Seit
dieser Woche beschleicht mich ein ungutes Gefühl. Denn nicht nur in
Rudersberg, wo ich beruflich häufig bin, gibt es zwei bestätigte
Corona-Fälle. Auch Weinstadt hat seit Freitag seinen ersten bestätigten
Fall. Und in beiden Orten sind große Schulen betroffen. Erst am Freitag
wurde Südtirol zum Risikogebiet erklärt. In Weinstadt müssen deshalb
jetzt
250 Schüler dem Unterricht fernbleiben. Das Schulzentrum
Rudersberg hat
noch bis Dienstag den Betrieb eingestellt. Richtige
Entscheidungen. Allerdings hatte das hochansteckende Virus bis dahin
genügend Zeit, sich munter auszubreiten. Und das an Orten, wo sich sehr
viele Menschen aufhalten.
Dass Südtirol zur Gefahr werden
könnte, war bereits Anfang der Woche abzusehen. Auch dass Corona auf uns
zukommt, ist seit Wochen klar. Doch die Behörden reagieren erst jetzt
und, wie ich finde, immer einen Tick zu spät. Da ich Verwandtschaft in
China habe (die uns inständig darum gebeten hat, nur noch rauszugehen,
wenn es unbedingt nötig ist, und wenn, dann mit Maske), weiß ich, was in
den kommenden Wochen möglicherweise dräut.
Deutschland reagiert zu langsam
Denn wie China, wo
das Problem zunächst unterdrückt, dann unterschätzt wurde, reagieren
auch wir in Deutschland viel zu langsam. Im Gegensatz zu uns hat die
Volksrepublik aber an einem entscheidenden Punkt
die Notbremse gezogen
und die wohl drastischste kollektive Quarantäne der Geschichte
verordnet. Seit vier Wochen findet kein wirkliches öffentliches Leben
statt. Mit dem Ergebnis, dass es dort inzwischen weniger Neuinfektionen
gibt als in Deutschland. Und tausende Menschenleben gerettet wurden.
Die Weltgesundheitsorganisation hat diese Maßnahmen kürzlich
ausdrücklich gelobt und zur Nachahmung empfohlen, zugleich aber auch
darauf hingewiesen, dass in anderen Ländern die nötige
Geisteshaltung für solch krasse Alltagseinschränkungen wohl fehlt.
Nicht der Virus, die Epidemie ist das Problem!
Nein, ich möchte hier sicher keine Panik verbreiten. Und ich habe auch
keine Angst vor dem Virus - zumal ich nicht zur Hochrisikogruppe gehöre.
Das Problem ist aber, dass es hochansteckend ist - und das auch bei
Personen, die noch keine Symptome zeigen. Das Problem ist daher vor
allem die Epidemie, die auf uns zurollt. Im Ostalbkreis ist schon nach
dem zweiten bestätigten Fall zu sehen, welche Auswirkungen das haben
könnte. Denn es war auch eine Krankenpflegerin betroffen, weshalb
insgesamt
zwölf Pflegekräfte unter Quarantäne stehen und die
Intensivstation am Virngrundklinikum Ellwangen um vier Betten reduziert
werden musste. Und das wegen einem Fall!
Auch der Rudersberger
Arzt befindet sich
vorsorglich noch in Quarantäne. Man mag sich gar
nicht ausmalen, wie unser ohnehin kaputt gespartes Gesundheitssystem in
die Knie gehen wird, wenn sich das Virus, so wie es momentan aussieht,
schnell und exponentiell ausbreitet. Auch das lässt sich aus China
lernen: Den Preis hätten dann nicht nur die Corona-Patienten zu zahlen,
sondern alle, die chronisch krank und auf ein funktionierendes
Gesundheitssystem angewiesen sind.
Daher ist es jetzt auch in
Deutschland an der Zeit, drastischere Maßnahmen zu ergreifen. 14 Tage
Corona-Ferien etwa, wie von Virologe Alexander Kekulé jüngst gefordert.
Die Absage aller Großveranstaltungen. Fußball-Bundesliga ohne Publikum.
Mehr Tests. Ausreichend Schutzausrüstung für das klinische Personal. Und
nicht zuletzt bedarf es auch eines geschärften Bewusstseins für die
Risiken in der Bevölkerung.
Update: Dieser Beitrag ist jetzt in aktualisierter Version in
der Lokalzeitung erschienen.