Dienstag, 20. Dezember 2011

Führerproblem, genetisch betrachtet


Als Gott am ersten Wochenende
die Welt besah, und siehe, sie war gut,
da rieb er sich vergnügt die Hände.
Ihn packte eine Art von Übermut.

Er blickte stolz auf seine Erde
und sah Tuberkeln, Standard Oil und Waffen.
Da kam aus Deutschland die Beschwerde:
„Du hast versäumt, uns Führer zu erschaffen!“

Gott war bestürzt. Man kann’s verstehn.
„Mein liebes deutsches Volk“, schrieb er zurück,
„es muß halt ohne Führer gehn.
Die Schöpfung ist vorbei. Grüß Gott. Viel Glück.“

Nun standen wir mit Ohne da,
der Weltgeschichte freundlich überlassen.
Und: Alles, was seitdem geschah,
ist ohne diesen Hinweis nicht zu fassen.

(Erich Kästner)

Essentielle Musikvideos Teil 6

No comment:


Southern trees bear a strange fruit,
Blood on the leaves and blood at the trees,
Blood bodies swinging at the southern breeze,
Strange fruit hanging from the opular trees.

Pastoral scene of the gallant south,
The bulging eyes and the twisted mouth,
Scent of magnolias, sweet and fresh,
Then the sudden smell of burning flesh.

Here is fruit for the clows to pluck,
For the rain to gather, for the wind to suck,
For the sun to rot, for the wind to drop,
Here is strange and bitter crop.

(Billie Holliday)

Sonntag, 18. Dezember 2011

Wozu noch schreiben?

Nach mehr als fünf Jahren stellt sich die Frage für mich ganz konkret. Wozu noch einen (inzwischen schon anachronistisch anmutenden) Blog pflegen? Haben neue Kommunikationsformen diesen nicht schon längst überflüssig gemacht? Als Medium der Selbstfindung diente der Zeittotschläger ohnehin nicht. Vielmehr bündeln sich hier willkürlich anmutende Repräsentationen von Seinsformen, deren Wesensgehalt weit über die Möglichkeiten der begrenzten Form hinausweisen müssen, zumal sich die Beiträge seit geraumer Zeit ohnehin meist in Verweisen auf fremde Gedanken erschöpfen. Auch deshalb begrenzt sich die Anzahl der regelmäßigen Leser auf eine recht überschaubare Zahl, die von der Anzahl an zufälligen Besuchern weit übertroffen wird. 

Der Autor hadert regelmäßig mit Sinn, Struktur und Inhalt dieser Seite, mit dem Spannungsverhältnis von Intimität und Distanz, Arbeit und Leben, Verblendung und Wahrhaftigkeit, und der damit verbundenen Themensetzung, die von Inkonsistenz und Inkonsequenz geprägt ist. Die zentrale Frage ist daher eine ganz grundsätzliche: Wie lässt sich eine unförmige Form wie diese sinnvoll weiterführen, wo sich nicht einmal die Ich-Maschine sicher ist, wozu genau sie das überhaupt tut?

Freitag, 16. Dezember 2011

Joel Bird

 Setiment of sediments

Drive to the mountains

Dienstag, 13. Dezember 2011

Dein Kerker bist du selbst

Die Welt, die hält dich nicht, du selber bist die Welt,
Die dich in dir mit dir so stark gefangen hält.

(Angelus Silesius, 1624-1677)

Samstag, 26. November 2011

Impressionen XXI

‎"Die Anthropologie bildet vielleicht die grundlegende Position, die das philosophische Denken von Kant bis zu uns bestimmt und geleitet hat. [...] Aber sie ist im Begriff, sich unter unseren Augen aufzulösen [...] Allen, die noch vom Menschen, von seiner Herrschaft oder von seiner Befreiung sprechen wollen, all jenen, die noch fragen nach dem Menschen in seiner Essenz, jenen, die von ihm ausgehen wollen, um zur Wahrheit zu gelangen, jenen umgekehrt, die alle Erkenntnis auf die Wahrheiten des Menschen selbst zurückführen, allen, die nicht formalisieren wollen, ohne zu anthropologisieren, die nicht mythologisieren wollen, ohne zu demystifizieren, die nicht denken wollen, ohne sogleich zu denken, daß es der Mensch ist, der denkt, all diesen Formen linker und linkischer Reflexion kann man nur ein philosophisches Lachen entgegensetzen - das heißt: ein zum Teil schweigendes Lachen."

(Michel Foucault: Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften, Frankfurt 1966, S. 412)



  
(Take me somewhere nice - Mogwai, aus: Rock Action, 2001)

Dienstag, 15. November 2011

R.I.P. Franz-Josef Degenhardt

Darauf eine Große Schimpflitanei:

Sonntag, 13. November 2011

Flüchtige Notizen V: Svefn-g-englar


(Sigur Ros, 2001)


Svefn-g-englar erzeugt ambivalente Gefühle: einerseits von Untergang, Bedrohung, Apokalypse, andererseits jedoch auch von tiefer Ruhe - melancholisch, aber optimistisch. Eine fast zeitlose Atmosphäre umgibt dieses Stück, welches in mir einen tiefen Drang erzeugt, aufzustehen, etwas zu tun, der Welt etwas zu geben. Und dies möglichst sofort und so schnell wie möglich, aber reflektiert, anzugehen, weil sonst alles verloren scheint, eben so wie diese Musik, die sich in ihrer Gewalt schon selbst zerstört zu haben scheint, bevor sie überhaupt ihre Kraft entfalten und verstanden werden konnte. 

(19/11/2001) 

Mittwoch, 26. Oktober 2011

The Second Coming

Turning and turning in the widening gyre
The falcon cannot hear the falconer;
Things fall apart; the centre cannot hold;
Mere anarchy is loosed upon the world,
The blood-dimmed tide is loosed, and everywhere
The ceremony of innocence is drowned;
The best lack all conviction, while the worst
Are full of passionate intensity.

Surely some revelation is at hand;
Surely the Second Coming is at hand.
The Second Coming! Hardly are those words out
When a vast image out of Spiritus Mundi
Troubles my sight: a waste of desert sand;
A shape with lion body and the head of a man,
A gaze blank and pitiless as the sun,
Is moving its slow thighs, while all about it
Wind shadows of the indignant desert birds.

The darkness drops again but now I know
That twenty centuries of stony sleep
Were vexed to nightmare by a rocking cradle,
And what rough beast, its hour come round at last,
Slouches towards Bethlehem to be born?



Montag, 24. Oktober 2011

Sonntag, 9. Oktober 2011

Fenster zur Erde

Mutlosigkeit bricht ihren Lauf ab.
Die Angst bricht ihren Lauf ab.
Der Geier bricht seine Flucht ab.

Das eifrige Licht rinnt hervor
auch Gespenster nehmen einen Schluck.

