Donnerstag, 24. Februar 2011

Flüchtige Notizen IV: Momente

Sommer 2002:

Manchmal, da bricht das Leben über uns herein wie ein Donner, zumeist jedoch treibt es gemächlich wie ein mäandrierender Fluss. In jenen gewittrigen Momenten aber, in denen Zeit und Raum sich seltsam ineinander verschachteln, die tradierte Ordnung für kurze Zeit aus den Fugen gerät, da lässt sich die enorme Sprengkraft erahnen, die jenen Momenten innewohnt.

Es ist banal, aber nichtsdestotrotz völlig richtig, dass es individuelle Entscheidungen sind, welche die Welt – zumindest jene Welt, die der Mensch zu erfassen mag – stetig verändern und zugleich bewahren. Und stets hätte auch alles völlig anders kommen können. Die letzten Gründe unserer Entscheidungen sind für uns meist selbst nicht nachzuvollziehen und wir neigen daher, aus reinem Selbstschutz, dazu, sie zu rationalisieren.

Die von all den kleinen Schritten ausgehende Dynamik, ist weder absehbar, noch zu kontrollieren. Der Mensch möchte immer alles geordnet, logisch und erklärbar haben, weshalb er allen Dingen nachvollziehbare Strukturen gibt, aus denen eine eigene Logik folgt, die aber ausschließlich daher so oft funktioniert, weil wir an eben diese Ordnung auch glauben.

Mit den „richtigen“ Gründen sind wir leicht zu überzeugen, wir benötigen die Berechenbarkeit des Alltags, um unser Leben bewältigen zu können. Doch ist nicht letztlich alles Zufall, Produkt vieler voneinander unabhängiger Faktoren? Die Strukturen, in die wir gestoßen werden, können wir uns schließlich nicht aussuchen – aber wie wir innerhalb dieser Strukturen unsere Rollen auslegen, bleibt, so scheint es, uns überlassen. Wobei: es gibt immer den oder die Anderen, auf die wir unsere Handlungen beziehen, die uns beeinflussen und die wiederum von Anderen beeinflusst wurden.

Ein buntes Gewirr, das so undurchschaubar ist, dass wir dazu neigen, den mäandrierenden Fluss als Paradies misszuverstehen, wo es doch die Blitze sind, auf die wir unsere Aufmerksamkeit richten sollten auf der Suche nach den Geheimnissen des Lebens. Und vielleicht ist es gerade das, was unser Leben lebenswert machen kann, und jede Anstrengung es zu lüften nicht nur müßig, sondern anmaßend. Aber da müsste man sich ja entscheiden…

Das Hölderlin-Lied

       "So kam ich unter die Deutschen"

In diesem Lande leben wir
wie Fremdlinge im eigenen Haus
       Die eigne Sprache, wie sie uns
       entgegenschlägt, verstehn wir nicht
       noch verstehen, was wir sagen
       die unsre Sprache sprechen
In diesem Lande leben wir wie Fremdlinge

In diesem Lande leben wir
wie Fremdlinge im eigenen Haus
       Durch die zugenagelten Fenster dringt nichts
       nichts wie gut das ist, wenn draußen regnet
       noch des Windes übertriebene Nachricht
       vom Sturm
In diesem Lande leben wir
wie Fremdlinge im eigenen Haus
       Ausgebrannt sind die Öfen der Revolution
       früherer Feuer Asche liegt uns auf den Lippen
       kälter, immer kältre Kälten sinken in uns
Über uns ist hereingebrochen
                             solcher Friede!
                                    solcher Friede
       Solcher Friede.

(Wolf Biermann)

Mittwoch, 16. Februar 2011

Rat an die Jugend:

"Lauft von Zuhause weg und geht zum Zirkus, lasst euch ein Tatoo machen, springt auf einen Zug. Pflanzt einen Garten und hortet die Samen. Heiratet, bekommt Kinder, tragt einen Hut. Lernt, wie man mit einer Ochsenpeitsche umgeht. Lügt nicht, betrügt nicht, stehlt nicht. Widmet euch der Aufgabe, die verschiedenen Aspekte eurer selbst in Einklang zu bringen. Bedenkt: das, worauf es ankommt, kann man fast nie sehen. Die Qualität der Zeit, die ihr mit jemandem verbringt, ist wichtiger als die Quantität ...und es gibt eine Menge Sachen, die man mit einem Wah-Wah-Pedal und einem Mikro machen kann." (Tom Waits)


Chocolate Jesus (1999)

