Okpala und Bashiru Gambo oben im Bild, dem ist es auch letztlich nur zu gönnen...

Samstag, 2. September 2006

Moderne Zeiten

















Die beeindruckende Rückkehr Dylans in die Höhen der Liedkunst Anfang der Neunziger, die in seinem Meisterwerk TIME OUT OF MIND (1997) kulminierte, schreitet fort. Aber um es gleich vorweg zu sagen: an diese Klasse reicht das neueste Werk leider nicht ganz heran. War Time out of mind noch ein klassisches, schweres Alterswerk, so überraschte uns der Meister 2001 zunächst mit LOVE AND THEFT, einer lockeren Hommage an den amerikanischen Folk, die mal bluesig, mal beswingt, mal countryesk daher kam und aufgrund einer sehr guten spielfreudigen Band und der neuen stimmlichen und textlichen Entspanntheit Zimmermanns überzeugen konnte.

Nun also MODERN TIMES. Aber Moderne Zeiten? Keine Spur - stattdessen eine logische, noch befreitere, reduzierte Fortsetzung von Liebe & Diebstahl. Spielte die Band zuvor mitunter auch mal dreckig und mit Druck, so üben sich die Musiker der Modernen Zeiten durchweg in Zurückhaltung. Melodien? Kaum. Soli? Gelegentlich. Ausbrüche? Fehlanzeige. Stattdessen ein sehr zurückgenommener, beinahe ausdrucksloser Klangteppich, zumeist bluesig, bisweilen schnell, gelegentlich langsamer, ab und an beswingt, aber immer dezent, nie zu dick aufgetragen oder gar pathetisch.

Man mag dies langweilig finden, beiseite legen, irgendeine andere der vielen Dylanplatten anhören und sich darüber beklagen, wie alt und zufrieden er doch geworden sei – oder sich einlassen auf eine kleine Reise in den Kosmos eines der eigenwilligsten Musiker der letzten vierzig Jahre. Denn das reduzierte Arrangement, die nie so befreit, geschmeidig und doch vom Alter gezeichnete Stimme, das epische Ausmaß der Platte (beinahe 70 Minuten bei zehn Songs) und vor allem die geballte Masse an Worten, die uns hier geboten werden – welche bei Dylan wie so oft auch ohne die Musik funktionieren – haben durchaus ihren Reiz.

Und mindestens zwei Klassiker lassen sich jetzt schon auf dem Album ausmachen: Der sozialkritische Workingman’s Blues #2, in dem u.a. singt: “There's an evenin' haze settlin' over town / Starlight by the edge of the creek / The buyin' power of the proletariat's gone down / Money's gettin' shallow and weak / Well, the place I love best is a sweet memory / It's a new path that we trod / They say low wages are a reality / If we want to compete abroad / My cruel weapons have been put on the shelf / Come sit down on my knee / You are dearer to me than myself / As you yourself can see / While I'm listening to the steel rails hum / Got both eyes tight shut / Just sitting here trying to keep the hunger from / Creeping it's way into my gut …” sowie das beinahe zehnminütige düster-apokalyptische Ain’t talkin’: “They say prayer has the power to heal / So pray from the mother / In the human heart an evil spirit can dwell / I am a-tryin' to love my neighbour and do good unto others / But oh, mother, things ain't going well / Ain't talkin', just walkin' / I'll burn that bridge before you can cross / Heart burnin', still yearnin' /There'll be no mercy for you once you've lost …”

MODERN TIMES wird letztlich im Gesamtwerk keine allzu große Beachtung erfahren, denn es ist beileibe kein Meisterwerk, und sicherlich auch nicht das letzte Werk von His Bobness sein, aber ein sympathisches, unaufdringliches und zeitloses Alterswerk mit dem Bob Dylan wieder einmal die Gegenwart der Vergangenheit aufleben lässt.