Unsere Malereien kommen zu Tage,
die roten Tiere unserer Eiszeitateliers.

Alles beginnt sich umzusehen.
Wir gehen in der Sonne hundertfach.

Jeder Mensch eine halboffene Tür
die führt zu einem Raum für Alle.

Der unendliche Boden unter uns.

Das Wasser leuchtet zwischen den Bäumen.

Der See ist ein Fenster zur Erde.

(Tomas Tranströmer)

Freitag, 30. September 2011

Drei Dokus

1. Über die fatalen Auswirkungen des Einsatzes von Uranmunition durch die NATO in den Golf- und Balkankriegen, die bis heute von offizieller Seite geleugnet werden:


2. Über Geheimarmeen der NATO während des Kalten Krieges und deren Verbindung zu rechtsextremen Terroristen in ganz Europa:

3. Eine sehr detaillierte Dokumentation des Jugoslawienkonfliktes, seiner Hintergründe, Akteure und Ursachen, die weit in die Geschichte der Region zurückreichen:

Mittwoch, 28. September 2011

Samstag, 24. September 2011

Neue Hieroglyphen

Altes Menetekel neu

Ihr Blick ist vom
Vorüberziehn der Zahlen
So müde, daß ihn
Nichts mehr hält.
Es geht bergab seit Tagen
Mit Indizes und Kursen
Und mit der Bonität der Welt.

Sie schauen auf,
Schon Derivate ihrer selbst,
Und hatten mal ein Lächeln,
Verkommen und verführerisch
Wie von Alain Delon geborgt.
Sie schauen schaudernd auf
Und wissen nicht zu wem, zu was.
Das schreibt wie Menschenhand
Und hört nicht auf und schreibt.
Auf jedem Monitor erscheint
Erneut die Flammenschrift.
Die legt kein Schriftgelehrter aus,
Kein Wirtschaftsweiser deutet sie,
Nicht dunnemals und heute nicht.
Nur Daniel in Ketten liest:
"Gezählt, gewogen und geteilt."*

Es ist des Unglücks Unterpfand
Für alle absehbare Ewigkeit:
Belsazar blaß im Weißen Haus,
Schon fremd sein Babylon,
Sein Washington verwaist,
Die Wall Street menschenleer
Wie jener Königssaal am Morgen,
Nachdem der Mond geschehn.
Die Welt kühlt aus,
Und Orient und Okzident
Mit Mann und Maus
Und Herr und Knecht
Mit Pauken und Trompeten
Sind wieder einmal hart am Rand.

Und still wird es im Börsensaal,
Wenn jene Macht,
die niemand nennt
Und jeder spürt,
Die Hände dieser müden Männder,
Als könne es den Betern noch gelingen,
Ganz unerbittlich ineinander legt.

* Gemeint ist die Geschichte vom Ende des babylonischen Königs Belsazar aus dem Alten Testament. Die aramäische Schrift an der Wand lautet: "Mene mene tekel u-pharsin". Der Prophet Daniel liest das als Untergangsprophezeiung. Die Übersetzung des Menetekels: s.o.

(Martin Jürgens)

Samstag, 10. September 2011

Arabischer Frühling

Versuch einer kursorischen Zwischenbilanz

Es ist wohl definitiv noch zu früh für Urteile über die langfristigen Auswirkungen des Arabischen Frühling. Nach etwas mehr als neun Monaten bietet sich dem Betrachter ein sehr widersprüchliches, unklares Bild: Libyen scheint befreit von Gaddhafi, doch wird mit den Rebellen wirklich Demokratie zu machen sein? Eine rassistische Blutspur überzieht das Land, zumindest für Schwarze scheint es im neuen Libyen keine Freiheit zu geben. Spannend auch die Frage, welche Rolle die einflussreichen Islamisten übernehmen werden. Und ob dieses Land, das bei nur 6 Mio. Einwohnern über 100 bis 140 Stämme verfügt, überhaupt regierbar sein wird, bleibt zumindest fraglich.

Ägypten hingegen befindet sich scheinbar auf dem Weg in die Demokratie, beschneidet aber zugleich die Meinungsfreiheit, wird vom Militär regiert, das in seinem Bemühen um Machterhalt das Land zunehmend lähmt. Dass es dabei auch auf Maßnahmen des alten Regimes zurückgreift, braucht nicht zu verwundern. Der inzwischen 30 Jahre währende Ausnahmezustand wurde auch nach dem Sturz Mubaraks nicht aufgehoben. Und welche Rolle wohl Israel spielen wird, nachdem sich die Beziehungen zwischen Kairo und Jerusalem deutlich abgekühlt haben und der Volkszorn ungebremst entladen werden kann? Mubarak steht vor Gericht - immerhin. Entscheidend für den Transformationsprozess wird sein, wie viel Macht das Militär abzugeben bereit ist.

Aus Jemen sind lange keine Neuigkeiten zu vernehmen gewesen. Der Machtkampf ist noch nicht endgültig entschieden. Doch viel Gutes scheint in diesem bitterarmen Land nicht zu erwarten sein, da auch hier die Stämme eine entscheidende Rolle spielen und dies im Falle einer siegreichen Revolution einen langen Bürgerkrieg nach sich ziehen könnte. 

In Jordanien ist der Aufstand gescheitert bzw. aufgrund von Zugeständnissen der Regierung vorerst ausgesetzt, in Bahrein mithilfe saudischer Panzer blutig niedergeschlagen worden. Das wohlhabende Tunesien scheint noch am meisten aus dem Umbruch gemacht zu haben. Am 23. Oktober wird eine verfassungsgebende Versammlung gewählt. Von den politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen dürfte dieses Land die größten Chancen auf einen Wandel zur Demokratie haben. 

Und Syrien? Der Blick auf dieses Land fällt schwer, da immer noch keine ausländischen Journalisten akkreditiert werden und das Ausland daher auf Berichte der Revolutionäre angewiesen ist (siehe Video). Die Lage ist hier besonders prekär, da hier eine alavitische Minderheit eine sunnitische Mehrheit unterdrückt und immer noch ein beachtlicher Teil der Bevölkerung hinter Assad steht (der Demonstranten erbarmungslos niederschießen lässt), wohl auch weil die offizielle Propaganda noch funktioniert. Das Morden scheint vorerst kein Ende zu nehmen:

Donnerstag, 8. September 2011

Taqwacore

Mulimischer Punk? Nur auf den ersten Blick ein Widerspruch. In vielen muslimischen Ländern gibt es eine Punkszene, jetzt auch unter den Muslimen in den USA. Was als Romanidee von Michael Muhammad Knight begonnen hat, ist mittlerweile Wirklichkeit geworden. Islam und Anarchie gehen dabei ein interessantes Bündnis ein, denn "in diesem sogenannten Kampf der Kulturen strecken wir unsere Mittelfinger in beide Richtungen." Wer mehr darüber erfahren möchte, dem sei der Artikel von Jan Tölva aus der aktuellen Jungle World, das Buch von Knight, sowie die gleichnamige Doku über den Weg vom Roman zur Szene empfohlen. Als Vorgeschmack hier schon einmal der Trailer: 

Freitag, 2. September 2011

Die Grenze - Gefahr für unser Land?

