Dienstag, 15. Januar 2008

Spiel nicht mit den Schmuddelkindern!


Die Politik braucht Feindbilder, auch und gerade in Zeiten des Wahlkampfes. Und einen solchen führt Deutschlands „brutalstmöglicher Aufklärer“ gerade, wie schon anno 1999 setzt er dabei auf die Anti-Ausländerkarte. Schwer zu vergessen, jene Unterschriftenaktion, die Koch erst an die Macht brachte („Wo kann man hier gegen Ausländer unterschreiben?“), eine selten basisdemokratische Aktion einer ansonsten dem politischen Verstand des gemeinen Bürgers eher skeptischen gegenüberstehenden Partei.

Und nun? Die Geschichte ist bekannt, alle möglichen falschen und manch richtige Diskussion inzwischen geführt. Wie falsch der wiederholte Lügner Koch, dessen Rolle im CDU-Spendenskandal äußerst kritisch zu betrachten ist, mit seinen knackigen Thesen liegt und in welche Widersprüche er sich dabei angesichts einer mehr als trüben Bilanz in seinem eigenen Bundesland verstrickt, zeigen die Reaktionen der Experten dieser Republik. Wie sehr er mit seiner Konfrontation ein bisher leider weitgehend ignoriertes Problem ins Blickfeld rückte, die Leserbriefspalten der einschlägigen Tageszeitungen.

Ein gutes hat jene aus erschreckend nichtigem Anlass verübte Gewalttat in München und die darauf folgende Empörung allerdings: in Deutschland wird endlich wieder diskutiert. Dass dabei leider oft die schrillen, populistischen Stimmen die nachdenklichen übertönen, haben solche öffentlichen Diskurse an sich. Aber in der Mehrzahl wird nachgedacht, vernünftige Konzepte gesucht, die Gesetzeslage betrachtet, Möglichkeiten ausgelotet, kurz: lebendige Demokratie praktiziert. Zudem offenbart jene Diskussion die Sollbruchstellen in der Großen Koalition, die in den letzten zwei Jahren in einer schier unerträglichen Konsenssuppe zu ertrinken drohte, wie keine andere zuvor.

So viel zum Positiven. Das Negative ist ungleich offensichtlicher, denn die Scharfmacher schüren eine gefährliche Stimmung in diesem Lande, deren Grundkonsens spätestens seit der Wiedervereinigung an allen Ecken und Enden allmählich ausfranst. Die (realen und wahrgenommenen) sozialen Ungleichheiten verstärken sich, Solidarität ist für viele mehr als ein Fremdwort, verschiedenste Wertsysteme stehen sich zunehmend unvereinbar gegenüber. All das sind keine auf Deutschland beschränkten Phänomene, aber Deutschland scheint besonders unvorbereitet auf diesen sozialen Wandel.

Politik wie Bürger sind überfordert, wo früher ein gemächliches, aber alles in allem doch relativ effektives Konsenssystem waltete, scheint sich die Politik heute zumeist nur selbst zu blockieren. Ohne große Konzepte, Visionen und einen Blick für das langfristig Notwendige, regiert der inhalts- und orientierungslose Pragmatismus. Goldene Zeiten für Menschen mit einfachen Antworten – gleichgültig, ob sie Koch, Lafontaine oder Pastörs heißen. Und so hat Deutschland mit dem neuen Jahr auch seine neuen Schmuddelkinder: die Fremden im eigenen Lande, mit oder ohne deutschen Pass. Was vor wenigen Wochen noch höchstens seinen Weg in die Kommentare der Jungen Freiheit gefunden hätte, liest sich inzwischen täglich in der FAZ.

In gewisser Weise ist auch das wieder gut, denn Deutschland ist endgültig aus seinem multikulturellen Dornröschenschlaf erwacht. In einem Lande, das so viele verschiedene Kulturen beherbergt wie die heutige Bundesrepublik, regeln sich die Konflikte nicht durch ignorante Toleranz. Gerade die Politik muss den Konflikten offen und konstruktiv begegnen. Das stillschweigende Nebeneinander, das die Menschen (egal welcher Herkunft und Nationalität) einander zunehmend entfremdet, muss zu einem lebendigen Miteinander werden. Konflikte sind dabei vorprogrammiert, wie in jeder zwischenmenschlichen Beziehung, aber so werden sie frühzeitig wahrgenommen – und nicht erst, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist.

Die Menschen in diesem Lande sind einander fremd geworden, weshalb allzu oft aneinander vorbei geredet wird. Das zieht sich durch alle Schichten, Religionen, Altersgruppen und Nationalitäten. Wir brauchen eine lebendige Diskussion über die Zukunft dieses Landes. Mit den Schmuddelkindern, nicht (nur) über und gegen sie…

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

noch kein kommentar? das thema scheint wohl nur zu interessieren, wenn die schreiberlinge zündeln... also ich seh schwarz: der gesellschaftliche kitt zerbricht, zusammenhalt gibt es nur noch durch gegenseitige ab- und ausgrenzung. die schmuddelkinder werden sich nicht mehr alles gefallen lassen, und ethnisch unterfüttert steht der nächste kulturkonflikt vor der türe. dänemark, frankreich und holland lassen grüßen!