Mittwoch, 25. Juli 2007

Simpsons - Der Film

...ab morgen endlich in deutschen Kinos zu bewundern.

Montag, 23. Juli 2007

Imaginäre Rede im sächsischen Landtag...

…an Herrn Holger Apfel gerichtet, seines Zeichens Fraktionsvorsitzender der NPD. Nur zur Erinnerung: gemeint ist der freundliche Herr auf dem Foto links, neben Udo Voigt, dem Vorsitzenden selbiger Partei und in gewohnter Pose:

„Was reden Sie von kriminellen Ausländern, Herr Apfel, wenn Sie selber mit Bombenbauern und Terroristen Tür an Tür lebten, damals, in Sinning, als Sie Verlagsleiter und Chefredakteur Ihrer Nazipostille Deutsche Stimme waren? Auf dem Anwesen Ihres Vermieters fand die Polizei Waffen und Sprengstoff. Der Vermieter ging ins Gefängnis, Sie gingen mit dem Verlag nach Riesa. Der Mitarbeiter des Verfassungsschutzes Didier Magnien blieb in Bayern und übernahm die „Kameradschaft Süd“, die im November 2003 bei der Grundlegung eines jüdischen Zentrums in München einen Sprengstoffanschlag plante.

Schon vergessen, dass im September 1980 dreizehn Menschen auf dem Oktoberfest in München starben und über 200 verletzt wurden, weil einer aus der Wehrsportgruppe Hoffmann – in der Ihr damaliger Vermieter einer der Führungsfiguren war – eine Bombe gelegt hatte? Ihnen wird man vermutlich nie nachweisen können, Bomben gelegt zu haben, weil Sie das eventuell nie taten. Sie nicht! Aber sie steckten nachweisbar mit Bombenlegern wenn nicht unter einer Decke, so aber mindestens unter einem Dach.

Wenn Terroristen an der Wiege Ihres neuen Deutschlands stehen, bekommt man eine Vorstellung, wie dieses Land dann aussehen könnte, bekämen es die nationalen Kräfte in die Hand, von denen Sie immer reden. Der Bundesverteidigungsminister meint, die deutsche Demokratie am Hindukusch gegen Terroristen verteidigen zu müssen. Das kann er gern tun – nachdem der Kampf gegen den Terror im eigenen Lande erfolgreich war. Wir sollten uns von dem verharmlosenden Begriff „geistige Brandstifter“ trennen. Wir haben es hier auch nicht mit Knallkörpern zu tun. Es handelt sich um gewissenlose Menschen, die den Sprengkopf am Fundament dieser Republik anbringen, um sie in die Luft zu jagen. Wir sollen deshalb davonjagen, bevor sie die Lunte legen können. Ab in die Wüste oder dorthin, wo der Pfeffer wächst.“

(aus: Jan Zobel, Volk am Rand, 2005)

Samstag, 21. Juli 2007

The district sleeps alone tonight

Bei "The district sleeps tonight" handelt es sich um eines der wenigen Musikstücke elektronischer Provenienz, denen ich etwas abgewinnen kann. Eine einleuchtende Interpretation, die ich dazu im Internet gefunden habe lautet wie folgt: In dem Song versetzt sich Ben Gibbard - seines Zeichens Sänger bei Death Cab for Cutie - in die Lage eines Gefängnisinsassen und richtet sich an seine (Ex-)Freundin: "I'll wear my badge, a vinyl sticker with big block letters / I'm only a visitor", "the guady apartment complex" ist eine weitere Umschreibung für das Gefängnis, "a stranger with the door key" ist der Wärter. Er assoziiert ihn mit dem Barkeeper, der das Licht ausmacht, sich selbst mit D.C. bzw. seinem district. Und er hat er ein Alkoholproblem: "and the only thing keeping me dry is where I am"...

