Donnerstag, 29. März 2007

Die herrschende Klasse...


Das herrschende System = das System der Herrschenden? Wie lässt sich das System der Reproduktion von Macht durchbrechen? Und ist das überhaupt sinnvoll? Was passiert mit der Ordnung, wenn ihre Eliten sich nicht mehr reproduzieren, gar abgeschafft werden? Stabilität und Wissen gehen verloren, dafür wird neuen Ideen Platz gemacht, die Gesellschaft öffnet sich, wird flexibler, etwas anarchischer, aber auch besser?
DIE Streitfrage zwischen Konservativen und Liberalen (als Sammelbegriff für alle an Veränderung Interessierten/Progressiven) – aber so einfach zu lösen ist sie nicht, und nicht selten werden Progressive, haben sie einmal Blut geleckt, zu glühenden Verteidigern des Konservatismus. Zudem sind die Begriffe so kontextabhängig, dass eine eindeutige Bestimmung schwer fällt.
Genauso schwer fällt es mir, mich im Moment politisch zu verorten. Im Politischen hat beides seine Berechtigung, und wie immer ist eine gesunde Mischung aus den Antipoden das Sinnvollste. Aber wie hat man sich denn bitte einen reaktionär-progressiven Liberal-konservativen vorzustellen? Solche Menschen werden Künstler, heißen Bob Dylan oder Neil Young, das Geschäft der Politik bleibt (mal ganz undifferenziert in den Raum geworfen) eindimensionalen, kurzfristig agierenden, dem Machtkalkül versessenen Menschen vorbehalten.
Und was ist mit der KULTUR? Die Gefahren jeglicher Extreme sind offenbar, aber lassen sich bestimmte politische Verhaltensregeln (etwa Toleranz, Freiheitlichkeit oder Pluralismus) denn überhaupt beliebig übertragen? Wird der Liberale nicht zwangsläufig (wenn auch ungewollt) zum Kulturimperialisten? Wird er nicht im Diskurs ebenso zum Dogmatiker, wenn er seine Werte – erscheinen sie uns westlich-demokratisch geprägten Menschen auch noch so human - absolut setzt?
Und über Werte streiten? Das ist ein Fall für die Philosophie – hier lässt sich nichts auflösen. Und was sagte Nietzsche über das Philosophieren: "Wer aber die Grundtriebe des Menschen daraufhin ansieht, wie weit sie gerade hier als i n s p i r i e r e n d e Genien (oder Dämonen und Kobolde -) ihr Spiel getrieben haben mögen, wird finden, dass sie Alle schon einmal Philosophie getrieben haben, - und dass jeder Einzelne von ihnen gerade s i c h gar zu gerne als letzten Zweck des Daseins und als berechtigten H e r r n aller übrigen Triebe darstellen möchte. Denn jeder Trieb ist herrschsüchtig: und als s o l c h e r versucht er zu philosophiren." Wird so nicht letztlich alle Politik zur Philosophie, unentrinnbar gefangen in einem Netz aus Werten und Lebensentwürfen, bleibt uns also nicht mehr als das, was der gute Sokrates schon erkannte? Nein.
Aber ohne Gott kann es doch nichts Absolutes, nichts Transzendentales geben, bleibt der Mensch stets in sich selbst gefangen, in seinen relativen, inkonsequenten, wandelbaren und sterblichen Werten und Normen, nur Bruchstücke, nichts Ganzes? Nur mit Hilfe der Konstruktion eines Göttlichen, Übernatürlichen scheint es möglich, die menschliche Fehlbarkeit zu überwinden! Gleichzeitig jedoch muss der Mensch sich von Gott lösen, möchte er nicht blind durch die Welt laufen. Denn Gott erhöht und entmündigt ihn zugleich.
Was das alles mit liberalem Denken zu tun hat? Nunja, die Aufklärung ließ Gott in den Hintergrund treten, an seiner Statt sollte die Vernunft treten, die jedem Menschen innewohne und derer er sich nur zu betätigen brauche, um sich von seiner Unmündigkeit zu befreien. Vernunft- und Menschheitsglaube sind zutiefst liberal, wohingegen der Konservatismus Vernunft gering schätzt, sie im Gegenteil für eine Gefahr hält, und die Menschen stets vor sich selbst beschützen möchte, womit er sie letztlich in ihrer Unmündigkeit belässt.
Die für mich grundlegende Frage des Politischen lautet also: SIND DIE MENSCHEN FÄHIG ZUR MÜNDIGKEIT – UND WOLLEN SIE DAS ÜBERHAUPT? Solange ich diese Frage nicht eindeutig beantworten kann, bin ich auch nicht imstande, mich politisch eindeutig zu verorten. Und erst aus der Bejahung beider Fragen kann ernsthafte Kultur- und Systemkritik folgen. Denn was ist schon ein revolutionäres Subjekt wert, das seine Kraft aus der Unmündigkeit zieht?
Ich bin kein Revolutionär, höchstens Sofasesselsozialist, versuche, die Widersprüche zu sehen – und das auf beiden Seiten. Das lähmt mich. Führt also (meine vermeintliche) Mündigkeit zur Passivität, zur reinen Beobachterperspektive, gar zum Fatalismus? Nein. Im besten Falle führt sie zu einem Wandel der Mittel, zu intelligenterer, pragmatischerer „Kriegsführung“, sie erst ermöglicht wahre Politik FÜR das Volk, für die MENSCHEN, für ALLE Menschen?
NUR: Mündigkeit alleine macht die Menschen nicht weniger egozentrisch, egoistisch, narzisstisch und anfällig für Verblendungen. Wir sind ja keine Götter – und spätestens hier drehen wir uns wieder im Kreise. Mein Denken reicht nicht aus, die Widersprüche und Fallstricke der Realität zu überwinden. Sie zu erkennen, mit ihnen zu leben, nicht ständig gegen sie anzurennen, sie gar zu akzeptieren und nicht ständig zu negieren, ist mir momentan geistige Leistung genug.

