Samstag, 29. Juli 2006

Zeit, time, tiempo, temps, tempo, tijd, tid, aika, timin, laikas, hár, nafasi, zaman, an, ...














An der mehrheitlich gelungenen Kurzfilmzusammenstellung über Zeit namens "Ten minutes older" (15 Filme von 15 Regisseuren, u.a. Aki Kaurismäki, Jim Jarmusch, Spike Lee, Jean-Luc Godard) war auch Volker Schlöndorff mit "Erleuchtung" beteiligt, dessen Gedanken einer weisen Stechmücke auf einem Campingplatz an einem brandenburgischen See ich hier kurz wiedergeben möchte:

"Was ist Zeit? Wer kann sie erklären? Wer kann nur einen Gedanken darüber ausdrücken? Und doch: was ist uns vertrauter und allgegenwärtiger? Was also ist Zeit? Wenn mich keiner fragt, weiß ich es. Wenn ich es erklären müsste, könnte ich es nicht. Ich weiß nur, wenn nichts vorbeiginge, gäbe es keine Zeit, und wenn nichts auf uns zukäme, gäbe es keine Zukunft. Und es gäbe keine Gegenwart, wenn nichts ist, das da ist. Wie könnten die beiden Zeitbegriffe existieren, die Vergangenheit und die Zukunft, wo doch die Vergangenheit nicht mehr und die Zukunft noch nicht ist? Wenn aber die Gegenwart immer gegenwärtig wäre und nicht verginge, dann wäre sie nicht Gegenwart, sondern Ewigkeit. Andererseits gab es nie eine Zeit, in der es keine Zeit gab. Wenn aber die Gegenwart nur existiert, um Vergangenheit zu werden, wie können wir dann überhaupt sagen, dass sie existiert, wo doch ihr Sein so bald schon vergeht? Oder sollten wir behaupten, dass die Zeit nur besteht, weil sie dazu neigt, nicht zu bestehen? Sicher ist, dass weder die Vergangenheit existiert, noch die Zukunft. Die Vergangenheit existiert nicht, weil sie nicht mehr ist, und die Zukunft existiert nicht, weil sie noch nicht ist. Bedeutet das also, dass es nur eine Zeit gibt: die Gegenwart? Oder könnten wir stattdessen von drei verschiedenen Zeiten sprechen: der Gegenwart der Vergangenheit, der Gegenwart der Gegenwart und der Gegenwart der Zukunft?

Die einzige Zeit, die wir tatsächlich erleben, ist die Gegenwart. Aber in unserer Seele fühlen wir trotzdem drei Zeiten: die Gegenwart der Vergangenheit, das heißt die Erinnerung. Die Gegenwart der Gegenwart, das heißt die Betrachtung. Und die Gegenwart der Zukunft, das heißt die Erwartung. Im Laufe unseres Lebens werden alle Taten, die wir für die Zukunft planen, sobald wir sie vollbracht haben, zur Vergangenheit. Im Laufe der Zeit werden unsere Erlebnisse nach und nach zu Erinnerungen. Alles, was wir erinnern wird geringer, wenn es Gegenwart wird. Das gilt sowohl für einen einzigen Tag, als auch für unser ganzes Leben..."

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