The Postal Service - The district sleeps tonight

Smeared black ink... your palms are sweaty
And I'm barely listening to last demands
I'm staring at the asphalt wondering what's buried underneath
Where I am
Where I am

I'll wear my badge... a vinyl sticker with big block letters adherent to my chest
That tells your new friends I am a visitor here...
I am not permanent
And the only thing keeping me dry is
Where I am
Where I am
Where I am

You seem so out of context in this gaudy apartment complex
A stranger with your door key explaining that I am just visiting
And I am finally seeing
Why I was the one worth leaving
Why I was the one worth leaving

D.C. sleeps alone tonight
Where I am
Where I am
Where I am

You seem so so out of context in this gaudy apartment complex
A stranger with your door key explaining that I am just visiting
And I am finally seing
Why I was the one worth leaving
Why I was the one worth leaving

Where I am
Where I am
Where I am

The district sleeps alone tonight after the bars turn out their lights
And send the autos swerving into the loneliest evening
And I am finally seeing
Why I was the one worth leaving
Why I was the one worth leaving
Why I was the one worth leaving
Why I was the one worth leaving

Freitag, 20. Juli 2007

Der Ekel, das Sein und das Nichts



„Das Wesentliche ist die Kontingenz. Ich will sagen, dass die Existenz ihrer Definition nach nicht Notwendigkeit ist. Existieren, das ist dasein, ganz einfach; die Existierenden erscheinen, lassen sich antreffen, aber man kann sie nicht ableiten. Es gibt Leute, glaube ich, die das begriffen haben. Nur haben sie versucht, diese Kontingenz zu überwinden, indem sie ein notwendiges und sich selbst begründendes Sein erfanden. Doch kein notwendiges Sein kann die Existenz erklären; die Kontingenz ist kein Trug, kein Schein, den man vertreiben kann; sie ist das Absolute, folglich die vollkommene Grundlosigkeit.“ (Der Ekel, 1938)

Ein paar unsortierte Gedanken über Sartre: „Wenn Gott nicht existiert ist alles erlaubt“ (Dostojewski). Und laut Sartre gibt es keinen Gott, kann es ihn schlichtweg nicht geben. Die menschliche Grundsituation ist also die einer Geworfenheit, wir haben nicht gewählt zu existieren, aber wir tun es nun mal. Dabei geht die Existenz der Essenz voraus, d.h. wir sind dazu gezwungen, uns ein eigenes Wesen, eine eigene Identität zu erschaffen.

Nichts ist gewiss, alle Wege sind offen. Die wesentliche Bedingung unserer Lebensform ist deshalb die der Freiheit, wir sind nicht determiniert, aber wir müssen uns dennoch in die Masche des Determinismus zwängen, Sartre nennt das den „Widrigkeitskoeffizienten der Dinge“, der Mensch ist eben ein soziales Wesen und deshalb gezwungen, sich an gesellschaftliche Bedingungen anzupassen und sich in sie hinein zu fügen. Die wesentliche Bedingung dieser Freiheit ist das „Für-Sich-Werden“, das Erschaffen einer eigenen Identität, eines eigenen Seins. Unsere Freiheit ermöglicht uns dabei zunächst die „Nichtung“, d.h. Dinge abzulehnen, sie ist also zunächst eine negative.

Die Konsequenz aus dieser existenzialistischen Sicht ist die einer totalen Verantwortlichkeit. Zunächst einmal für sich selbst, letztlich jedoch auch für die ganze Menschheit. Die erste und zentrale Absicht des Existenzialismus ist es deshalb, den Menschen in den Besitz seiner selbst zu bringen und ihm die totale Verantwortung für seine Existenz aufzubürden.

Und als ob das nicht genug wäre, meint Sartre auch „wenn wir sagen, der Mensch wählt sich, verstehen wir darunter, jeder von uns wählt, doch damit wollen wir auch sagen, sich wählend wählt er für alle“. Jeder Mensch ist also eine Möglichkeit, ein Beispiel der Humanität und deshalb für alle verantwortlich, weil er durch seinen Weg ein Vorbild für andere nicht nur sein kann, sondern stets auch ist.

Doch der Mensch möchte nicht wirklich frei sein, weil er dadurch gezwungen ist, Fragen zu stellen, sich zu entscheiden. In der gottlosen Welt ist deshalb die Angst der Normalzustand, es gibt ja schließlich keine Gewissheiten. Und weil dieser Zustand unerträglich ist, fliehen die Menschen, um der permanenten Angst zu entgehen, in die Unaufrichtigkeit. Nur – unserer Verantwortung können wir uns NIE entziehen, denn selbst für das Verlangen, aus dieser Verantwortlichkeit zu fliehen sind wir schließlich verantwortlich.

Sartre geht soweit zu sagen, dass wir mit jeder Entscheidung, die wir treffen auch total für sie verantwortlich sind. Das heißt zum Beispiel für einen Soldaten im Krieg, dass er sich mit der Entscheidung, an ihm teilzunehmen, diesen als SEINEN, und nur seinen Krieg zu betrachten hat, weil er mit allen Konsequenzen leben muss!

