Deutschlands
neue Konsensband hört auf den Namen Annenmaykantereit. Die Kölner
Ex-Straßenmusiker haben den Mainstream erobert. Und mit "Alles nix
konkretes" nun auch ein Album veröffentlicht, das prompt auf Platz 1 der
Album-Charts landete. Was ist dran am Hype?
Diese
markante Stimme, zwischen Dröhnen und Röhren, war in der deutschen
Musik lange Zeit nicht mehr zu vernehmen. Schon gar nicht von so einem
schmalen, jungenhaften Mann. Diese Stimme erinnert entfernt an Rio
Reiser, stärker noch an Klaus Lage, in ihren besten Momenten auch an den
jungen Tom Waits. Sie gehört Henning May, dessen Sehnen sich beim
Singen anspannen als würden sie gleich platzen. Die Stimme träumt von
einer Zwei-Zimmer-Altbauwohnung, erzählt vom studentischen WG-Leben,
davon "barfuß am Klavier" zu sitzen. Umrahmt wird sie von gefälligem
Folk-Pop.
Angefangen als Straßenmusiker
Vor fünf Jahren starteten Annenmaykantereit - benannt nach den Namen
der drei Gründungsmitglieder - als Straßenmusiker. Später begannen sie
damit, sich zu filmen und die an Kölner Straßenecken gedrehten Videos auf Youtube
zu stellen. In Eigenregie produzierten sie 2013 das inzwischen
vergriffene Album KMT. Auch ihre ersten professionellen Musikvideos
drehte die Band selbst. Über den eigenen Youtube-Kanal vergrößerten sie
damit rasant ihre Anhängerschaft. Auf der Plattform sind sie längst
schon Stars. Alleine "Barfuß am Klavier" wurde dort bereits zwölf Millionen Mal angeschaut. Im Herbst 2015 folgte dann der Major-Deal.
"Du hast mich angezogen, ausgezogen, großgezogen / Und wir sind umgezogen, ich hab dich angelogen! / Ich nehme keine Drogen / Und in der Schule war ich auch". Mit diesen Worten beginnt "Alles nix konkretes", das Major-Debüt der neuen deutschen Pop-Hoffnung. Den Song "Oft gefragt" hat Henning May für seinen Vater geschrieben. Schon Monate zuvor geisterte er durchs Netz. Im Dezember 2014 präsentierte ihn die Band in der Fernsehsendung Circus Halligalli.
Es ist das wohl stärkste Stücke des Albums und beschreibt eine behütete Kindheit, die dennoch irgendwann nach Abgrenzung verlangt. Stark ist auch die Ballade "Barfuß am Klavier". Dazwischen findet sich viel Mittelmaß, viel beschauliche Innerlichkeit. Vor allem jene Songs, die zuvor noch nicht im Netz kursierten, können nicht so recht überzeugen.
Geschichten aus dem WG-Leben
Überhaupt scheint der Band-Kosmos vor allem betulich um sich selbst
zu kreisen: um die netten Geschichten aus dem WG-Leben, den billigen
Wein und die selbst gedrehten Zigaretten. Der größte Traum: eine Altbauwohnung,
"zwei Zimmer, Küche, Bad und ’n kleiner Balkon". Worauf tatsächlich der
Reim folgt: "Ich würde auch manchmal morgens Brötchen holen". Nicht
umsonst hat der Rolling Stone die Band als "das Spießigste jenseits von
Bausparverträgen" bezeichnet.
Genau hier liegt das Problem von Annenmaykantereit: Die Träume der
Nachwuchs-Musiker sind so bescheiden, so nett, so harmlos. Und so klingt
dann auch die Musik. Moses Schneider, bekannt als Hausproduzent von
Tocotronic, hat zwar gute Arbeit geleistet. Es ist ihm gelungen, den
Straßenmusik-Charme zumindest ansatzweise auf das Album zu retten.
Abgesehen von Henning Mays rauer Stimme ist die Musik aber so
glattgebügelt, dass sie garantiert auf keiner Radiostation aus dem
Format fällt.
Was ist also das Interessante an der Band? Es ist nicht so sehr ihre
Musik, es ist die Geschichte dahinter. Denn im Grunde geht es bei
Annenmaykantereit ja nicht nur um Altbauwohnungen, zebrochene Liebe und
billigen Wein. Die Band erzählt von der Befindlichkeit einer Generation,
die sich nicht groß um die Veränderung der Welt schert. Die nicht mit
ihr hadert, sich vielmehr genügsam in ihr einrichtet. Und die auch kein
Problem damit hat, nett zu sein. Musikalisch lässt das für die Zukunft
leider nicht allzu viel erhoffen.