Donnerstag, 31. Juli 2025
Mittwoch, 30. Juli 2025
Große Auftritte auf denkbar kleiner Bühne
Ein Büro, eine Band und eine gute Viertelstunde Zeit - mehr braucht es nicht für diese Konzertreihe. Seit inzwischen 17 Jahren stellt sie NPR Music in schöner Regelmäßigkeit ins Netz. (Ja, genau jener teils öffentlich finanzierte Radiosender, dem Trump bald den Hahn abdrehen möchte, weil ihm dessen Berichterstattung zu kritisch ist.) Waren es in den ersten Jahren vornehmlich Folk- und Indiebands, die dort ein passendes Forum fanden, erweiterten sich die Genregrenzen mit der Zeit spürbar - und zur Bereicherung dieses Formats. Die Rede ist natürlich von den "Tiny Desk Concerts", die sich mittlerweile der Zahl von 2000 Auftritten annähern. Und immer wieder sind echte Perlen darunter.
Die Idee entstand nach einem misslungenen Festivalerlebnis
Entstanden ist die Reihe übrigens einst, weil Bob Boilen von einem Konzert recht enttäuscht war. Der Host von "All songs considered", einem wöchentlichen Podcast des US-amerikanischen Senders, bekam nämlich wegen des lärmenden Publikum nicht viel von Laura Gibsons Auftritt beim "South by Southwest" mit. Stephen Thompson, der ihn begleitete und ebenfalls bei dem Sender tätig ist, meinte scherzhaft, dass er Gibson doch einfach an seinem "tiny desk", also dem Sendepult, auftreten lassen sollte. Aus dem Scherz wurde eine Idee, wurde Wirklichkeit, und schließlich eine ganze Reihe. Klein, kurz und intim sind die Auftritte - und sie erscheinen seitdem im Wochentakt, manchmal auch häufiger.
Klein und intim blieb die Reihe in all der Zeit, entwuchs als aber über die Jahre der Nische, aus der sie kam. Als in der Pandemie Auftritte dieser Art zwangsweise zur Regel wurden, war das Format längst etabliert.
Zwei Auftritte, die in dieser Reihe herausragen
Nicht alle Bands und Musiker wussten die Vorzüge dieses kompakten Settings zu nutzen. Viele gewannen aber dadurch an Statur. Und einige Musiker stechen mit ihren Auftritten dabei recht deutlich heraus. Anderson Paak etwa, der vor mittlerweile acht Jahren zu Besuch war, damals vornehmlich als Rapper unterwegs war (und später als "Silk Sonic" eine recht erfolgreiche Kollaboration mit Bruno Mars begann), hier aber zeigen konnte). Er konnte zeigen, dass in ihm und seinen Stücken weit mehr steckte als auf den Platten hörbar war. Dessen Songs hier glänzten, und der als dauergrinsender Schlagzeuger mit seinen "Free Nationals" zu überzeugen wusste. Dieses 15-Minuten-Konzert ist eines, das völlig zurecht inzwischen 117 Millionen Aufrufe hat - darunter mindestens zwei Dutzend von mir.
Nicht weniger eindrucksvoll war Doechii, die vor sieben Monaten dem Desk einen Besuch abstattete. Ihr ohnehin starkes Album "Alligator bites never heal", aus dem sie mehrere Stücke zum Besten gab, ließ bereits erahnen, dass hier ein großes Rap-Talent diese kleine Bühne betreten wird. Was Jaylah Ji’mya Hickmon dann allerdings mit ihrer zehnköpfigen Band in 23 Minuten und 40 Sekunden präsentierte, war dann noch einmal deutlich mehr - und auch deutlich besser. Wie Paak gewann die Musikerin durch das Setting, eine kluge Instrumentierung und eine wirklich gute Band, die alles andere als im Hintergrund agierte, deutlich an Statur.
Weshalb die Reihe funktioniert: Eine mögliche Erklärung
Leider ist es ja so: Konzerte oder Festivals sind heute mehr denn je kommerzielle Veranstaltungen, müssen das sein, weil Musiker vom Verkauf ihrer Alben (oder gar den lächerlich geringen Erlösen durch Streams) nur in den seltensten Fällen leben können. Ohne Publikum und im Büro eines Nischenradios spielt dieser kommerzielle Aspekt indes keine Rolle mehr. Hier muss niemand ein Spektakel darbieten, sondern einfach seine Musik darbieten. Vielleicht ist genau dies ja auch das Erfolgsrezept hinter den "Tiny Desk Concerts", die längst Nachahmer gefunden haben (man denke etwa an die KEXP Live Performances). Man darf dem lärmenden Publikum beim "Southwest" anno 2008 dafür durchaus dankbar sein.