Samstag, 10. September 2011

Arabischer Frühling

Versuch einer kursorischen Zwischenbilanz

Es ist wohl definitiv noch zu früh für Urteile über die langfristigen Auswirkungen des Arabischen Frühling. Nach etwas mehr als neun Monaten bietet sich dem Betrachter ein sehr widersprüchliches, unklares Bild: Libyen scheint befreit von Gaddhafi, doch wird mit den Rebellen wirklich Demokratie zu machen sein? Eine rassistische Blutspur überzieht das Land, zumindest für Schwarze scheint es im neuen Libyen keine Freiheit zu geben. Spannend auch die Frage, welche Rolle die einflussreichen Islamisten übernehmen werden. Und ob dieses Land, das bei nur 6 Mio. Einwohnern über 100 bis 140 Stämme verfügt, überhaupt regierbar sein wird, bleibt zumindest fraglich.

Ägypten hingegen befindet sich scheinbar auf dem Weg in die Demokratie, beschneidet aber zugleich die Meinungsfreiheit, wird vom Militär regiert, das in seinem Bemühen um Machterhalt das Land zunehmend lähmt. Dass es dabei auch auf Maßnahmen des alten Regimes zurückgreift, braucht nicht zu verwundern. Der inzwischen 30 Jahre währende Ausnahmezustand wurde auch nach dem Sturz Mubaraks nicht aufgehoben. Und welche Rolle wohl Israel spielen wird, nachdem sich die Beziehungen zwischen Kairo und Jerusalem deutlich abgekühlt haben und der Volkszorn ungebremst entladen werden kann? Mubarak steht vor Gericht - immerhin. Entscheidend für den Transformationsprozess wird sein, wie viel Macht das Militär abzugeben bereit ist.

Aus Jemen sind lange keine Neuigkeiten zu vernehmen gewesen. Der Machtkampf ist noch nicht endgültig entschieden. Doch viel Gutes scheint in diesem bitterarmen Land nicht zu erwarten sein, da auch hier die Stämme eine entscheidende Rolle spielen und dies im Falle einer siegreichen Revolution einen langen Bürgerkrieg nach sich ziehen könnte. 

In Jordanien ist der Aufstand gescheitert bzw. aufgrund von Zugeständnissen der Regierung vorerst ausgesetzt, in Bahrein mithilfe saudischer Panzer blutig niedergeschlagen worden. Das wohlhabende Tunesien scheint noch am meisten aus dem Umbruch gemacht zu haben. Am 23. Oktober wird eine verfassungsgebende Versammlung gewählt. Von den politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen dürfte dieses Land die größten Chancen auf einen Wandel zur Demokratie haben. 

Und Syrien? Der Blick auf dieses Land fällt schwer, da immer noch keine ausländischen Journalisten akkreditiert werden und das Ausland daher auf Berichte der Revolutionäre angewiesen ist (siehe Video). Die Lage ist hier besonders prekär, da hier eine alavitische Minderheit eine sunnitische Mehrheit unterdrückt und immer noch ein beachtlicher Teil der Bevölkerung hinter Assad steht (der Demonstranten erbarmungslos niederschießen lässt), wohl auch weil die offizielle Propaganda noch funktioniert. Das Morden scheint vorerst kein Ende zu nehmen:

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