Samstag, 8. Dezember 2007

Das Mindeste


Nicht nur von Liberalen wird der Mindestlohn nur allzu gerne als populistisch und kontraproduktiv, da Arbeitsplätze vernichtend angesehen. Und siehe da: kaum vereinbart die Regierung einen Post-Mindestlohn, erklärt eine der Öffentlichkeit bisher kaum bekannte Konkurrenzfirma namens PIN massiven Stellenabbau. Die wirtschaftsliberale Logik scheint sich also zu bewahrheiten. Doch bei näherer Betrachtung ergibt sich ein etwas anderes Bild.

Zu allererst zeigt dieser Fall nämlich eines: Mindestlöhne können Dumping-Geschäftsmodelle verhindern. Um nichts anderes handelt es sich nämlich bei der PIN-Group, hinter der mit einem Aktienanteil von 71,6% niemand geringeres als die berüchtigte Axel Springer AG steckt. Um mit der Deutschen Post AG in Konkurrenz treten zu können, wurden dort bisher die Löhne so weit nach unten gedrückt, dass ein nicht unbeträchtlicher Anteil der Mitarbeiter auf eine Aufstockung des Einkommens durch den Staat angewiesen war – das Kombilohnmodell von Frau Merkel quasi in Reinform.
 
Des weiteren beträgt der Durchschnittslohn der Postzusteller bei der Deutschen Post AG sage und schreibe 16 €. Mit einem Mindestlohn von 9,80 € kann sie mehr als gut leben, aber nicht nur das: sie hat sogar Potenzial für zusätzliche Mitarbeiter und deshalb unlängst angekündigt, von PIN entlassene Mitarbeiter zu „vernünftigen Löhnen“ einzustellen. Die pauschale Behauptung, Mindestlöhne würden automatisch Arbeitsplätze vernichten, lässt sich zumindest hier nicht aufrechterhalten.

Was sich an diesem Beispiel aufzeigen lässt: nicht die Forderung nach einem Mindestlohn, die polemische Kritik an ihm ist verkürzt. Der Postmarkt mag sicherlich ein spezieller Fall sein, aber die Ausbreitung des Beschäftigungsmodells Dumpinglohn + ALG II-Aufstockung bzw. Zweit- oder Drittjob, und damit die Entstehung sog. „working poor“ ist in vollem Gange. Wer sich also gegen einen Mindestlohn ausspricht sollte gleichzeitig auch die sozialen Folgen einer solchen Polarisierung von Arbeitsmarkt und Gesellschaft offen benennen und nicht von sozialer Marktwirtschaft reden, wo doch letztlich nur Marktliberalismus gemeint ist.
 
Deutschland zählt zu den wenigen Industrieländern, die noch keinen Mindestlohn eingeführt haben – selbst die durch den Thatcherismus von jeglichem Staatsinterventionismus entwöhnten, staatlichen Eingriffen von jeher skeptisch gegenüberstehenden Briten haben ihn seit 1999. Und mit umgerechnet 7,96 € liegt er momentan sogar über den von SPD und Gewerkschaften geforderten (und von Wirtschaftsverbänden, CDU und FDP als fatal bezeichneten) 7,50 €. Ein einfacher Blick auf die Wirtschaftsdaten des Landes offenbart: die Einführung des Mindestlohnes zeitigte keine signifikanten Auswirkungen auf das Beschäftigungsniveau, stattdessen erhöhte sich nicht nur das reale wie relative Lohnniveau, nein, es verringerte sich zudem die Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen.

Auch der Vergleich mit anderen Mindestlohn-Ländern zeigt: aus der Einführung eines Mindestlohnes folgt zunächst – außer einer Verbesserung der Lebenslagen von im Niedriglohnsektor Beschäftigten – recht wenig. Die ständig wiederholte Litanei von damit automatisch verknüpften Arbeitsplatzverlusten in gigantischem Ausmaße, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als reine marktliberale Ideologie. Entscheidend sind letztlich die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen, und unter liberalen Regimen gewinnen dabei stets nur zwei: die Ungleichheit und die ohnehin Privilegierten…

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

drekcs mindestlohn, vernichtet nur arbeitsplätze.

Mathias Ellwanger hat gesagt…

Da fährt aber jemand ganz harte argumentative Geschütze auf! Da muss ich wohl kapitulieren, kapitulierst du mit mir?