Dienstag, 28. Dezember 2010

Mixtape No.2: Zwischen den Zeiten

1. Sweet Smoke: Silly Sally (1970)
2. King Crimson: 21st century schizoid man (1969)
3. Prof. Wolfff: Hetzjagd (1972)
4. Embryo: Opal (1970)
5. Popol Vuh: Kyrie (1973)
6. Neu!: Negativland (1971)
7. Faust: The Sad Skinhead (1973)
8. Can: Halleluwah (1971)
9. Nick Cave and The Bad Seeds: Avalanche (1984)
10. Tom Waits: God's away on business (2002)
11. Leonard Cohen: The Stranger Song (1969)
12. Joanna Newsom: The Book of Right-On (2004)

 ...und das Mixtape als Youtube-Playlist.

Donnerstag, 23. Dezember 2010

Dienstag, 21. Dezember 2010

Kleine Adventsabhandlung

Die Welt, konvex,
gespiegelt auf einer Kugel aus Glas,

Kilometer Glitterfäden, Tannengrün, ein Spiel
allzu deutlicher Zeichen, Teile,

die sich scheinbar leicht zum mythischen Wort fügen,
Weihnachten - lächerlich. Lies Storms Sachen,

sie den Dichter, bastelnd, kuchenbackend, den kindlichen
Traum lebend; den Tod im Innern der Kugel

gebannt. Nein? Lesen heißt: Zuckerguss abkratzen,
und darunter neuen finden, weniger süß -

Da sind Kornhalme, die Strohhalme werden.
Strohhalme, die sich zu Sternen verhaken.

(Silke Scheuermann)

Sonntag, 19. Dezember 2010

Mixtape No.1: Werke und Tage

Mit der digitalen Evolution verschwand leider auch das Mixtape. War schon die Erfindung der CD ein harter Schlag für alle analogen Zeittotschläger wie mich, so war mit dem Siegeszug der mp3 sein Ende beschlossen. Daher bleibt mir nicht viel mehr als ein digitaler Versuch:
1. Einstürzende Neubauten - Armenia (1986)
2. Mr. Bungle - The Air-Conditioned Nightmare (1999)
3. Captain Beefheart and His Magic Band - Sweet sweet bulbs (1969)
4. The Mothers of Invention - Who needs the peace corps? (1968)
5. John Coltrane - Impressions (1961)
6. John Zorn - Khebar (1999)
7. Hans Unstern - Ein Coversong (2010)
8. Brüllen - Es ist so still (1995)
9. Die Goldenen Zitronen - Positionen (2009)
10. Mount Kimbie - Before I move off (2010)
11. Pantha du Prince - Welt am Draht (2010)
12. Logh - City, I'm sorry (2003)

...und hier das Ganze als Youtube-Playlist.

R.I.P. Captain Beefheart

Anstelle eines Nachrufes drei Videos zum Tod des legendären Avantgardisten Captain Beefheart, laut Jason Ankeny "one of modern music's true innovators. The owner of a remarkable four-and-one-half octave vocal range, he employed idiosyncratic rhythms, absurdist lyrics and an unholy alliance of free jazz, Delta blues, latter-day classical music and rock & roll to create a singular body of work virtually unrivalled in its daring and fluid creativity":

1. Ein Auftritt am Strand von Cannes vom 27. Januar 1968:


2. Ella Guru von seinem verstörenden Meisterwerk Trout Mask Replica aus dem Jahre 1969:



3. Hair Pie: Bake 1 - ebenfalls aus Trout Mask Replica:

Donnerstag, 16. Dezember 2010

gedicht für die gedichte nicht lesen

wer ruft mit abgerissenem mund
aus der nebelkammer? wer schwimmt,
einen gummiring um den hals,
durch diese kochende lache
aus bockbier und blut?
                        er ist es,
für den ich dies in den staub ritze,
er, der es nicht entziffert.

wer ist ganz begraben von zeitungen
und von mist? wer hat uran im urin?
wer ist in den zähen geifer
der gremien eingenäht? wer
ist beschissen von blei?
                         siehe,
er ists, im genick die antenne,
der sprachlose fresser mit dem räudigen hirn.

was sind das für unbegreifliche ohren,
von wüstem zuckerguß triefend,
die sich in kurszettel wickeln
und in den registraturen staplen
zu tauben mürrischen bündeln?
                                   geneigte,
ohren verstörter verräter, zu denen
rede ich kalt wie die nacht und beharrlich.

(Hans Magnus Enzensberger, 1960)

Sonntag, 12. Dezember 2010

Immer nie am Meer


"Immer nie am Meer" ist ein herrlich reduzierter und tragikomischer Film von Antonin Svoboda (u.a. Produzent von Free Rainer und Die fetten Jahre sind vorbei). Spielen die ersten 15 Minuten noch an verschiedenen Orten und führen den Zuschauer in die Charaktere des Kammerstücks ein, so ist der Raum für die restlichen 70 Minuten sehr begrenzt. Der Zufall hat die drei tragischen Helden Anzengruber (Christoph Grissemann), Baisch (Dirk Stermann) und Schwanenmeister (Heinz Strunk) in eine unmögliche Situation gebracht: An ein abgelegenes Waldstück, der Mercedes (da von Kurt Waldheim ersteigert mit Panzerglas ausgestattet) eingeklemmt zwischen zwei Baumstümpfen, das Handy ohne Netz, ausgestattet lediglich mit ein wenig Sekt, Heringssalat und einem Akkordeon. 

