Dienstag, 5. Oktober 2021

Die alten Wurzeln der Neuen Rechten

Was sind die intellektuellen Ursprünge der Neuen Rechten? Welchen Einfluss hatte sie auf die Entwicklung von Frankreich und Deutschland in der Nachkriegszeit? Und was bedeutet dies für die aktuelle politische Situation? Damit beschäftigt sich diese Arte-Doku von Autor und Regisseur Falko Korth. 

Sie zeichnet dabei eine (metapolitisch durchaus erfolgreiche) Linie von Ernst Jünger über Armin Mohler bis zu Alexander Gauland beziehungsweise von Mohler über Alain de Benoit bis zu Jean-Marie Le Pen. Einige Akteure der Neuen Rechten kommen dabei auch zu Wort.

Sonntag, 3. Oktober 2021

MIxtape No. 21: ...und am siebten Tag ließ Gott die Seele baumeln - und hörte dieses Album.

Dieses Mixtape ist eine Reise in die musikalische und persönliche Vergangenheit - entstanden an einem denkwürdigen Abend im Spätsommer des Jahres 2002. Leider sind nicht mehr alle Songs, die auf der Kassette landeten, digital verfügbar. Die Kassette gibt es aber noch, wie folgendes Foto beweist. 


Und diese Titel schafften es damals auf das 90-Minuten Tape der Marke BASF (FE1):

A-SEITE:
1. Miles Davis: Black Satin (1972
2. Die Fantastischen Vier: Reich (1992)
3. Prefab Sprout: Bonny (1985)
4. David Bowie: Wild is the wind (1976)
5. Cat Stevens: Two fine people (1975)
6. Bob Dylan: Hazel (1974)
7. Joni Mitchell: Roses blue (1969)
8. Tori Amos: Bells for her (1994)
9. Iso 68: Rückkreuzung (2000)
10. Wenn: Flutes of Chi (2000)
11. Kulturni Programm: Easy driving (2001)
12. Frank Zappa: Igors Boogie, Phase one (1970)
13. Franz Zappa: Overtoure to a holiday in Berlin (1970)

B-SEITE
14. Pulser SG: Trucker love (2001)
15. Harald "Sack" Ziegler: Toy tech two (2002)
16. Foyer des Arts: Ein Haus auf den Knochen von Carry Grant (1984)
17. Stella: Words sane like dirt (1998)
18. Fiona Apple: Sleep to dream (1996)
19. Kirmes: Jazz Hollywood (2001)
20. Die Sterne: Verregneter Sommer (1989)
21. Nick Cave and The Bad Seeds: Fifteen feet of pure white snow (2001)
22. Ming: Subculture (2001)
23. Depeche Mode: Comatose (2001)
24. Aphex Twin: Nannou (1999)
25. Tom Waits: God's away on business (2001)
26. Franz Zappa: Why does it hurt when I pee? (1979)

Das Mixtape gibt es hier (mit einigen leider fehlenden Stücken) als Youtube-Playlist. 


Samstag, 24. April 2021

In meiner Heimat leb ich nicht mehr gern

In meiner Heimat leb ich nicht mehr gern,
Buchweizen ruft, aus Weiten, endlos großen.
Ich laß die Kate Kate sein, bin fern,
ich streun, ein Dieb, umher im Heimatlosen.

Tag, wie dein Licht sich lockt, so will ich gehn,
im Irgendwo will ich zur Ruh mich setzen.
Was mir bevorsteht, Freund, ich kanns schon sehn:
ich seh am Stiefelschaft dich’s Messer wetzen.

Die gelbe Straße, vor mir läuft sie hin,
der Frühling, er läuft mit, das Wiesenblond, die Helle.
Den Namen grub ich tief in meinen Sinn,
und die ihn trägt, sie jagt mich von der Schwelle.

Ich weiß, mich führts zurück zu Vaters Haus –
Mein ganzer Trost: daß fremde Herzen hüpfen . . .
Ein grüner Abend kommt, ich zieh die Jacke aus,
am Ärmel mich ans Fensterkreuz zu knüpfen.

Die Weiden hängen grau, das Zaungeflecht
steht schief – sie müssen Kummer haben.
Mich Ungewaschnen bettet man zurecht,
die Meute bellt – sie haben mich begraben.

Und oben schwimmt der Mond, er schwimmt und schwebt,
und läßt, wo Seen sind, seine Ruder fallen.
Und Rußland lebt, wie’s immer schon gelebt:
am Zaun, da tanzt es, und die Tränen rollen.

(Sergej Jessenin)

Sonntag, 4. April 2021

Ein Abgrund, in den geschaut werden muss

Selten hat mich ein Radio-Beitrag mehr beschäftigt als dieser. Weil er ein Tabu behandelt, das entweder totgeschwiegen oder über das reißerisch skandalisiert wird. Eines, das aber zugleich so alltäglich ist, dass es verwundert, wie selten offen darüber gesprochen wird. 