Der Rechtsextremismus in diesem Lande war schon immer ein Thema an dieser Stelle. In den letzten Jahren und Monaten geriet er jedoch ein wenig aus meinem, wie auch dem allgemeinen Fokus. Die großen Krisen und Katastrophen unserer Zeit lassen dieses Phänomen als marginal erscheinen. Doch gerade Krisenzeiten bilden einen guten Nährboden für Extremisten jeglicher Couleur. Durch Zufall bin ich nun auf diese Sat 1-Doku [sic] von Falko Korth & Thomas Riedel aus dem Jahre 2010 gestoßen, die Kontakt zu den zentralen Protagonisten der Szene hergestellt und (vergeblich) nach Antworten gesucht haben. Für den Kenner der Szene ergeben sich zwar wenig neue Erkenntnisse, doch der Film bietet einen relativen guten Überblick über den Stand der Dinge.

Zusätzlich noch zwei Leseempfehlungen: Zur Entwicklung der immer noch mitgliederstärksten und einflussreichsten rechtsextremen Partei in Deutschland sei auf den exzellenten Artikel von Marc Brandstetter in der aktuellen Ausgabe der Blätter hingewiesen, zum Zustand der radikalen Fraktion in Mecklenburg-Vorpommern kurz vor den Landtagswahlen auf den Artikel von Velten Schäfer im Freitag.

Sonntag, 14. August 2011

Staub

Noch liegt die Hitze über uns,
gleich einer Dunstglocke aus Glas.
Ein Flackern in der Schwüle. Jenseitssucht.
Versuche, mich zu finden unter all der
Last. Versteinerte Gesichter,
vertraute Wege, plötzlich neu, ein Déja-Vu
ohne Gedächtnis. Erntezeit.
Schweigen vor der Perlenkutsche,
tristes Geschehen, ein Kreis sich dreht.
Eine Allee voll Hoffnungskinder
im Schatten eines Buchsbaums steht.

(28/6/2011)

Montag, 8. August 2011

Impressionen XIX

"A change in the weather is known to be extreme
But what's the sense of changing horses in midstream?
I'm going out of my mind, oh, oh,
With a pain that stops and starts
Like a corkscrew to my heart
Ever since we've been apart."

(aus: Bob Dylan, You're a big girl now, 1975)

Dreierlei Erinnerungen:



Dienstag, 2. August 2011

Sad eyed lady of the lowlands


Sad Eyed Lady Of the Low Lands by Bob Dylan on Grooveshark

Bob Dylan (Blonde on Blonde, 1966)

Freitag, 29. Juli 2011

Ende.Neu?

Wer jemanden wirklich liebt, muss auch dazu bereit sein, ihn gehen zu lassen.

Donnerstag, 14. Juli 2011

DMD KIU LiDT

Die Manifestation des Kapitalismus in unserem Leben ist die Traurigkeit:


Ja, Panik (2011)

Donnerstag, 30. Juni 2011

Mittwoch, 29. Juni 2011

Es ist ein Schnee gefallen,
Und es ist doch nit Zeit,
Man wirft mich mit den Ballen,
Der Weg ist mir verschneit.

Mein Haus hat keinen Giebel,
Es ist mir worden alt,
Zerbrochen sind die Riegel,
Mein Stüblein ist mir kalt.

Ach Lieb, laß dich erbarmen,
Daß ich so elend bin,
Und schleuß mich in dein Arme,
So fährt der Winter dahin.

Ich hört ein Sichellin rauschen,
Wohl rauschen durch das Korn,
Ich hört ein feine Magd klagen,
Sie hätt' ihr Lieb verlorn.

"La rauschen, Lieb, la rauschen!
Ich acht nit, wie es geh:
Ich hab mir ein Buhlen erworben
In Veiel und grünem Klee."

"Hast du ein Buhlen erworben
In Veiel und grünem Klee:
So steh ich hie alleine,
Tut meinem Herzen weh!"

(Dt. Volkslied, um 1535)

Samstag, 4. Juni 2011

Sonntag, 22. Mai 2011

70 reasons

why Bob Dylan is the most important figure in pop-culture history (The Independent, Friday 20th May 2011) und das großartige Cold Irons Bound (aus dem ebenso großartigen Time out of Mind von 1997):

Samstag, 21. Mai 2011

Lost in Hip Hop

Eine ZDF-Doku [sic] aus dem Jahre 1993 über die (noch) unschuldigen Tage des frühen deutschen Hip Hop, der beginnt, seinen Kinderschuhen zu entwachsen, sich jedoch mit Leidenschaft an die alten DIY-Tugenden klammert und die Kommerzialisierung verteufelt. Zu sehen sind neben Advanced Chemistry, den Absoluten Beginnern MC Rene und Cora E viele, die längst vergessen sind. Diese Aufnahmen zeichnen das Bild einer Kultur, die immer noch den traditionellen Werten verpflichtet ist. Bei uns ging einiges...

All dies erscheint furchtbar fern, in diesen Tagen, da Hip Hop längst Pop und keine Kultur mehr zu sein scheint, in der Style und Härte die Oberhand gewonnen haben, die Pose die Gemeinschaft längst ausgelöscht hat und die Verbindung zu den Wurzeln längst gekappt wurde. Eine widersprüchliche Mischung aus Naivität und Reflexion haftet den Protagonisten dieser längst vergangene Zeit an, in der Hip Hop noch mehr war als Pop, nämlich ein selbstbestimmter, alternativer, positiver Lebensstil:

Donnerstag, 19. Mai 2011

Christian Ulmen

hat sich zum Spezialist für Komödien über eheliche kulturelle Konflikte entwickelt. Seien es italienisch-deutsche, wie dem provokativen: ´Maria, ihr schmeckt es nicht...`

...oder polnisch-deutsche, wie dem nicht minder kontroversen ´Hochzeitspolka`:
Beide Filme sind sehr klischeebehaftet und bieten jedoch zugleich einen zweiseitigen Blick auf kulturelle Konflikte, die oft nur aus kleinen Missverständnissen entstehen. Daher bin ich hin und hergerissen zwischen Zweifel und Anerkennung.

Mittwoch, 18. Mai 2011

Bad news

John Bird, Gründer des Big Issue schrieb in seinem letzten ´Letter to the reader` folgendes:

"Too much news is a bad thing, unless it changes your life, and causes you to get involved. And as I am already involved in what I consider important I do not need to be bombarded with incessant updates on what to me doesn't feel like news."