Diese ziemlich radikale „Moral“ ist nur vor dem Hintergrund seiner Zeit zu verstehen, denn die Erfahrung des Weltkrieges, der Zusammenbruch jeglicher Ordnung, der Verlust aller Gewissheiten ist wohl ein spezifisches Phänomen seiner Generation. Ein großer Kritikpunkt an Sartre war stets, dass sich mit seinem Freiheitsverständnis ALLES rechtfertigen lässt, schließlich geht es ja nur darum, sich gegenüber sich selbst zu verantworten, der einzelne Mensch, und nur er ist der Maßstab. Welches Beispiel er dabei für den Rest der Menschheit abgibt, steht ihm absolut offen.

Für die wenigsten folgt daraus natürlich ein Altruismus, viele werden wohl eher einen radikalen Egoismus davon ableiten können. Und für den Soldaten im Krieg kann die Entscheidung, ob er desertieren soll oder nicht, ja auch nur zu einer essenziellen werden, wenn er bestimmte Moralvorstellungen besitzt. Da es aber keine absolute Moral gibt, stehen ihm hier ja auch wieder alle Wege offen.

An diesem Punkt ist der gute Herr Sartre absolut widersprüchlich, weil er ja implizit doch eine Moral voraussetzt, die er doch eigentlich zu negieren vorgibt. Sartre hat darauf mit seinem Essay Ist der Existentialismus ein Humanismus? reagiert, der diese Widersprüche allerdings nur bedingt auflösen konnte.

Ich hatte mal eine sehr interessante Diskussion über den Existenzialismus, in der wir nach und nach Sartre zerlegt haben. Leider kann ich mich nicht mehr genau daran erinnern, aber es schien mir sehr schlüssig zu sein, dass man Sartre mit Sartre widerlegen kann, sofern man ihn zu Ende denkt. Und letztlich ist das ein Problem aller Philosophie. Nichts ist absolut, alles relativ, und am Ende bleiben stets mehr Fragen als Antworten. Man sollte eben nie mit einem solchen Anspruch an die Philosophie herantreten, weil man ansonsten verzweifelt und Gefahr läuft zum Nihilisten zu werden…

„Luzide, reglos, verlassen ist das Bewusstsein zwischen Mauern gesetzt; es dauert. Niemand bewohnt es mehr. Eben noch sagte jemand ich, sagte mein Bewusstsein. Wer? Draußen gab es sprechende Straßen, mit bekannten Farben und Gerüchen. Zurück bleiben anonyme Mauern, ein anonymes Bewusstsein. Das gibt es: Mauern und zwischen den Mauern eine lebende und unpersönliche kleine Transparenz. Das Bewusstsein existiert wie ein Grashalm. Es döst, es langweilt sich. Flüchtige kleine Existenzen bevölkern es wie Vögel die Zweige. Bevölkern es und verschwinden. Vergessenes Bewusstsein, im Stich gelassen zwischen diesen Mauern, unter dem grauen Himmel. Und das ist der Sinn seiner Existenz: dass es Bewusstsein davon ist, zuviel zu sein. Es löst sich auf, es zersplittert sich, es sucht sich auf der braunen Mauer zu verlieren, an der Laterne dahinten, im Abenddunst. Aber es vergisst sich nicht. Es ist Bewusstsein davon, ein Bewusstsein zu sein, das sich vergisst. Das ist sein Los.“ (Der Ekel)

