Montag, 28. Dezember 2009

Flüchtige Notizen I

26. Juni 2001:

Handke. Das Bewusstsein des Gemeinschaftsgefühls und der Verantwortung „für’s eigene Land“ waren Kennzeichen des Faschismus wie des (real existierenden) Sozialismus. In einer Demokratie sterben jene Motive nach kurzer Zeit mangels klarer Identifikationsmöglichkeiten aus. Das ganze Leben wird kategorisiert – man existiert nicht mehr als Ich – alles sind Typen und Temperamente (oder Rassen). Man fühlt sich trotzdem frei, weil man, in diesem Schema einmal zurechtgefunden, Verantwortung von sich schieben kann:„Er ist halt ein verzogener Bauernlümmel“. Das Leben wird oberflächlich und langweilig, aber auch sicher und beherrschbar. Heimat? Apres-Skis die heutigen Dorffeste? Plötzlich ist man fast klassenlos, fühlt sich stark, Hauptsache man ist gesellig…

Nochmals Handke: „Das beweist nichts; ist jeder Beweiskraft entzogen durch das Vorteile-Nachteile-Denken, das böseste der Lebensprinzipien (…) - als Nachteil, der wiederum nichts als eine notwendige Eigenheit jedes Vorteils ist (…) Die Vorteile waren in der Regel nur mangelnde Nachteile: (…) kein Getrenntsein vom Haus und von den Kindern. Die tatsächlichen Nachteile wurden also durch die fehlenden aufgehoben (…); vor Mitgefühl für den anderen von ihr getrennten, fühlte sie sich selber nie einsam.“

Peter Handke - Wunschloses Unglück (1974)

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