Ich muss zugeben, dass mich der Gedanke ein ganzes Weilchen beschäftigt hat. In Zeiten allverfügbarer Informationen ist es essentiell, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen. Bei der Flut an Nachrichten, die auf uns einströmen kann es sehr schnell passieren, dass der Einzelne sich ohnmächtig fühlt. Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass die Mehrheit Nachrichten weder versteht, noch einordnen kann. Der Trend, alles in Echtzeit, live oder wenigstens in einem Ticker unter das Publikum zu bringen, verschärft diese Unsicherheit noch einmal dramatisch. Daher fällt es immer schwerer, Hintergründe zu verstehen, Entwicklungen einzuordnen, Orientierung zu finden. Und die meisten Themen sind schnell vergessen. 

Nun bin ich selbst jemand, der täglich das Weltgeschehen verfolgt, ein Tag, in dem ich nicht zumindest eine Zeitung gelesen habe, erscheint mir verschwendet. Gleichzeitig bemerke ich jedoch ein zunehmendes Gefühl der Ohnmacht, denn mit der Menge an Information fällt es mir in der Tat immer schwerer, Orientierung zu finden und tatsächlich aktiv zu werden. Anstelle politischen Engagements tritt eine generelle Skepsis, und mein Gefühl sagt mir, dass ich nicht alleine damit bin.

Dienstag, 10. Mai 2011

Impressionen XVI



Osama Bin Laden

Eigentlich sollte an dieser Stelle ein Kommentar von mir stehen. Aber der mir bisher unbekannte Ken Jebsen geht so hart ins Gericht mit den Umständen des Todes Bin Ladens, den Veröffentlichungen der US-Regierung, der Rolle der Medien, die nicht hinterfragen, was in Abbottabad geschah, und nicht zuletzt der Passivität der Mehrheit, dass ich mir meine eigenen Worte sparen kann:

Freitag, 29. April 2011

wolken, weisen

Die ZEIT unternimmt seit Anfang des Jahres den ehrenhaften Versuch einer Wiederbelebung politischer Lyrik und räumt dieser jede Woche einen prominenten Platz im Politikteil der Zeitung ein. Die Qualität der bisher veröffentlichten Gedichte ist dabei sehr unterschiedlich, und vieles bleibt (dem Medium entsprechend) kryptisch. Auffallend jedoch sind die Tendenz zur konsequenten Kleinschrift, sowie der weitgehende Verzicht auf Satzzeichen und Reime. Damit irritieren diese Texte gleich doppelt, und erfüllen so ihren Zweck als gänzlich andere Perspektiven auf Politik, als es Reportagen, Interviews, Essays, Kommentare und Analysen erlaubt ist. Eines der Gedichte, das mir besonders gefallen hat, stammt von der mir bisher unbekannten Uljana Wolf:

wolken, weisen

           i love originality so much i keep copying it. charles bernstein

diese zeile habe ich schon einmal wo gelesen, eine zweite
          siehe, seite, so. anders schon gelesen. eine zweite, ziehn
zweige and fenster schlugen, was eine art gemeinwesen
          wo zweige ans fenster, "fenster" eine art gemeint zu sein
von der cloud her, denken, quellen, morphende formen
          men, von den wolken her, wellen und formen als waisen
wunden, diese spannung zwischen anhängern eines closed
          oder innere, die anhängende spannung zwischen losen
oder offen vorgestellte textverbände, nehmen seit jahren
          en bereitgestellter text, verbands, und nahm seit jahren
zu, dies schrieb meine hand, geführt vom eignen druck
          auf und meine hand, vom eignen früher sanft gedrückt

Montag, 25. April 2011

Mixtape No. 4: The fugitive


1. Pearl Jam - Inside Job (2006)
2. Quest for Fire - Strange waves (2009)
3. Fister - Bronsonic (2011)
4. Fall of Efrafa - Lament (2007)
5. Faraquet - Cut self not (2000)
6. Andy McKee - Art of motion (2006)
7. Humanoid - Passages part 1 (eiditic memory) (2008)
8. Tribes of Neurot - Duality (2005)
9. Radiohead - Codex (2011)
10. Talk Talk - Inheritance (1988)
11. Godspeed You! Black Emperor - Antennas to heaven (2000)

Das Mixtape gibt es auch als Youtube-Playlist.


Sonntag, 17. April 2011

For whom the bell tolls

No man is an island,
Entire of itself.
Each is a piece of the continent,
A part of the main.
If a clod be washed away by the sea,
Europe is the less.
As well as if a promontory were.
As well as if a manor of thine own
Or of thine friend's were.
Each man's death diminishes me,
For I am involved in mankind.
Therefore, send not to know
For whom the bell tolls,
It tolls for thee.

(John Donne, aus: Meditation XVII)

Impressionen XV

Donnerstag, 7. April 2011

London Pirate Frequencies

Wer gedacht hatte, das Internet würde Piratensendern die Grundlage entziehen, der dürfte überrascht sein, dass zumindest in der britischen Hauptstadt noch eine sehr lebendige Szene illegaler Radiosender existiert:

Die Fremde ist der Tod

So lautet der Name einer Dokumentation von Miro Zownir über den im letzten Jahr verstorbenen Schauspieler und Straßenmusiker Bruno Schleinstein. Größere Bekanntheit erlangte er in den 70er Jahren durch die Hauptrolle im Werner Herzog-Film Jeder für sich und Gott gegen alle, blieb jedoch vielen Berlinern vor allem durch seine Auftritte als Straßenmusiker (für die er prinzipiell kein Geld verlangte) in Erinnerung. Es ist eine erstaunliche, bewegende Geschichte, die sein Leben erzählt: von der Mutter (einer Prostituierten) verstoßen, aufgewachsen in Heimen und Besserungsanstalten, als Experimentiermaterial missbraucht von den Nazis, geistig zurückgeblieben, durch Zufall entdeckt durch Werner Herzog, zeitlebens ein Außenseiter, ein misstrauischer, doch sehr wahrhaftiger Mensch mit einem sehr speziellen musikalischen Stil, einer Art Talking-Blues mit Versatzstücken aus der reichhaltigen Tradition Berliner Straßenlieder. Er konnte Sätze formulieren von erstaunlicher Klarheit und Tiefe, weil er die Abgründe dieser Gesellschaft wie kein Zweiter am eigenen Leib erfahren musste. Zownir gelingt es in seiner respektvollen Dokumentation, diesen eigenwilligen Menschen in seiner ganzen Tragik ein Stück weit verständlicher zu machen und die Erinnerung an ihn zu bewahren. Ausgesprochen sehenswert.