Sonntag, 15. Juli 2007

Meister der Melancholie Teil 4


Es ist an der Zeit, einen der unbestrittenen Meister der Melancholie zu würdigen, dessen musikalische Entwicklung völlig konträr zum landläufigen Kommerzialisierungseffekt verlief. Die Karriere von Mark Hollis nahm ihren Anfang in einer der wichtigsten und erfolgreichsten Bands der Achtziger namens Talk Talk. Ihre erfolgreichste Zeit hatte Talk Talk Mitte der Achtziger mit guten, aber nicht besonders außergewöhnlichem Synthiepop à la „It’s my life“. Doch von Album zu Album wurde die Musik differenzierter, eigenwilliger, sperriger, weniger mainstreamtauglich und fand ihren ästhetischen Höhepunkt in den beiden letzten Alben („The Spirit of Eden“ und „The Laughing Stock“), auf denen sie sich durch Improvisation mehr und mehr von klassischen Songstrukturen verabschiedeten und so eine völlig neue Sphäre musikalischen Ausdrucks zwischen Jazz, Klassik und Pop ausloteten (so etwa in „I believe in you“). Nach der Auflösung der Band wurde es ruhig um den scheuen Mark Hollis, der mit seiner Heroinsucht zu kämpfen hatte und sich zunehmend aus der Öffentlichkeit zurückzog. Gleichzeitig arbeitete er jedoch manisch an seinem bisher einzigen Soloalbum, das nach fünfjähriger Arbeit 1998 schließlich erschien.

Schlicht „Mark Hollis“ betitelt und dem Prinzip der Reduktion folgend sind alle Klänge und Worte auf diesem Werk sorgsam gewählt, wird der Stille viel Raum gelassen – und dennoch entsteht eine Atmosphäre unvergleichlicher Intensität und Nähe. Klavier, Standbass, akustische Gitarre, Holzbläser, kein elektrisch verstärktes Instrument ist beteiligt, die gesamte Musik nur mit zwei Raummikrofonen aufgenommen. Das Album braucht Zeit, viel Zeit und ist zugleich komplett aus der Zeit entrissen. Es ist weltentrückt und doch eine der wirklichsten Platten. Sie kommt völlig ohne Fassade aus, der Hörer bekommt den Eindruck, direkt in die Seele eines Menschen zu schauen, der mit der Welt und sich hadert. Dennoch ist das Album von einer Ruhe beseelt, die unmittelbar auf den Hörer übergeht, vorausgesetzt er oder sie ist in der Lage, sich auf dieses schwierige, oftmals dissonante Album einzulassen.

„Mark Hollis“ entzieht sich allen Kategorien. Das erste Lied „The Colour of Spring“ (das erst nach zwanzig Sekunden Stille beginnt) mag mit Sicherheit noch das greifbarste Stück sein, doch was in den sieben darauf folgenden Liedern passiert, ist nur schwer in Worte zu fassen. Einer der absoluten Höhepunkte ist das achtminütige A life (1895-1915), das wohl auch ein gewisser Frederik Hahn zu schätzen wusste und zu einem herrlichen Sample in „Kapitel 29“ verarbeitete. 

A life (1895 - 1915)

Uniform
Dream cites freedom
Avow
Relent
Such suffering
Few certain
And here I lay

Es beginnt mit dissonanten Bläsern, die nach zwei Minuten von einem Kontrabass begleitet werden und nach einer furchtbar langen Zeit auch von der gehauchten Stimme Hollis, irgendwann auch ein Schlagzeug, bevor es schließlich in der Mitte des Stückes in einem mantraartigen Klaviermotiv gipfelt, das die vielen Stränge zusammenführt, allerdings wieder in sich zusammenbricht und sich der Dissonanz ergibt. A life endet schließlich wieder, wie es begonnen hat, lediglich mit einer Variation des Ausgangsmotivs und den kaum hörbaren Worten „and here I lay“. Spätestens jetzt wird das der geneigte Hörer auch tun, auf der Wiese, im Bett oder auf dem Boden, erschlagen ob der Gewalt dieses leider viel zu wenig beachteten Jahrhundertalbums. Für den Musikbetrieb ist der melancholische Eigenbrödler wohl einfach zu leise, und so endet das Album auch wie es begann: nach den letzten Takten von „A new Jerusalem“ folgt über eine Minute Stille…

Was ist Politik?

„Die Politik bedeutet ein starkes, langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich. Es ist ja durchaus richtig, und alle geschichtliche Erfahrung bestätigt es, dass man das Mögliche nicht erreichte, wenn nicht immer wieder in der Welt nach dem Unmöglichen gegriffen worden wäre. Aber der, der das tun kann, muss ein Führer und nicht nur das, sondern auch – in einem sehr schlichten Wortsinn – ein Held sein. Und auch die, welche beides nicht sind, müssen sich wappnen mit jener Festigkeit des Herzens, die auch dem Scheitern aller Hoffnungen gewachsen ist, jetzt schon, sonst werden sie nicht imstande sein, auch nur durchzusetzen, was heute möglich ist. Nur wer sicher ist, dass er daran nicht zerbricht, wenn die Welt, von seinem Standpunkt aus gesehen, zu dumm oder zu gemein ist für das, was er ihr bieten will, dass er all dem gegenüber „Dennoch!“ zu sagen vermag, nur der hat den „Beruf“ zur Politik.“

