Freitag, 28. März 2014

Bohren entschleunigt

Bohren und der Club of Gore zählt zu den Bands, die schon nach wenigen Takten problemlos zu identifizieren sind. Mit ihrer enigmatischen Mischung aus Jazz, Ambient und Doom haben sie quasi ein eigenes musikalisches Universum erschaffen. In der Manufaktur, der sie anlässlich ihres neuen Albums "Piano Nights" einen Besuch abstatteten, präsentierte sich Bohren nun gewohnt entschleunigt und unprätentiös.

Ein paar verschleppte Drums, tiefer, markanter Bass, das unverkennbar fiese Saxophon und Pianoklänge, die sich im Nichts auflösen: Die Musik der Band aus Mühlheim an der Ruhr ist wie geschaffen für die Nacht, für Autobahnfahrten über dunkle, verlassene Großstadtstraßen, funktioniert aber auch vor Publikum. 

Sie erzeugt eine unwirtliche, abgründige Stimmung, dazu läuft die Nebelmaschine auf Hochtouren, der Saal ist komplett abgedunkelt. Mit Taschenlampen schleichen die Musiker auf die Bühne. Ihre Umrisse nur schemenhaft erkennbar. Nichts soll hier von der Musik ablenken, Kopfkino entstehen. Ab und an macht Saxophonist Christoph Clöser ein paar lakonische Ansagen, bezeichnet dann Bohren selbstironisch als „eine der zahlreichen Unterhaltungskapellen aus Nordrhein-Westfalen“. Nach verdammt kurzen anderthalb Stunden und lediglich zwei Zugaben entlässt Bohren das Publikum wieder ins Dunkel der Nacht. Seltsam entschleunigt.

Samstag, 1. März 2014

Howe Gelb, der Anti-Perfektionist

Wie lässt sich ein Künstler fassen, dessen musikalisches Oeuvre seit den 1970er Jahren schier unüberschaubare Ausmaße angenommen hat? Ein Künstler, der Südstaaten-Americana, diesen eigentümlichen Hybrid aus europäischen und afroamerikanischen Traditionssträngen, geprägt hat wie kein Zweiter; dessen Werk aber auch Elemente von Garagenrock, Jazz und lateinamerikanischer Musik integriert. Und der als bisweilen sarkastischer, stets präziser Geschichtenerzähler nie die ihm gebührende Anerkennung erfahren hat. Sein Auftritt in der Schorndorfer Manufaktur bot die passende Gelegenheit, dem Phänomen Howe Gelb ein wenig näher zu kommen.

Freundschaft wird unter Musikern ja oft gepredigt, doch in den seltensten Fällen tatsächlich gelebt. Howe Gelb zählt zu der Sorte Künstler, die das Musik machen stets als eine kollektive Sache begriffen haben. Der Reihe nach: Sein Gitarrist Gabriel Sullivan, dessen Erscheinung ein wenig an den Bob Dylan der späten 1960er Jahre erinnert, eröffnet den Abend mit schweren, getragenen Songwriter-Balladen und rauchiger, markanter Stimme. Der Scotch des Vorabends hat auf ihr deutliche Spuren hinterlassen, was der sympathische Musiker auch nicht verheimlicht. Er spielt zunächst alleine, dann in Begleitung des Kontrabassisten Thøger Tetens Lund. Für einen Song darf dann auch Klaus, ansonsten Fahrer des Tourbusses, das Schlagzeug bedienen.

Und irgendwann gesellt sich schließlich Gelb dazu: groß, hager, mit blauem Karohemd, den braunen Hut so tief ins Gesicht gezogen, dass er die Augen verdeckt. Fast verstohlen schleicht er sich ans Klavier, setzt ein paar Tupfer in den Klangteppich – und ist dann genau so schnell wieder verschwunden, wie er gekommen war. Ein unmissverständliches Zeichen: entscheidend ist – nicht nicht nur an diesem Abend – die Musik, das Zusammenspiel, das Kollektiv. Die Bühne gehört zunächst voll und ganz seinem Bandkollegen.

Nach einer kurzen Pause betritt dann Gelb zusammen mit Sullivan und Lund erneut das Rampenlicht. Auch da verzichtet der lakonisch auftretende und zu launigen Anekdoten neigende Künstler auf große Gesten. Stattdessen wird es zunächst schräg. „Grumpy songs“ verspricht der US-Amerikaner – und hält sein Wort. Mit ordentlich Echo auf der Stimme versinkt er tief im Blues, dem alten, rohen Blues der Marke Robert Johnson. Zwei akustische Gitarren und ein Kontrabass genügen für diesen dreckigen, rauen Sound. Begleitet wird er dabei von einem gleichmäßigen Surren des Verstärkers. Mit der Nähe zur Eisenbahn erklärt er sich das Störgeräusch und verkündet: „We came here to celebrate the train. I guess it's part of the spirit of this building“. Was viele Musiker zur Weißglut treiben würde, macht Gelb kurzerhand zu einem Teil seines Auftritts.

Dabei arbeiten er und seine beiden Begleiter sich nicht nur an den Soloalben, sondern auch an der vielseitigen Werksgeschichte seiner langjährigen Band Giant Sand ab. Ein wilder Stilmix prägt den Abend. Das sorgt für Überraschungen, zahlreiche Brüche, lässt aber auch eine klare Linie vermissen: Wechselweise spielt Howe Gelb schräg auf der Akustikgitarre, fast impressionistisch auf dem Klavier oder lärmend auf einer Beinahe-Ukulele von E-Gitarre – mit Echo auf der Stimme und dem Surren des Verstärkers als stetigem Begleiter.

Nein, Howe Gelb möchte nicht gefallen. Das ist der vielleicht entscheidende Erklärungsansatz für die Eigentümlichkeit und den eher bescheidenen Erfolg des Künstlers. Gelb mag sich nicht erklären, nicht verkaufen. Gegen Marketing und Promotion habe er eine „slight allergy“. Damit widersetzt er sich ganz einfach den eisernen Spielregeln der Branche. Nur über die Musik kommunizieren zu müssen, das ist eigentlich ein Privileg der ohnehin Erhörten. Doch zu denen wird der Anti-Perfektionist Howe Gelb, soviel ist nach dem Auftritt jedenfalls sicher, wohl auch in Zukunft nie gehören.