Montag, 14. März 2011

Angst als Affektlogik

Der von mir sehr geschätzte Kulturtheoretiker Dirk Rustemeyer* und der Soziologe Werner Vogd im philosophischen Streitgespräch:

Weitere Folgen: Vogd & Dirk Baecker / Vogd & Birger Priddat

*Rustemeyer: Diagramme - Dissonante Resonanzen: Kunstsemiotik als Kulturtheorie (2009)

Energiewende

Hermann Scheer war eines jener seltenen Exemplare unter den deutschen Politikern, die sich einer Sache voll und ganz verschreiben, dafür den Verzicht auf machtvolle Positionen in Kauf nehmen, um sich am Ende durch Beharrlichkeit und Sachverstand im entscheidenden Moment schließlich doch noch durchzusetzen. Sein politisches Vermächtnis ist die Energiewende, die er stets in einem größeren Zusammenhang als dem rein ökonomischen verortete. Für ihn handelte es sich bei dieser Frage um nichts geringeres als einen energethischen Imperativ, so auch der Titel seines letzten, kurz vor seinem überraschenden Tod verfassten Buches. Wie kein Zweiter in diesem Lande verstand er die Lösung der Energiefrage als einen Schlüsselfrage, mit der eine Reihe weiterer Zukunftsfragen verknüpft sind.

In diesen Tagen, da die ganze Welt wieder einmal über die Zukunft der Atomenergie diskutiert und  sich angesichts der Katastrophe von Fukushima daran erinnert, dass die Kernkraft, allen Beteuerungen der Betreiber zum Trotz, ein schwer kalkulierbares Risiko für die gesamte Menschheit darstellt, erscheint es mir daher um so wichtiger, an diesen unermüdlichen Kämpfer für eine zivile, dezentrale, friedliche Energiewende zu erinnern:

I. Dokumentation über Scheer von Democracy Now:


II. Rede im Bundestag zu: 10 Jahre EEG (26/2/2010)


III. Der Weg aus der Systemkrise des Wirtschaftens (Scheer & Ypsilanti)

Donnerstag, 3. März 2011

Donnerstag, 24. Februar 2011

Flüchtige Notizen IV: Momente

Sommer 2002:

Manchmal, da bricht das Leben über uns herein wie ein Donner, zumeist jedoch treibt es gemächlich wie ein mäandrierender Fluss. In jenen gewittrigen Momenten aber, in denen Zeit und Raum sich seltsam ineinander verschachteln, die tradierte Ordnung für kurze Zeit aus den Fugen gerät, da lässt sich die enorme Sprengkraft erahnen, die jenen Momenten innewohnt.

Es ist banal, aber nichtsdestotrotz völlig richtig, dass es individuelle Entscheidungen sind, welche die Welt – zumindest jene Welt, die der Mensch zu erfassen mag – stetig verändern und zugleich bewahren. Und stets hätte auch alles völlig anders kommen können. Die letzten Gründe unserer Entscheidungen sind für uns meist selbst nicht nachzuvollziehen und wir neigen daher, aus reinem Selbstschutz, dazu, sie zu rationalisieren.

Die von all den kleinen Schritten ausgehende Dynamik, ist weder absehbar, noch zu kontrollieren. Der Mensch möchte immer alles geordnet, logisch und erklärbar haben, weshalb er allen Dingen nachvollziehbare Strukturen gibt, aus denen eine eigene Logik folgt, die aber ausschließlich daher so oft funktioniert, weil wir an eben diese Ordnung auch glauben.

Mit den „richtigen“ Gründen sind wir leicht zu überzeugen, wir benötigen die Berechenbarkeit des Alltags, um unser Leben bewältigen zu können. Doch ist nicht letztlich alles Zufall, Produkt vieler voneinander unabhängiger Faktoren? Die Strukturen, in die wir gestoßen werden, können wir uns schließlich nicht aussuchen – aber wie wir innerhalb dieser Strukturen unsere Rollen auslegen, bleibt, so scheint es, uns überlassen. Wobei: es gibt immer den oder die Anderen, auf die wir unsere Handlungen beziehen, die uns beeinflussen und die wiederum von Anderen beeinflusst wurden.

Ein buntes Gewirr, das so undurchschaubar ist, dass wir dazu neigen, den mäandrierenden Fluss als Paradies misszuverstehen, wo es doch die Blitze sind, auf die wir unsere Aufmerksamkeit richten sollten auf der Suche nach den Geheimnissen des Lebens. Und vielleicht ist es gerade das, was unser Leben lebenswert machen kann, und jede Anstrengung es zu lüften nicht nur müßig, sondern anmaßend. Aber da müsste man sich ja entscheiden…

Das Hölderlin-Lied

       "So kam ich unter die Deutschen"

In diesem Lande leben wir
wie Fremdlinge im eigenen Haus
       Die eigne Sprache, wie sie uns
       entgegenschlägt, verstehn wir nicht
       noch verstehen, was wir sagen
       die unsre Sprache sprechen
In diesem Lande leben wir wie Fremdlinge

In diesem Lande leben wir
wie Fremdlinge im eigenen Haus
       Durch die zugenagelten Fenster dringt nichts
       nichts wie gut das ist, wenn draußen regnet
       noch des Windes übertriebene Nachricht
       vom Sturm
In diesem Lande leben wir
wie Fremdlinge im eigenen Haus
       Ausgebrannt sind die Öfen der Revolution
       früherer Feuer Asche liegt uns auf den Lippen
       kälter, immer kältre Kälten sinken in uns
Über uns ist hereingebrochen
                             solcher Friede!
                                    solcher Friede
       Solcher Friede.

(Wolf Biermann)

Mittwoch, 16. Februar 2011

Rat an die Jugend:

"Lauft von Zuhause weg und geht zum Zirkus, lasst euch ein Tatoo machen, springt auf einen Zug. Pflanzt einen Garten und hortet die Samen. Heiratet, bekommt Kinder, tragt einen Hut. Lernt, wie man mit einer Ochsenpeitsche umgeht. Lügt nicht, betrügt nicht, stehlt nicht. Widmet euch der Aufgabe, die verschiedenen Aspekte eurer selbst in Einklang zu bringen. Bedenkt: das, worauf es ankommt, kann man fast nie sehen. Die Qualität der Zeit, die ihr mit jemandem verbringt, ist wichtiger als die Quantität ...und es gibt eine Menge Sachen, die man mit einem Wah-Wah-Pedal und einem Mikro machen kann." (Tom Waits)


Chocolate Jesus (1999)

Don't go to church on Sunday
Don't get on my knees to pray
Don't memorize the books of the Bible
I got my own special way
I know Jesus loves me
Maybe just a little bit more
I fall down on my knees every Sunday
At Zerelda Lee's candy store
Well it's got to be a chocolate Jesus
Make me feel good inside
Got to be a chocolate Jesus
Keep me satisfied
Well I don't want no Abba Zabba
Don't want no Almond Joy
There ain't nothing better
Suitable for this boy
Well it's the only thing
That can pick me up
Better than a cup of gold
See only a chocolate Jesus
Can satisfy my soul

