Samstag, 22. September 2007

Islam & Demokratie I


In der Diskussion um Demokratiedefizite in islamischen Ländern ist oftmals die Rede von einer grundlegenden Unvereinbarkeit von Islam und Politik, nicht selten gar von einem kulturellen Kampf der westlichen Zivilisation gegen die orientalisch-muslimische Barbarei (à la Huntington). Ein oberflächlicher Blick auf den islamischen Kulturkreis scheint dieses Vor-Urteil zunächst auch zu bestätigen: kein islamisches Land – vom Sonderfall Türkei und dem äußerst fragilen Indonesien einmal abgesehen – ist demokratisch.

Auf der anderen Seite jedoch sind es nicht zuletzt die westlichen Regierungen, die vermehrt auf Demokratisierung islamischer Länder mittels kriegerischer Mittel setzen. Mit welchen Problemen solche missionarischen Demokraten zu kämpfen haben, zeigen nicht zuletzt die Zustände in Afghanistan und im Irak. Und wiederum sind es in diesen Ländern – wie es scheint – religiös motivierte Kämpfer, die der Etablierung einer Demokratie entgegen treten, auch wenn die Motive und Rechtfertigungen ihres als solchen bezeichneten Befreiungskampfes in der westlichen Welt kaum vernommen und noch weniger verstanden werden. So wird aus mangelndem Wissen Ablehnung – die Vorurteile gegen den Islam, die Muslime (und damit auch gegen die eigenen Mitbürger) verhärten sich: Islam und rechtsstaatliche Demokratie seien nicht vereinbar. Dabei ist fundiertes Wissen über die äußerst heterogene islamische Staatenwelt und deren Gesellschaften selbst in der Wissenschaft schwer zu finden. Stattdessen dominieren Vorurteile, Arroganz und Angst.

Dabei schließe ich mich durchaus selbst in diese Kritik mit ein, doch mein Vor-Urteil ist äußerst ambivalent. Problematisch erscheint mir einerseits die kriegerische Geschichte Mohammeds, der den Islam zu einer weitaus politischeren Religion als etwa das Christentum gemacht hat und den einigenden Glauben als Mittel zur Vereinigung der zerstrittenen arabischen Stämme nutzte und in Folge dessen zu einer Blütezeit islamischer Großreiche führte. Auch sprechen eine Reihe von Suren – vor allem die medinischen, die oft in deutlichem Widerspruch zu den mekkanischen stehen – eine strenge und intolerante Sprache. Doch fehlt dem Islam eine einigende Instanz, bleibt es letztlich jedem selbst überlassen, ihn zu interpretieren. Zudem hält das Hocharabische, in dem die Originaltexte verfasst sind, einige Tücken für Leser wie Übersetzer bereit, da (wie im Hebräischen) die Vokale nicht geschrieben werden. So bleiben viele Stellen selbst im Original in unterschiedlichster Weise interpretierbar. Gleiches gilt für die Scharia, die eine Vielzahl zum Teil widersprüchlicher Traditionen in sich vereint.

Deshalb bin ich jenen gegenüber äußerst misstrauisch, die stets von DEM Islam reden, da es eben nicht eine, sondern viele Spielarten des Glaubens gibt und diese Religion genauso widersprüchlich ist, wie alle anderen Schriftreligionen. Dennoch wäre es an der Zeit, sich näher mit den Grundlagen jenes Glaubens - dem doch immerhin geschätzte 1,4 Milliarden Menschen anhängen - auseinanderzusetzen...

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Was das "Demokratiedefizit" angeht: Eine von mir sehr geschätzte Person meinte einmal, dass es vielleicht die letzte und bitterste Lektion für den Westen eben darin bestehe, dass die Werte, wie sie die - eurozentrische - Aufklärung bis dato hervorgebracht hat, global schlicht nicht "durchsetzbar" sind.
Hieraus den berühmten "Kampf der Kulturen" abzuleiten, erscheint mir allerdings etwas abwegig.