Sonntag, 26. November 2017

Die schwierige Suche nach einem Atom-Endlager

Der Ausstieg aus der Kernkraft ist längst gesellschaftlicher Konsens. In fünf Jahren wird das letzte deutsche Atomkraftwerk abgeschaltet. Noch völlig ungeklärt ist hingegen die Frage, wo der Atommüll künftig gelagert wird. Über den aktuellen Stand bei der Endlagersuche sprach kürzlich Peter Hocke-Bergler, Experte für Technikfolgenabschätzung, unlängst in Schorndorf.

Eine Million Jahre: Dieser von der Bundesregierung festgelegte Sicherheitszeitraum sprengt die Grenze des menschlich Vorstellbaren. Doch genau so lange muss ein Endlager laut Gesetzgeber sicher sein. Ein Zeitraum, der nicht nur kaum fassbar, sondern auch mit so vielen Unabwägbarkeiten verbunden ist, dass eine wirklich sichere Lösung schier aussichtslos erscheint. Zumal der Müll selbst nach einer Million Jahren nicht völlig ungefährlich ist. Ein Erbe also darstellt, das noch lange nachstrahlen wird.

Wohin also mit dem Atommüll? Auch Peter Hocke-Bergler weiß darauf keine exakte Antwort. Der Sozialwissenschaftler arbeitet am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse in Karlsruhe und ist ein ausgewiesener Experte auf dem Gebiet. Eines zumindest sei seiner Ansicht nach sicher: „Keiner kommt gut raus aus dieser Kiste.“

Denn das Thema Atommüll sei doppelt vertrackt. Zum einen aufgrund der alles andere als trivialen technischen Herausforderungen: Der Müll lasse sich nicht wirklich recyceln, Transport und Lagerung seien aufwendig und gefährlich. Ein Endlager müsse deshalb extrem strengen Sicherheitskriterien entsprechen.

Zum anderen sei das Thema politisch höchst kontrovers. Mag sein, dass es einen Konsens über den Ausstieg gebe – über die Entsorgung sei bislang noch keiner gefunden. Die Endlager-Frage sei für die Politik auch höchst unattraktiv: „In einer Legislaturperiode ist das Problem nicht zu lösen. Es zahlt sich politisch nicht aus.“ Und dann gebe es ja noch die gut organisierte und immer noch mobilisierungsfähige Anti-Atom-Bewegung, die Transporte blockiere und Lagerung verhindern wolle.

Die offene Suche nach einem Endlager hat begonnen

Immerhin, so Hocke-Bergler, habe Deutschland zumindest über den Modus der Suche inzwischen einen politischen Konsens erreicht. Durch die Nuklearkatastrophe in Fukushima und den darauf folgenden endgültigen Ausstieg aus der Atomkraft habe sich die Chance für eine lagerübergreifende politische Lösung ergeben. 2013 wurde vom Bundestag schließlich das Standortauswahlgesetz verabschiedet, das in die Einsetzung einer Experten-Kommission und die Suche nach einem Endlager für radioaktive Abfälle mündete.

Eine Suche, die bewusst sehr offen gehalten wurde. Lediglich der Standort Gorleben galt als zur Prüfung gesetzt. „Extrem ungewöhnlich und gut“ sei dies gewesen, so Hocke-Bergler. Der Wissenschaftler hofft nun auf einen möglichst fairen Auswahlprozess.

Wichtig sei zunächst eine gute technische Lösung. Realistischerweise gebe es da nur drei Optionen: die wartungsfreie Lagerung in der Tiefe (im Salzstock, Ton- oder Granitboden), eine Tiefenlagerung mit Wartungsmöglichkeit oder die Langzeitlagerung an der Oberfläche. Hundertprozentige Sicherheit böte keine dieser Optionen. „Auch Salzstöcke sind nicht besonders sicher – nur tief unten.“ Und weil sie schon Millionen Jahre überdauerten, ginge man davon aus, dass dies auch in Zukunft so bleibe. Ein klassischer Analogieschluss und damit eine reine Wette auf die Zukunft.

Die schiere Menge - Greenpeace schätzt diese in Deutschland auf rund 15 000 Tonnen - sei nicht das Problem. Die große Herausforderung: Radioaktive Behälter strahlen und geben sehr viel Wärme ab. Was genau bei der Lagerung über die Jahrtausende passiere, könne daher niemand mit Sicherheit vorhersagen.

Was bekommt die Region, in der das Endlager schließlich stehen wird?

Bei der Endlager-Suche sei aber nicht alleine die Technik entscheidend. „Wichtig ist auch stets die Frage: Was bekommt die Region, in der das Endlager stehen wird?“ Die Politik müsse genau darauf schauen. Um einen verfestigten Konflikt, wie er in Gorleben seit 40 Jahren tobt, zu verhindern, sei Bürgerbeteiligung dringend erforderlich.

Insgesamt sieht Peter Hocke-Bergler Deutschland aber auf einem guten Weg. Vieles werde nun davon abhängen, wie sich die politische Kultur entwickle, und vor allem, mit welchem Selbstverständnis die Bürger dieser Herausforderung begegnen.

Bis dahin dürften, so vermutet es der Experte, aber noch einige Jahrzehnte ins Land ziehen. Vor 2050 sei nicht mit der Inbetriebnahme eines Endlagers zu rechnen. Der Transport von den Zwischenlagern werde nochmals Jahrzehnte in Anspruch nehmen. „Die Geschichte der Kernenergie ist also noch lange nicht vorbei.“

(Eine andere Version dieses Textes erschien am 9.10.2017 in den Schorndorfer Nachrichten)

Freitag, 17. November 2017

Flüchtige Notizen IX: Democracy

4/9/2002:

Widerspiegelung

Ich seh mich wieder groß an meinen Grenzen
Aufgetaucht ich hatte mich vergessen.
Vogel, flugs die Grenzen zu verwunden,
Frohlocke ich, die Spiegelscherben glänzen.
Ich hungerte, jetzt will ich wieder essen:
Dies Manna der Verletzungen, die munden.

(Elke Erb, 1991)

Die 79-jährige Lyrikerin erhält in diesem Jahr den Mörike-Preis der Stadt Fellbach.

Montag, 13. November 2017

Mixtape No. 14: Low Life

1. The Tower - Motorpsycho (2017)
2. Star roving - Slowdive (2017)
3. Hey du - Tocotronic (2017)
4. Exalted - Thurston Moore (2017)
5. L.A. won't bring you down - Miles Mosley (2016)
6. Blue light - Kelela (2017)
7. Lift - Radiohead (1996)
8. Svefn-g-englar - Sigur Rós (1999)
9. Te Deum - Arvo Pärt (1984)
10. Trois gymnopédies - Eric Satie (1888)

...und hier die ganze Youtube-Playlist.