When the weather gets rough
And it's whiskey in the shade
It's best to wrap your savior
Up in cellophane
He flows like the big muddy
But that's ok
Pour him over ice cream
For a nice parfait
Well it's got to be a chocolate Jesus
Good enough for me
Got to be a chocolate Jesus
Good enough for me
Well it's got to be a chocolate Jesus
Make me feel good inside
Got to be a chocolate Jesus
Keep me satisfied

und noch ein Klassiker zum Schluss:


Dienstag, 8. Februar 2011

Reform, Revolution und Islam

Angesichts der aktuellen politischen Lage in der arabischen Welt scheint es mir angebracht, nochmals auf meine - zugegebenermaßen recht skizzenhaften - Gedanken bezüglich des Zusammenhangs von Demokratie und Islam und der Chancen einer Demokratisierung durch Intervention hinzuweisen, die ich bereits anno 2007 an dieser Stelle beschrieben habe und an denen sich in der Zwischenzeit recht wenig geändert hat.

Eine kleine Ergänzung sei mir jedoch erlaubt: An der grundsätzlichen Problematik der Doppelmoral westlicher Demokratien, die Werte einfordern, die sie selbst in dieser Region (aufgrund mehr oder weniger berechtigter Sicherheitsbedenken) nicht einzuhalten imstande sind, hat sich leider wenig geändert. Es fehlt wohl nicht an Beratern, die das Potenzial der regional sehr unterschiedlichen Situationen langfristig korrekt einzuschätzen wissen, sondern am politischen Willen, diese auch in den politischen Prozesse zu integrieren. Leider scheint sich dies im Fall des ägyptischen Aufstandes wieder einmal zu bestätigen, da EU wie USA zu zögerlich reagierten. Das Fenster, so Joshua Stacher, ist wieder geschlossen und das ägyptische Regime sitzt wieder fest im Sattel.

Ergänzung II: Die Beharrlichkeit und Friedfertigkeit des ägyptischen Volkes hat sich inzwischen ausgezahlt und zum Rücktritt des Präsidenten geführt. Ob  jedoch das System an sich so wandlungsfähig und -bereit ist, wie sich die Demonstrierenden das erhoffen, bleibt angesichts der Kräfteverhältnisse fraglich.

Sonntag, 6. Februar 2011

Als der Tyrann starb,
wurde die Trauer ausgerufen.
Und es kamen viele
zum Begräbnis:
Der Dichter pries seine Sanftmut.
Der Priester lobte seine Güte.
Der Richter sprach von seiner Milde.
Der General rühmte seine Klugheit.
Der Denker unterstrich seine Notwendigkeit.
Der Büttel würdigte seine Geduld.
Nur der Henker war verhindert.
Er mußte auch an diesem Tag
sein Brot verdienen.

(SAID)

Freitag, 4. Februar 2011

Impressionen XIII: Tahrir

 
© AFP
 
turnover

Langour rises reaching, to turn off the alarm
And there's never so much seething
That it can't be disarmed
You just stop it up,
Pass it on
Shove it to shelf it,
To leave it off and turnover
Lounging against your weapons,
Until your muscles find lock
In the ease of that position,
A residue of tremor passes
As some cherie amour suggests
That maybe it was time to smash things up
But just stop it up,
Pass it on
Shove it to shelf it,
To lead it on and turnover
I'm only sleeping

(Fugazi, 1990)

Mittwoch, 2. Februar 2011

Mixtape No. 3: Zorn und Zweifel

1. Shrinebuilder - Science of Anger (2009)
2. Callisto - The Fugitive (2006)
3. Neurosis - Stones from the sky (1999)
4. Isis - The Other (2002)
5. Opeth - When (1998)
6. Metallica - To live is to die (1989)
7. Fugazi - The Kill (2001)
8. Mogwai - Take me somewhere nice (2001)
9. Cursive - A Gentleman Caller (2003)
10. Sonic Youth - Sacred Trickster (2009)
11. Fight from the inside - Delusion of necessity (2009)

...und wie immer das Tape auch als Youtube-Playlist.


Freitag, 21. Januar 2011

Der Gelehrte in der engen Gasse

KLATSCHEND schlagen des Vogels Schwingen,
Stößt er gegen des Käfigs vier Wände.
Elend und grau lebt der Gelehrte in einer engen
          Gasse;
Einem Schatten anhangend, haust er in leerer Hütte.
Geht er aus, weiß er doch nicht, wohin.
Dornen und Disteln versperren ihm jeglichen Pfad.
Seine Pläne mißraten und werden zunichte,
Gestrandet bleibt er zurück wie ein Fisch im
          trockenen Teich.
Draußen - nicht einen Heller Gehalt;
Drinnen - nicht ein Korn in der Kammer.
Seine Verwandten verachten ihn für sein Versagen,
Die Gefährten und Freunde verhalten sich täglich
          kühler.
Su Ch'in durchzog im Triumphe den Norden,
Li Ssu wurde Premierminister im Westen;
In plötzlichem Glanz erglomm ihres Ruhmes Blüte,
Doch ebenso schnell welkte sie hin und verging.
Tränke man auch aus dem Strom, mehr als des Leibes
          Maß kann man nicht fassen;
Sein Genügen zu haben ist gut, Übersättigung sinnlos.
Der Vogel im Walde kann nur auf einem Zweige sich
          wiegen,
Und dieses Vorbild sollte der Weise sich wählen.

                                         TSO SSU, gestorben etwa 306 n. Chr.

Mittwoch, 19. Januar 2011

Meister der Melancholie Teil 5: Steve von Till

Neurosis sind unbestritten eine der großartigsten Bands der letzten beiden Jahrzehnte, doch nicht jeder schafft es, in ihren dunklen Kosmos durchzudringen. Und auch wenn es in der musikalischen Entwicklung von Neurosis durchaus zugänglicheres gibt (wie Crawl back in), so dominiert doch weithin das Abgründige von Through Silver in Blood. Steve von Till, hauptberuflich übrigens Grundschullehrer, ist einer der beiden Sänger der Band und eher dem Melodiösen zugewandt. Dies ließ sich jedoch bei Neurosis nie so recht verwirklichen, weshalb er der Welt drei Soloalben geschenkt hat, die jeglicher Aggression entbehren und stattdessen in ruhigen Songwritergefilden beheimatet sind. Wenn die Lieder dabei auch der Größe, Erhabenheit und epischen Tiefe von Neurosis entbehren, so bleiben doch wunderbare, tief in der amerikanischen Tradition verwurzelte, leise, intime Stücke, so wie dieses hier:



You don't believe what you don't see
Each grain of sand beneath the sea
You have no faith in a dream
Fade into the landspace, unseem

In a field of weeds, killing time
A winding river rushes by
All the while you seem to be going blind
A cold numb grey in your eyes

Breathe in, breathe deep
A lifetime is too long to sleep
Staring at lightning won't keep you warm
You hear the thunder, but can't get out of the storm

Growing weak and thin
This has to end where it begins
Waiting for winter's first snow
To cover your tracks, so no-one will know

That you ever lived, or ever lied
You wouldn't give, never tried
No words worth air ever sound
From a flightless bird, bound to the ground

Breathe in, breathe deep
A lifetime is too long to sleep
Staring at lightning won't keep you warm
You hear the thunder, but can't get out of the storm

Samstag, 15. Januar 2011

Freitag, 14. Januar 2011

Zorn

Seh ich im verfallnen, dunkeln
Haus die alten Waffen hangen,
Zornig aus dem Roste funkeln,
Wenn der Morgen aufgegangen,

Und den letzten Klang verflogen,
Wo im wilden Zug der Wetter,
Aufs gekreuzte Schwert gebogen,
Einst gehaust des Landes Retter;

Und ein neu Geschlecht von Zwergen
Schwindelnd um die Felsen klettern,
Frech, wenns sonnig auf den Bergen,
Feige krümmend sich in Wettern,

Ihres Heilands Blut und Tränen
Spottend noch einmal verkaufen
Ohne Klage, Wunsch und Sehnen
In der Zeiten Strom ersaufen;

Denk ich dann, wie Du gestanden
Treu, da niemand treu geblieben:
Möcht ich, über unsre Schande
Tiefentbrannt in zorngem Lieben,

Wurzeln in der Felsen Marke,
Und empor zu Himmels Lichten
Stumm anstrebend, wie die starke
Riesentanne, mich aufrichten.

(Josef von Eichendorff, 1810)

Donnerstag, 13. Januar 2011

Bolsa Familia

Die Bekämpfung von Armut und sozialer Ungleichheit (weltweit, aber v.a. in den Entwicklungsländern) ist eine der größten Herausforderungen, vor denen die Menschheit in den nächsten Jahrzehnten steht. Dabei gibt es momentan zwei erfolgreiche Modelle: eines ist (sozial-)demokratisch (Brasilien), das andere autoritär-staatskapitalistisch (China). Über letzteres wird, gerade hierzulande, schon genug geschrieben, aufgrund der undemokratischen Verhältnisse gilt es jedoch selten als nachahmenswertes Entwicklungsmodell. Stattdessen schauen die meisten Beobachter mit einer Mischung aus Angst und Respekt auf den zukünftigen Hegemon aus dem Osten.

Brasilien hingegen erfreut sich einer ungleich größeren Beliebtheit und gilt zunehmend als DAS aufstrebende Entwicklungsmodell. Kein Land (außer China) hat es in so kurzer Zeit geschafft, so viele Menschen aus der Armut zu befreien. Von zentraler Bedeutung war dabei eines der erfolgreichsten Sozialprogramme der Geschichte namens Bolsa Familia. Es stammt ursprünglich aus Mexico und  Programme dieser Art existieren inzwischen in mehr als 40 Ländern rund um den Globus. Sein Prinzip ist so simpel wie einleuchtend: "To Beat Back Poverty, Pay The Poor" (Tina Rosenberg).

In der Praxis sieht das dann so aus: Bedürftige Familien bekommen vom Staat eine bescheidene finanzielle Unterstützung, sofern sie sich dazu verpflichten, ihre Kinder in die Schule zu schicken und sich regelmäßiger Gesundheitsvorsorge zu unterziehen. Das Programm leistet so zugleich kurzfristige finanzielle Armutsfürsorge wie langfristige Armutsvorsorge. In Brasilien hat sich dank Bolsa Familia das Einkommen der Ärmsten zwischen 2003 und 2009 versiebenfacht, Kinderarbeit wurde massiv reduziert, und auch wenn sie immer noch viel zu hoch ist, so nimmt die Ungleichheit doch mehr ab als in fast jedem anderen Land der Erde... während die Wirtschaft seit Jahren rasant wächst! Für die Entwicklung der anderen Entwicklungsländer bedeutet dies zweierlei:  Es ist 1. auch heute noch möglich, demokratisch zu sein UND reich zu werden, sowie 2. einen Sozialstaat aufzubauen UND die Wirtschaft zu entwickeln.

Montag, 10. Januar 2011

Fortschritt?

Die SPD diskutiert wieder über die Zukunft - zumindest tut sie das, was sie darunter versteht. Ein Beitrag von Sigmar Gabriel in der FAZ von heute sollte beleuchten, was die Sozialdemokratie unter diesem Begriff heute zu verstehen vorgibt. Er basiert auf einem Entwurf für ein Fortschrittsprogramm von Gabriel, Steinmeier und Nahles. Auf Grundlage dieses Textes soll nun während der Jahresauftaktklausur über eine programmatische Weiterentwicklung diskutiert werden. Das Dilemma des Artikels ist dabei zugleich das der SPD.

1. Der Partei mangelt es an Glaubwürdigkeit. Weite Teile des Entwurfes arbeiten sich ab an den politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten beiden Jahrzehnte. So berechtigt die Kritik an den Zuständen auch sein mag (gerade für eine linke Partei), so war es doch die real existierende Sozialdemokratie, welche die Politik in der Bundesrepublik zwischen 1998 und 2009 maßgeblich prägte. 

2. Wenn Gabriel konkret wird, so ist er daher nur allzu oft mit der Korrektur der SPD-Regierungspolitik beschäftigt: Seien es die Einkommenssteuersätze, die erhöht werden sollen, die Rente mit 67, die in Frage gestellt wird, die beklagte Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse oder auch die Reregulierung der Finanzmärkte - all dies kommt nicht von ungefähr.

3. Den Fortschritt ins Zentrum der Betrachtung zu stellen (und nicht etwa Begriffe wie Gerechtigkeit, Solidarität oder Fairness, womit Gabriel ja geliebäugelt hatte), ist so klug wie riskant. Klug, weil er derzeit von keiner politischen Kraft besetzt wird und nicht mit Angst, sondern Vertrauen operiert. Riskant, weil der Begriff so diffus und daher missverständlich ist. Auch die Lektüre wirkt dabei wenig erhellend und man wird den Verdacht nicht los, dass hier nur alter Wein in neue Schläuche gegossen werden soll.