Don't go to church on Sunday
Don't get on my knees to pray
Don't memorize the books of the Bible
I got my own special way
I know Jesus loves me
Maybe just a little bit more
I fall down on my knees every Sunday
At Zerelda Lee's candy store
Well it's got to be a chocolate Jesus
Make me feel good inside
Got to be a chocolate Jesus
Keep me satisfied
Well I don't want no Abba Zabba
Don't want no Almond Joy
There ain't nothing better
Suitable for this boy
Well it's the only thing
That can pick me up
Better than a cup of gold
See only a chocolate Jesus
Can satisfy my soul

When the weather gets rough
And it's whiskey in the shade
It's best to wrap your savior
Up in cellophane
He flows like the big muddy
But that's ok
Pour him over ice cream
For a nice parfait
Well it's got to be a chocolate Jesus
Good enough for me
Got to be a chocolate Jesus
Good enough for me
Well it's got to be a chocolate Jesus
Make me feel good inside
Got to be a chocolate Jesus
Keep me satisfied

und noch ein Klassiker zum Schluss:


Dienstag, 8. Februar 2011

Reform, Revolution und Islam

Angesichts der aktuellen politischen Lage in der arabischen Welt scheint es mir angebracht, nochmals auf meine - zugegebenermaßen recht skizzenhaften - Gedanken bezüglich des Zusammenhangs von Demokratie und Islam und der Chancen einer Demokratisierung durch Intervention hinzuweisen, die ich bereits anno 2007 an dieser Stelle beschrieben habe und an denen sich in der Zwischenzeit recht wenig geändert hat.

Eine kleine Ergänzung sei mir jedoch erlaubt: An der grundsätzlichen Problematik der Doppelmoral westlicher Demokratien, die Werte einfordern, die sie selbst in dieser Region (aufgrund mehr oder weniger berechtigter Sicherheitsbedenken) nicht einzuhalten imstande sind, hat sich leider wenig geändert. Es fehlt wohl nicht an Beratern, die das Potenzial der regional sehr unterschiedlichen Situationen langfristig korrekt einzuschätzen wissen, sondern am politischen Willen, diese auch in den politischen Prozesse zu integrieren. Leider scheint sich dies im Fall des ägyptischen Aufstandes wieder einmal zu bestätigen, da EU wie USA zu zögerlich reagierten. Das Fenster, so Joshua Stacher, ist wieder geschlossen und das ägyptische Regime sitzt wieder fest im Sattel.

Ergänzung II: Die Beharrlichkeit und Friedfertigkeit des ägyptischen Volkes hat sich inzwischen ausgezahlt und zum Rücktritt des Präsidenten geführt. Ob  jedoch das System an sich so wandlungsfähig und -bereit ist, wie sich die Demonstrierenden das erhoffen, bleibt angesichts der Kräfteverhältnisse fraglich.

Sonntag, 6. Februar 2011

Als der Tyrann starb,
wurde die Trauer ausgerufen.
Und es kamen viele
zum Begräbnis:
Der Dichter pries seine Sanftmut.
Der Priester lobte seine Güte.
Der Richter sprach von seiner Milde.
Der General rühmte seine Klugheit.
Der Denker unterstrich seine Notwendigkeit.
Der Büttel würdigte seine Geduld.
Nur der Henker war verhindert.
Er mußte auch an diesem Tag
sein Brot verdienen.

(SAID)

Freitag, 4. Februar 2011

Impressionen XIII: Tahrir

 
© AFP
 
turnover

Langour rises reaching, to turn off the alarm
And there's never so much seething
That it can't be disarmed
You just stop it up,
Pass it on
Shove it to shelf it,
To leave it off and turnover
Lounging against your weapons,
Until your muscles find lock
In the ease of that position,
A residue of tremor passes
As some cherie amour suggests
That maybe it was time to smash things up
But just stop it up,
Pass it on
Shove it to shelf it,
To lead it on and turnover
I'm only sleeping

(Fugazi, 1990)

Mittwoch, 2. Februar 2011

Mixtape No. 3: Zorn und Zweifel

1. Shrinebuilder - Science of Anger (2009)
2. Callisto - The Fugitive (2006)
3. Neurosis - Stones from the sky (1999)
4. Isis - The Other (2002)
5. Opeth - When (1998)
6. Metallica - To live is to die (1989)
7. Fugazi - The Kill (2001)
8. Mogwai - Take me somewhere nice (2001)
9. Cursive - A Gentleman Caller (2003)
10. Sonic Youth - Sacred Trickster (2009)
11. Fight from the inside - Delusion of necessity (2009)

...und wie immer das Tape auch als Youtube-Playlist.