Es geht um Kindesmissbrauch, der kein Phänomen von Randgruppen ist, sondern in der Mitte der Gesellschaft stattfindet - und das leider massenhaft (oft übrigens gar nicht mal aus pädophilen Motiven). In den allermeisten Fällen geschieht es von der Öffentlichkeit verborgen im nahen und nächsten Umfeld: der Familie, dem Sportverein, dem Freundeskreis. Immer häufiger bleiben diese Verbrechen nicht im Verborgenen, sondern werden dokumentiert, geteilt, verkauft. 

WDR 5 lässt in dem Radiofeature "Abgrund Kinderpornografie" eine Betroffene zu Wort kommen, die nicht nur vor ihrem eigenen Schicksal erzählt. Die Protagonistin  (aus verständlichen Gründen nur anonym auftretend), wollte verstehen, was die Täter motiviert - und hat sich dafür in Foren begeben, wo Bilder und Fantasien ausgetauscht werden. Sie hat Kontakt zu Pädophilen aufgenommen. Und sie geht dabei der Frage nach, weshalb diese Gesellschaft das Problem so tabuisiert anstatt offensiv darüber zu sprechen. 

Es fällt in der Tat schwer, sich diesem Thema zu stellen. Zumal die Vorstellung, dass in jeder Schulklasse wahrscheinlich ein betroffenes Kind sitzt, nicht nur schwer erträglich, sondern auch kaum vorstellbar ist. Doch wie bei häuslicher Gewalt handelt es sich eben um ein Verbrechen, das massenhaft geschehen, aber kaum sichtbar und leider auch schwer zu beweisen ist. 

Eine gesellschaftliche Debatte und mehr Aufklärung über das Thema täte deshalb Not. Um Kinder besser zu schützen. Um Pädophilen Wege aufzuzeigen, damit sie nicht irgendwann zum Täter zu werden. Und jene, die aus anderen Motiven (wie Macht und Überlegenheitsgefühle) solche Verbrechen begehen, zu warnen, dass diese Gesellschaft wachsam ist. 

Auch wenn es schmerzt, hinter die Fassaden zu sehen - das ist ein Abgrund, in den geschaut werden muss.

Samstag, 20. März 2021

Impressionen No. LX: Zeichen der Zeit


1,5 Millionen Kubikmeter Trümmer.

Oder Hoffnungsträger?
 
 Wer ist hier wahnsinnig?
 
Ein Feindbild.

Ein Impfdesaster.

Meine Hobbies sind Politik und Drogen.

Oh, sweet fire.

 

Montag, 15. März 2021

Geschichte als Affäre? Über die Kunst des Verisses

Der Verriss ist eine hohe Kunst. Denn Texte so auseinanderzunehmen, dass am Ende der Leser weiß, warum er besser ablassen sollte von einem Buch, das ist stets eine heikle Angelegenheit. Argumente müssen gut begründet und nicht nur durch Animositäten oder den persönlichen Geschmack begründet sein. 

Ein Beispiel fürs Lehrbuch ist diese Kritik von Andreas Wirsching, dem Leiter des Instituts für Zeitgeschichte in München. Sie beschäftigt sich mit einem Werk von Hedwig Richter, Professorin für Neuere und Neuste Geschichte an der Universität der Bundeswehr, ebenfalls in München. 

Akribisch begründet

Ich habe ihr Buch "Demokratie. Eine deutsche Affäre" nicht gelesen. Aber nach dieser vernichtenden und gut begründeten Kritik scheint mir das auch nicht mehr nötig zu sein. Denn akribisch und konzise listet er die Argumente auf, weshalb Richters Sachbuch wissenschaftlichen Standards nicht standhält. Selten habe ich eine lehrreichere Kritik gelesen. (Ob Wersching damit tatsächlich richtig liegt, darüber hat Patrick Bahners in der FAZ gerade eine Feuilleton-Debatte angestoßen.)

Verrisse können aber auch ganz anders aussehen, wie Marcel Reich-Ranicki in einem seiner wohl bekanntesten Texte gezeigt hat. Er thematisiert Martin Walsers Roman "Jenseits der Liebe" - und hier kann ich nahezu jede Zeile unterschreiben. Walser, der später die umstrittene Friedenspreis-Rede halten sollte, hatte damals, Ende der Siebziger Jahre, eine kurze Phase, in der er mit dem Kommunismus liebäugelte. Das Buch ist literarisch schwach, steckt voller Klischees, bleibt völlig unter Walsers Niveau - und ist schon gar nicht vergleichbar mit seinem grandiosen Nachkriegs-Roman "Ehen in Philipsburg", das ich hier einmal kurz rezensiert habe.

Eine vernichtende Kritik

Allein Ranickis einführende Worte sind vernichtend: Er überschreibt den Text vielsagend mit Jenseits der Literatur. Das Buch sei "ein belangloser, ein schlechter, ein miserabler Roman. Es lohnt sich nicht, auch nur ein Kapitel, auch nur eine einzige Seite dieses Buches zu lesen. Lohnt es sich, darüber zu schreiben? Ja, aber bloß deshalb, weil der Roman von Martin Walser stammt, einem Autor also, der einst, um 1960, als eine der größten Hoffnungen der deutschen Nachkriegsliteratur galt – und dies keineswegs zu Unrecht."