4. Es ist begrüßenswert, dass in der SPD wieder über die Zukunft geredet wird, doch was der Vorsitzende als Diskussionsgrundlage vorlegt, ist so oder ähnlich (und meist prägnanter) auch in den Papieren der grünen  (Nachhaltigkeit und Wachstumskritik) und linken Konkurrenz (Emanzipation) zu finden. Um die Führerschaft im linken Lager wieder zu erlangen, ist das bedeutend zu wenig. Man mag Gabriel zugute halten, dass er nicht den Populisten gibt (der ihm durchaus zuzutrauen wäre), dafür sind ihm die Mühen der Regierungszeit wohl noch zu präsent. Er macht sich immerhin auf den Weg zu einer Wiederbelebung der sozialdemokratischen Idee, der gute Wille ist ihm nicht abzusprechen. Etwas anderes bliebe ihm auch gar nicht übrig. Doch der gute Wille allein wird nicht genügen, um die Entwicklung der SPD zu einer Intellektuellenpartei a.D. zu stoppen.
Ein Bild aus besseren Tagen? 
P.S. Wer das ganze 43 Seiten starke Fortschrittsprogramm lesen möchte findet das hier.

Freitag, 7. Januar 2011

Mittwoch, 5. Januar 2011

Die Armutsindustrie

Hartz IV ist wieder einmal zurück auf dem Verhandlungstisch der Parteien und damit auch der Diskurs über Sinn und Unsinn dieses monströsen sozialstaatlichen Paradigmenwechsels. Welch wunderliche Blüten dieses System treibt, ist nicht zuletzt dank Albrecht Müller bestens dokumentiert. Auch Hans-Jürgen Urban hat in den aktuellen Blättern die negativen Arbeitsmarkteffekte einmal mehr herausgearbeitet. Wenn laut offiziellen Angaben der Bundesagentur für Arbeit nicht einmal 15 Prozent der Ein-Euro-Jobber nachher in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis landen und inzwischen jeder fünfte Beschäftigte im Niedriglohnsektor arbeitet, muss in diesem System etwas ganz grundlegend falsch laufen. Was jedoch Eva Müllers Reportage "Die Armutsindustrie" zu Tage fördert übertrifft selbst die kühnsten Erwartungen. Doch seht selbst:

Montag, 3. Januar 2011

Flüchtige Notizen III: Apocalypse Now!


Juli 2009:

Vorab: Inhalt und Form sind im Film nicht voneinander zu trennen. Film, das ist auch Philosophie, nur in anderer Form. Denn das Wesen der Philosophie ist nicht allein die Sprache im Text, sondern eine Praxis, die (eben auch in Form von Filmen) vollzogen werden kann. Zum Philosophieren gehört das Beschreiben der möglichen Seinsformen, der Virtualitäten - das sind Gelegenheiten, Variationen immer neuer Darstellungen, die einen stetigen Prozess des Anschließens an Darstellungen ermöglichen und damit die Generierung eigener, neuer Darstellungen. Die überwältigende Wirkung des Kinofilms ermöglicht so eine Reflexion relevanter philosophischen Fragen in gleichnishafter Form.

Eines der gelungensten Beispiele einer solchen Reflexion ist Francis Ford Coppolas Apocalypse Now!. Die zweifellose Erhabenheit des Filmes bei erster Betrachtung führt zu Irritationen, die den Betrachter etwas ratlos zurücklassen, aber auch Ausgangspunkt potentiell unendlicher Analyse sein können, Was Apocalypse Now! zu einem philosophisch fassbaren Film macht ist seine Vielfalt der Gedanken, die Selbstreflexion des Films als Film, seine Prozesshaftigkeit und sein steter Bezug auf Philosophie, Film, Literatur, Geschichte und Kunst.

Apocalyse Now! ist keine realistische Darstellung des Vietnamkrieges, sondern vielmehr eine surreale und daher besonders überzeugende Reflexion zum Thema Krieg an sich. Die Apokalypse ist nicht das Ende, sondern vielmehr der von den Menschen selbst geschaffene Zustand der Welt. Gott ist tot, wurde getötet und niemand ist mehr da, der das Grauen beenden könnte. Kurtz, Gott, Philosoph, Heiliger, Soldat, Ziel und Fixpunkt des Filmes befindet sich jenseits der uns bekannten Welt, in einem permanenten Ausnahmezustand. Er weiß um die Unterscheidungen, aber stellt sich über alle Urteile und Wertungen. Er ist nur denkbar, nicht in dieser Welt lebbar, ist das ausgeschlossene Dritte, daher muss er getötet werden. Und so geht Willard, Hauptdarsteller und Ich-Erzähler, als Wahnsinniger zurück in die Welt. Doch die Denkbarkeit bleibt und damit auch die Paradoxien.

Samstag, 1. Januar 2011

Neues Jahr


Es ist 12, ich bin gespannt was sich ändert.
Du bist gut drauf und mir ist kalt.
Und die Nacht legt sich in dunkle Gewänder,
doch das wird langweiliger von Jahr zu Jahr.
Und Deine Hand fühlt nach ob ich jetzt noch zweifel -
doch im Grunde ist es dir egal.
Ich bin bloß froh als wir den Ausgang erreichen -
und durch den Himmel tönt ein Knall.
Es ist nichts passiert -
aber wo sind die Anderen jetzt?
Du gibst mir Dein Bier und du sagst:
Es ist so egal.
Es ist so egal.
Es ist so egal.
Es ist scheißegal wo die anderen jetzt sind.


Zwei alte Damen glotzen blöd in der U-Bahn.
Du siehst Deinen Platz und lässt Dich fallen.
Du schaust hinaus und schweigst mich an bis zum Kudamm -
und dann stehst Du auf und ich auch.
Und in der Stadt die ganzen glücklichen Gesichter.
Ich mein, irgendwie gehören wir doch dazu.
Wir erzählen uns unsere stumpfen Geschichten -
wir sind soviel heut Nacht Ich und Du.
Hey, jetzt bleib mal stehen -
in ein paar Tagen sind wir weniger.
Ja ja, du wirst schon sehen.
Doch es ist so egal.
Es ist so egal.
Es ist so egal.
Ok, meinetwegen ist es egal, was ich denke, was in ein paar Tagen sein wird.


Und dies ist unsere Zeit!
Wir sind in dieser Nacht geboren!
Wie die Idioten aus dem Film hab ich mein Herz an Dich verloren...
Und ist dies das neue Jahr?
Du legst Deinen Kopf in meine Arme,
dein Hirn ruht sanft in meinen Händen und ich kann spüren, wie es sich bewegt.
Wir sind jetzt mittendrin -
es wird schwierig jetzt und warm!
Wenn wir hier zu lange stehen, kehren wir nie wieder zurück.
Doch wohin mit all dem Unsinn?
Vielleicht wird es gut wenn es jetzt hier endet.
Wir haben keine Wahl.
Wir rutschen tiefer und tiefer und tiefer,
Tiefer und tiefer und tiefer,
Tiefer und tiefer und tiefer ins Glück!
(Gisbert zu Knyphausen, 2008)