(Max Weber, Politik als Beruf, 1919)

Mittwoch, 11. Juli 2007

Ein Badener dreht durch


In der Internationalen Politik gibt es den Erklärungsansatz der „bureaucratic politics“, der nichts anderes besagt als „where you stand is where you sit“, d.h. dass die Position, in der sich ein Mensch in einem Organisationsprozess befindet sein Agieren bis zu einem gewissen Grad determiniert. In vielen Fällen ließen sich damit überraschende Persönlichkeitswandlungen durch Ämter ansatzweise erklären. Doch manchmal scheinen Menschen in ihren Ämtern erst über sich hinauszuwachsen, sich geradezu selbst zu verwirklichen, insbesondere in so exponierten Positionen wie der eines Innenministers. Wohin das führen kann, verdeutlicht uns die deutsche Politik gerade eindrucksvoll. 

Dass Wolfgang Schäuble eher zu letzterer Gruppe zählt, klingt recht plausibel und dürfte zu einem großen Teil seinem überlebten Anschlag zu schulden sein. Seit fast zwei Jahren provoziert er nun schon mit immer neuen Vorschlägen, die die Grenzen des Grundgesetzes doch recht stark aufweichen. Einmal die Verwendung der Mautdaten von Lkws, dann der Einsatz der Bundeswehr im Innern, der Abschuss gekaperter Flugzeuge und schließlich die weitgehende Abschaffung der Unschuldsvermutung. 

Doch was sich der Herr aus dem Schwarzwald nun ausgedacht hat, übersteigt selbst die kühnsten Vorstellungen von law und order in diesem Lande. Schäuble will eine Lizenz zum staatlichen Töten. Er argumentiert dabei mit dem finalen Rettungsschuss, der Polizisten jetzt schon gestattet ist, vorausgesetzt eine Rettung von Geiseln ist nicht anders möglich. Mal ganz davon abgesehen, dass in dieser Republik - aus guten Gründen - die Todesstrafe von jeher verboten war: aus einer absoluten Ausnahmegenehmigung ein generelles Tötungsrecht abzuleiten ist mehr als fragwürdig. Doch damit nicht genug: potenziellen Straftätern will er zukünftig mit Freiheitsentzug begegnen, von vorbeugender Haft ist die Rede. Welche Konsequenzen mit diesem Vorschlag, würde er denn tatsächlich realisiert, einhergingen, ist nur zu offensichtlich. Von Rechtsstaat kann keine Rede mehr sein und die Parallelen zu Guantanamo sind zu offensichtlich.

Was bezweckt der Minister also? Spricht aus ihm die gekränkte Eitelkeit als ewiger Zweiter (als Kanzlerkandidat, wie als Präsidentenkandidat) und von Merkel (als CDU-Vorsitzender) Abgewickelter, die er mit möglichst starker Rhetorik zu kompensieren sucht? Ist die Ursache vielmehr in seiner eigenen lebensbedrohlichen Attentatserfahrung zu suchen, die in ihm die Sicherheit zur obersten Maxime hat werden lassen? Oder haben wir es hier schlicht und ergreifend mit einem CDU-Rechtsaußen zu tun, der es mit dem Grundgesetz nicht ganz so ernst nimmt – einer Gefahr für unsere Verfassung und unsere Demokratie also?

Der Sicherheitsdiskurs wurde unter dem gewendeten ehemaligen RAF-Anwalt und vom Grünen zum konservativen Sozi mutierten Schily im Zuge des 11. Septembers schon mächtig nach rechts gerückt. Doch was Schäuble in seiner zweiten Amtszeit als Innenminister in den öffentlichen Diskurs geworfen hat, überschreitet die Grenzen des Erträglichen: „Die rote Linie ist ganz einfach: Sie ist immer durch die Verfassung definiert, die man allerdings verändern kann." Kann denn niemand diesen Mann stoppen?

