Freitag, 23. Februar 2018

Lokalpolitik als Farce

Im Remstal wird gerade vielerorts ein neuer Bürgermeister gewählt. Eine eigentlich normale, kaum erwähnenswerte Sache in einer Demokratie, die hier auf der kleinsten Ebene Bürger mitenscheiden lässt. Doch vor allem in einer Kommune ist gerade gar nichts mehr normal.

In diesen stürmischen Zeiten, da ein Mann mit dem Verstand eines Siebenjährigen das mächtigste Land der Welt regiert, im Bundestag Abgeordnete sitzen, die nach der Rede einer Auschwitz-Überlebenden nicht applaudieren und die einem deutschen Journalisten eben das absprechen (nämlich Deutscher und Journalist zu sein), ist offenbar vieles möglich, was noch vor kurzem undenkbar schien.

Und so entpuppten sich auch die Bürgermeisterwahlen in der Gemeinde Plüderhausen, die seit 32 Jahren von einem Parteilosen regiert wird, schnell als ein unerwartetes, bisweilen bizarres Spektakel, das es in dieser Form in dieser Gegend zuvor wohl noch nie gegeben hat. Und dem man als Beobachter bisweilen fassungslos gegenüber stand.

Der kleine Trump und die großen Verschwörungen

Es traten auf: ein illustrer Unternehmer, der mit Erotikclips reich wurde, einst einen Fernsehsender mit viel Esoterik und Narzissmus betrieb, sich seit geraumer Zeit mit "Seine Heiligkeit" ansprechen lässt und zugleich das Vereinigte Heilige Deutsche Königreich ausgerufen hat (ein immaterielles Reich, wohlgemerkt). Der SWR nannte ihn, der sich selbst als "Christbuddhist" bezeichnet, deshalb kürzlich den "Trump von Plüderhausen".

Des weiteren eine Dame, die eigentlich Bundeskanzlerin werden möchte, sich aber in mittlerweile rund 50 Gemeinden um das Bürgermeisteramt bewirbt. Die nicht nur Pizzagate für wahr hält, sondern auch an vergleichbare Verschwörungen in Deutschland glaubt. Im Internet mit zahlreichen skurrilen Videos präsent ist. Und wenn sie denn gewählt werden sollte, eigentlich nur eines verspricht: nicht regieren zu wollen. Die sich mit jenem illustren Unternehmer verbündete, eine Doppelspitze ankündigte, nur um kurz vor der Wahl dann mit "seiner Heiligkeit" zu brechen.

Außerdem ein Herr, der sich bereits mehrfach erfolglos um ein solches Amt beworben hat, aus dem Badischen stammt und von allen Mitbewerbern am ehesten als seriöser Kandidat gelten darf. Offensichtlich aber weder das Format noch die Kompetenz für das Amt mitbrachte.*

Ganz anders hingegen jener bereits erwähnte Unternehmer. Dieser gebierte sich während des Wahlkampfs als Aufklärer, witterte Verschwörungen zwischen Presse und Bürgermeister, verlangte aber für einen Auftritt bei einer Wahlveranstaltung der Lokalzeitung 75 000 Euro Gage - und verweigerte, weil er diese nicht bekam, den Platz auf der Bühne, blieb stattdessen beleidigt in der ersten Reihe sitzen. Im Anschluss erklärte er dann mehrfach, doch nicht Bürgermeister werden zu wollen. Belagerte aber trotzdem nahezu täglich das Rathaus, filmte dort mit dem Smartphone und stellte die Aufnahmen ungefragt ins Netz. Zeitgleich bewarb er sich in der Nachbargemeinde um das höchste politische Amt.

Stellenweise glich dieser Wahlkampf einer schlechten Seifenoper. Wir dürfen gespannt sein, ob sich im Nachbarort bald vergleichbares anbahnt. Denn auch dort hat sich neben dem Unternehmer die Dame mit den skurrilen Videos beworben.

Um eines klarzustellen: All das ist in einer Demokratie durchaus erlaubt. In kleinen Kommunen kann sich quasi jeder (auch ohne Unterschriften von Unterstützern) auf das Amt des Bürgermeisters bewerben. Und dass sich viele Bewerber finden, ist an sich auch ein gutes Zeichen. Lokalpolitik wird aber in dem Moment zur Farce, wenn von den Kandidaten kaum einer die Kompetenz und das nötige Verständnis für die Aufgaben eines Schultes hat.

Bürgermeister - eigentlich kein attraktiver Job

Denn: Eine Kommune zu führen ist in den seltensten Fällen ein Amt, in dem man glänzen kann. Große Projekte sind die Ausnahme, dafür hohe Schulden eher die Regel. Hinzu kommen die Vorgaben aus höheren politischen Ebenen und der Umstand, dass die Gemeinderäte stets das letzte Wort haben, duchzuregieren also in den seltensten Fällen möglich ist. Dafür sind Bürgermeister häufig abends und am Wochenende unterwegs, haben lange Gemeinderatssitzungen und müssen sich schnell in komplizierte juristische Fachbereiche einarbeiten.

Kurz gesagt: Bürgermeister zu sein ist (von der ordentlichen Bezahlung abgesehen) eigentlich kein besonders attraktiver Job. Dass sich immer häufiger Kandidaten um das Amt bewerben, die dafür offensichtlich nicht qualifiziert sind, zeugt von einem Verständnis von Politik, lokaler zumal, das wenig mit der Realtität zu tun hat.

Die Krise der Demokratie, die auf den höheren politischen Ebenen längst offensichtlich ist, hat, das verdeutlicht das Beispiel Plüderhausen, auch die Kommunen erreicht. Was kein gutes Zeichen für den Zustand dieser Republik ist. Es wäre dem Amtsinhaber (und vor allem der Gemeinde) ein Wahlkampf mit ernst zu nehmenden Mitbewerbern zu wünschen gewesen. Bleibt nur zu hoffen, dass am Ende die politische Klugheit bei allen Beteiligten siegt. Der Demokratie und den Bürgern wäre damit allemal geholfen.

Nachtrag:
Hat die politische Klugheit gesiegt? Entscheidet selbst

*...und danach nicht einmal die Größe, seine Niederlage auch einzugestehen und dem Sieger zu gratulieren...

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