Besonders fies: Das Ende verraten

Drittes Beispiel: Michel Houellebecq, der durchaus zu Großem imstande ist (in "Karte und Gebiet" etwa, hier von mir kurz rezensiert), der aber auch ein ziemlich larmoyanter, sexbesessener, alter weißer, reaktionärer Mann ist, wie sein Buch "Serotonin" beweist (hier meine Kurzrezension). Jürgen Ritte fasst in seiner Kritik für den Deutschlandfunk durchaus süffisant alles zusammen, was schlecht daran ist. Und er macht etwas für Autoren ziemlich fieses: Er verrät das Ende des Romans. 

Wer sich für den Totalverriss entscheidet, sollte gute Gründe haben. Und den Mut, sich der Wut des Verfassers zu stellen. Ranicki tauchte später in einem Roman von Walser kaum verhohlen als Figur auf. Er hieß: "Tod eines Kritikers".

P.S. Ein Verriss von mir darf an dieser Stelle natürlich nicht fehlen. Er thematisiert den von mir geschätzten Songwriter Jochen Distelmeyer, der als Literat leider ein Totalversager ist. Ob er gelungen ist? Entscheidet selbst!

Montag, 8. Februar 2021

Das Terrorjahr der Rechten

Die RAF hat sich in die kollektive Erinnerung dieser Republik eingebrannt. Dass es lange vor dem NSU auch längst etablierten Rechsterrorismus in der Bundesrepublik gab, das ist (jenseits des Oktoberfest-Anschlags) jedoch seltsam unterbelichtet. 

Besonders viele Opfer hat das Jahr 1980 hervorgebracht. Doch wer erinnert sich noch an die Deutschen Aktionsgruppen, die im Februar dieses Jahres einen Rohrbomben-Anschlag auf das Haus des Esslinger Landrats verübten? Wer an die rassistischen Morde an Flüchtlingen wie Nguyễn Ngọc Châu und Đỗ Anh Lân in Hamburg? Und wer an den Mord am Verleger Shlomo Lewin?

Rechtsterrorismus ist wahrlich kein neues Phänomen. SWR2 ist dem kürzlich in einem Feature über das "Terrorjahr der Rechten" nachgegangen.


Sonntag, 7. Februar 2021

Kümmelschnaps aufs Leben

 Ein Abend im Seniorenheim mit Olli Schulz. Herrlich:



Sonntag, 3. Januar 2021

Drei Bücher

Cemile Sahin - Alle Hunde sterben (2020)

Im Text wird es kein einziges Mal konkret benannt, aber natürlich handelt Cemile Sahins „Alle Hunde sterben“ von der Verfolgung der Kurden in der Türkei. In rund einem Dutzend Episoden erzählt die deutsche Schriftstellerin abgründige Geschichten aus einer Gesellschaft von Geflüchteten, die in einem Hochhaus im Westen des Landes Unterschlupf findet. Das Buch ist teils rechts drastisch, beleuchtet seine Protagonisten kühl und mit der Schärfe eines Drehbuch-Plots.

 

 
Nikolai Gogol – Die toten Seelen (1842)  

Diese Buch hat mir wohl das Jahr 2020 gerettet (den alten Russen ist das bei mir schon öfter gelungen). Denn es beförderte mich von der hektischen Welt der sozialen Medien und dem Familien-Irrsinn im Lockdown in eine gänzlich andere Zeit. Die Bühne für das Stück bildet das ärmliche ländliche Russland, Mitte des 19. Jahrhunderts, wo wir einen Mann bei seinen irrwitzigen Versuchen begleiten dürfen, Gutsbesitzern in Zeiten von Hunger und Not „tote Seelen“, also Leibeigene abzukaufen, die bereits verstorben waren, auf den staatlichen Listen aber noch aufgeführt waren. Sprachlich herausragend, aber auch urkomisch und daher ein wunderbares Stück Weltliteratur.


Christian Baron - Ein Mann seiner Klasse (2020) 

Christian Baron, Redakteur beim „Freitag“, erzählt in diesem Roman die Geschichte seiner Kindheit in der Arbeiterklasse von Kaiserslautern. Es ist die eines unwahrscheinlichen Aufstiegs aus einem prekären Milieu, geprägt von seinem alkoholkranken, prügelnden Vater und einem Frust auf die Schröder-SPD samt ihrer Agenda-Refomen. Baron berichtet davon, wie ihm der Ausbruch aus dem Milieu gelang, dessen Habitus er (und durchaus auch mit Stolz) aber bis heute nie ganz abgelegt hat. Ein starkes Buch, das in seiner soziologischen Schärfe durchaus mit der „Rückkehr aus Reims“ von Didier Eribon vergleichbar ist.