Down with the sickness



Da verfolgt man deutschen Hip Hop nur noch am Rande, denkt, es passiert eh nichts essenzielles mehr – und dann wird man innerhalb von wenigen Tagen aus der Lethargie gerissen: Erst waren da die Jungs von Aggro Grünwald, dann ein gewisser B-Tight, dann G-Hot und letztlich die Jungs von Hirntot Records. Aber eins nach dem anderen…

Zu Beginn das netteste, Aggro Grünwald: Eigentlich nicht der Rede wert, ein Scherz, eine satirische Reaktion auf Aggro Berlin in Form der „Stehkrägen“, die verkündeten: „Eure Armut kotzt mich an“. Oder meinten es da manche doch ernst? In der SZ war gestern etwas zu lesen über die Hintergründe, u.a. der Domain, die betrieben wird von einer Aktiengesellschaft namens Levitian: "Da liest man die Namen Ludwig von Bayern und Severin Meister - und da pfeifen Kenner des Münchner Hochadligen- und Superreichen-Milieus dann doch durch die Zähne. Hier agiert nicht nur die jüngste Generation der Wittelsbacher, sondern auch die der Habsburger."...

Über B-Tight viele Worte zu verlieren wäre gleichermaßen überflüssig. Deshalb lasse ich die taz sprechen: "Tatsächlich spielt B-Tight wohl mit so sämtlichen Klischeebildern, die es über schwarze Menschen jemals gegeben hat. Der Berliner Rapper, der bürgerlich Robert Edward Davis heißt, inszeniert sich zum triebgesteuerten und überpotenten Urtier. Seine Stücke tragen wenig feinsinnige Titel wie "Zack! Zack!", "ein Schlag" oder "In den Mund!!!", und so klingen sie auch. Die Darstellung ist allerdings völlig überzeichnet: auf dem Cover seines Albums posiert er als eine Art Kannibale, der gerade einem Weißen den Kopf abgehackt hat." Seine Provokation als triebgesteuerter „Neger“ wird nun inzwischen innerhalb der Szene selbst kritisiert. Der Rassismus, den er sich selbst auferlegt hat und scheinbar nicht einmal zu begreifen scheint, stößt inzwischen so einigen der alten Garde sauer auf.

Nun das eher unerfreuliche: G-Hot (was nicht gerade ungewollt nach Djihad klingt), der Homophobie zum Prinzip erhoben hat: „Keine Toleranz" / wir dulden keine Schwuchteln“. Da rappt sich einer den Frust von der Seele, überall von Homos belästigt zu werden, „es gab Zeiten, da wurdn sie mit der Axt halbiert“. Eben jene scheint sich der leidlich sympathische Kerl wohl zurückwünschen und skandiert die Vertreibung der Homosexuellen. Das war selbst den ewigen Provokateuren von Aggro Berlin zu heftig, weshalb er inzwischen aus diesem illustren Kreise entlassen wurde. 

Und schließlich die Jungs von Hirntot Records. Allein der Name dürfte eigentlich disqualifizierend genug sein… Wer sich die Mühe macht, mal einem der „Songs“ des Labels zu lauschen, der wird seine wahre Freude haben an „Todesschwadron“ oder „Hirntot Elite“, die Gewaltfantasie an Gewaltfantasie reihen. Ein Beispiel: "misanthrop und geisteskrank / mit dem skalpell in der hand / fahr ich durch die gottverdammte stadt / ich hab euch ficker satt / geh nen schlitzen in der u-bahn /augenstechen in der s-bahn / köpfe spalten auf dem bahnsteig / knochen brechen wie im wald / dr jekyll ist bekannt, dr jekyll ist verrückt / ich bin die chirurgin, die patienten mit dem tod beglückt / wo zum teufel komm ich her, wo zum teufel geh ich hin / mit dem skalpell in der hand suche ich nach einem sinn." Im Prinzip nichts wirklich Neues, gerade im Untergrund sind Sex und rohe Gewalt schon lange das dominierende Thema. Doch zumindest einigen unter ihnen scheint ihr Gesäusel wohl etwas zu sehr in den Kopf gestiegen zu sein. Nach einer Morddrohung wurde die Polizei aktiv und wurde auch fündig. Unter den beschlagnahmten Waffen befand sich ein Maschinengewehr…

Fazit: Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, hier einen Patient im Todeskampf zu sehen. Mit den Generationen verschwand auch mehr und mehr das Wissen, was Hip Hop ist, woher er kommt und wohin er will. Eine grundsätzlich emanzipatorische Sache hat inzwischen in weiten Teilen eine zutiefst reaktionäre Entwicklung eingeschlagen.