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Was für lächerliche Ausführungen! Im Politischen gibt es nur Freund oder Feind - und du bist ein Feind. Die Masse kann nicht mündig sein, deshalb muss es auch Auslese geben. Dazu brauchen wir den Kampf, denn nur der Krieg kann das Beste aus den Menschen herausholen. Und die Guten von den Schlechten, die Kranken und Schwachen von den Starken und Gesunden trennen.
Dazu brauchen wir keinen Gott, keine Demokratie und vor allem keine schwächlichen Diskurs-Ethiker wie dich...

Meike hat gesagt…

... arschloch! :D

Meike hat gesagt…
Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.
Mathias Ellwanger hat gesagt…

Sehr geehrter Carl Schmitt,
gerne würde ich mich einmal persönlich mit Ihnen treffen, um Ihnen den Unterschied zwischen Liebe und Hass und den dementsprechenden Konsequenzen zu erläutern.
Ich respektiere Ihre durch Schmitt, Nietzsche, Machiavelli und andere geprägte Weltsicht als EINE Möglichkeit die Welt zu betrachten und möchte deshalb an dieser Stelle auch keine großen Widerworte formulieren.

ABER: Ich glaube an die Liebe - nicht an den Hass und die Gewalt. Sie ist DIE Lösung für nahezu alle Menschheitsprobleme. Denn Mangel an Liebe ist wohl die häufigste Ursache für Ungerechtigkeit. Wenn die Menschen nur lernen, wirklich zu lieben, schaffen sie es auch, sich endlich als die Krone der Schöpfung zu präsentieren, als die sie sich doch (betrachtet man die Menschheitsgeschichte) fälschlicherweise verstehen...

Glück & Freiheit,
Zeittotschläger