Was sich dann entwickelt ist eine höchst unterhaltsame Tragödie über das Scheitern und die Lächerlichkeit der menschlichen Existenz. Alle drei sind zwar schon vor ihrem Zusammentreffen gescheiterte Gestalten: Baisch ist ein langweiliger Archäologe, dessen Ehe aufgrund seiner Bräsigkeit gerade in die Brüche ging (und dessen Frau gerade auf seine Kosten mit ihrem Geliebten im Flieger Richtung Süden sitzt), Anzengruber ein zynischer, depressiver Alkoholiker, und Schwanenmeister, nunja, ein durch Absteigen tingelnder Alleinunterhalter. Doch die Extremsituation lässt alle Fassaden fallen. Dabei geraten die Temperamente der beiden Österreicher und des Norddeutschen ebenso aneinander, wie der Weltekel Anzengrubers und Baischs allzu brüchige bürgerliche Fassade.

Trotz minimalistischer Bühne langweilt dieser sehr österreichische Film keine Minute, was an der genialen Konstellation der Protagonisten, an den sadistischen Experimenten eines kleinen Jungen, der in diese Versuchsanordnung eingreift, ohne die Gefangenen zu befreien, aber auch an dem sorgsam ausgewählten Soundtrack liegt. Unbedingt empfehlenswert.

Spieglein, Spieglein


Gisbert zu Knyphausen (aus seinem gleichnamigen Debütalbum, 2008)
Ohne Worte. Nein doch, aber nur soviel: Um den schüchternen Mann ist ja inzwischen schon ein regelrechter Hype entstanden. Seitdem in der FAS vor kurzem ein ganzseitiger Artikel über ihn erschien, mache ich mir schon langsam Sorgen... Dabei hat er mit seinem zweiten Album "Hurra, Hurra, so nicht" ganz bewusst den Mainstream-Weg ausgeschlagen, die Rockelemente reduziert und die Rolle des düster-depressiven Liedermacher ausgefeilt. Doch der Aufstieg des nachdenklichen Rheinhessen, der mit vollem Namen tatsächlich Gisbert Wilhelm Enno Freiherr zu Innhausen und Knyphausen heißt, scheint stetig und unaufhaltsam - da scheint wohl  zufällig jemand den Zeitgeist getroffen zu haben.

Die Scheiße

Immerzu höre ich von ihr reden
als wär sie an allem Schuld.
Seht nur, wie sanft und bescheiden
sie unter uns Platz nimmt!
Warum besudeln wir denn
ihren guten Namen
und leihen ihn
dem Präsidenten der USA,
den Bullen, dem Krieg
und dem Kapitalismus?

Wie vergänglich sie ist,
und das was wir nach ihr nennen
wie dauerhaft!
Sie, die Nachgiebige,
führen wir auf der Zunge
und meinen die Ausbeuter.
Sie, die wir ausgedrückt haben,
soll nun auch noch ausdrücken
unsere Wut?

Hat sie uns nicht erleichtert?
Von weicher Beschaffenheit
und eigentümlich gewaltlos
ist sie von allen Werken des Menschen
vermutlich das friedlichste.
Was hat sie uns nur getan?

(Hans-Magnus Enzensberger, 1964)
...rezitiert von Harald Schmidt (1999).

Freitag, 10. Dezember 2010

Down Down


Ein wunderbares Lied von Yasmine Tourist aus Backnang. Das ganze ist ein Ausschnitt von ihrem wirklich bemerkenswerten Auftritt bei TV Noir zusammen mit Gisbert zu Knyphausen, von dem auch das überragend und spontan interpretierte Paranoid Android stammt. Diese Band sollte man im Auge behalten...
Übrigens: Da die Band bisher noch keinen Plattenvertrag hat, lassen sich auf ihrer Last.FM-Seite jede Menge Songs kostenlos herunterladen.

Dienstag, 7. Dezember 2010

"Der Kulturalismus ist eine reaktionäre Kraft"

meinte der dänische Semiotiker Frederik Stjernfelt letzte Woche in einem Interview mit der Jungle World anlässlich der Veröffentlichung von "Die Politik der Segregation. Multikulturalismus - Ideologie oder Wirklichkeit", das er zusammen mit Jens-Martin Eriksen verfasste.  Die Stoßrichtung der Kritik geht hierbei genen den Multikulturalismus der Linken, der lediglich die Kehrseite der "Nationalkultur" der Rechten bzw. des Ethnopluralismus à la Benoit darstelle. Beide überschätzten die Abhängigkeit des Einzelnen von der Kultur und übersähen die Komplexität der Identitäten in der Moderne (und tappten somit in die "Identitätsfalle" von Amartya Sen). Und beide führten daher in letzter Konsequenz zur Segregation. Auch der linke Multikulturalismus stelle laut Stjernfelt eine Gefahr für die Ideale der Aufklärung ("der Autonomie des Einzelnen, den persönlichen Rechten, der Gleichheit vor dem Gesetz und der offenen Gesellschaft") dar. Ihn gelte es daher gleichermaßen zu bekämpfen und den Kulturalismus durch einen klaren Säkularismus zu ersetzen.

Doch wie lassen sich unbestreitbar vorhandene kulturelle Unterschiede ohne eine Vorstellung von Multikulturalismus oder "Leitkultur" innerhalb eines Staatswesens zusammenbringen ohne zugleich die gesamtgesellschaftliche Solidarität aufzugeben? Handelt es sich beim Säkularismus nicht letztlich auch um eine historisch gewachsene, westliche "Leitkultur" im Mantel des Universalismus? Und ist die säkulare Gesellschaft nicht zwangsweise auch eine multikulturelle? Die Kritik am radikalen Multikulturalismus leuchtet ein, ebenso wie die Forderung nach Abschaffung besonderer religiöser Vorrechte. Dass damit  der Schlüssel zur Lösung kultureller Konflikte (wie konstruiert diese auch immer seien) gegeben sei, mag ich allerdings zu bezweifeln. So leicht scheint sich die kulturelle Falle dann doch nicht umgehen zu lassen.