Montag, 16. Dezember 2013

Die große Fuge



Arnold Schönberg hörte in ihr ein erstes Aufblitzen von Atonalität. Adorno erkannte in dem Stück neben all der Polyphonie zwar Einstimmigkeit, aber keine Harmonie, sondern "wie bei Hegel nur Vermittlung durch die Extreme hindurch". Die große Fuge, sie ist mit Sicherheit Beethovens radikalstes Werk. 

Mittwoch, 11. Dezember 2013

Lloy Cole: ergrauter Dandy mit Gitarre


Zwei Gitarren, zwei Flaschen Wasser und ein Mikro – mehr braucht Lloyd Cole nicht. Die Präsenz des 52-Jährigen, mittlerweile beachtlich ergrauten Songwriters genügt, um das Publikum am Samstagabend in der Schorndorfer Manufaktur für zweieinhalb Stunden in beinahe andächtige Ruhe zu versetzen. 

Ganz alleine, ganz in schwarz gekleidet, steht er da auf der Bühne. Niemand, der ihm die Gitarre bringen würde, kein großes Team im Hintergrund. Nur er und sein Partner Mike, der für den glasklaren Sound in Wohnzimmerlautstärke verantwortlich zeichnet. „Tiny little songs“ habe er mitgebracht. Understatement oder Selbstironie? Cole weiß schließlich nur zu gut, dass seine Songs so viel mehr sind als das. 

Die Karriere des Engländers begann im Umkreis des Post-Punk der frühen Achtziger Jahre mit den Commotions und radiotauglichem Indiepop mit leichtem Soul-Einschlag. 1987 verließ Cole die Band, ging nach New York und startete seine Solokarriere. Ein knappes Dutzend Alben hat er seitdem hinterlassen – und dabei so manche musikalische Grenze überschritten. Etwa bei „Selected Works Vol. 1“, einem gemächlich mäandernden Ambientalbum, das er dieses Jahr zusammen mit dem Elektronikpionier Roedelius veröffentlicht hat. 

Doch von all dem ist an diesem Abend nichts zu merken. Cole bedient sich zwar allen Phasen seines ganzen musikalischen Schaffens, spielt die Stücke aber so auf den Kern reduziert, dass sich nicht mehr so recht einordnen lässt, in welcher Zeit er sie einst schrieb. Was auch letztlich egal ist. Denn es funktioniert erstaunlich gut. Schnörkellos zupft er die Gitarre, sein Gesang ist makellos, klar und frei von Pathos. Besonders die Songs seines ebenfalls 2013 erschienenen Albums „Standards“, wie die ironische Sozialstudie „Kids today“, profitieren von dieser Reduktion. Cole entfernt alles, was auf seinen Platten bisweilen verproduziert klingt. 

Und – so abweisend er auf Fotos auch immer drein blickt – er ist sichtlich gut gelaunt. Cole kokettiert mit seinem Alter, damit dass er manchmal Textzeilen vergisst oder Akkorde falsch spielt. Was dann auch prompt ein paar Mal passiert. Und beinahe beabsichtigt klingt, als er bei „No more love songs“ in der letzten Strophe „no more love songs / still, you might as well...“ singt, dann kurz überlegt, an die Decke schaut, grinst und „...live“ ergänzt. Er sei ja ohnehin nur die Vorband, scherzt Cole. Und verspricht, nach einer kurzen Pause als Hauptact wieder zu kommen. 

Das Publikum lauscht all dem seltsam andächtig. Für den Dandy hat der Veranstalter eigens aufgestuhlt, was die kreuzbraven Besucher zusätzlich zu disziplinieren scheint. Kein Laut ist zu vernehmen, während Cole spielt. So etwas kennt man sonst nur vom Klassikpublikum. Beim alten Commotions-Hit „Jennifer she said“ versucht Cole sie dann aus der Reserve zu locken. Beim denkbar einfachen „Ba da ba“-Refrain sollen sie ihn begleiten. Was nur bedingt gelingt, dem Künstler aber immerhin ein anerkennendes „Nicht schlecht, ich dachte für so was seid ihr zu sehr Indierock“ entlockt. 

Doch Coles Auftritt selbst fehlt es ein wenig an Dynamik. Er kommt ohne große Höhen und Tiefen aus. Stilistische Variation? Fehlanzeige. Auch Lichteffekte gibt es keine, und so wird Cole den ganzen Abend von einem einzigen hellen Scheinwerfer beleuchtet. Eigenartig sei das auf der Bühne der Manu, stellt er schließlich selbst fest. Er fühle sich da fast wie im Studio. Da wünscht man den Künstler nach dem Konzert dann auch hin. Für eine Platte, ganz akustisch, 45 Minuten. Nur Cole, seine zwei Gitarren und das Mikro. Das könnte funktionieren.