Montag, 7. Dezember 2009

Rudi Dutschke im Gespräch mit Günter Gaus

Politische Diskussionen im Fernsehen? Zum Wegschalten! Statt über Themen wird über Personen, statt über Positionen wird über Zugehörigkeiten gestritten, nein, polemisiert. Dass auch zwischen politisch weit auseinanderliegenden Positionen ein sachliches Fernsehgespräch möglich ist, zeigt dieses gut vierzig Jahre alte Interview zwischen Günter Gaus - einem der besten Journalisten Deutschlands, Chefredakteur des Spiegels von 1969 und 1973, erster Ständiger Vertreter der Bundesrepublik in der DDR und Wegbereiter der Entspannungspolitik, nach der Wende und bis zu seinem Tod Herausgeber des Freitag - und Rudi Dutschke, intellektuellem Kopf und Sprachrohr der revolutionären Studentenschaft.

Auch wenn vieles heutzutage etwas antiquiert klingen mag, und manchem schlauen linken Studenten Widersprüche in der Argumentation Dutschkes hätten auffallen müssen, so wird dem geneigten Zuschauer im Laufe des Gesprächs doch auch die Faszination dieser Person (gerade für Studenten) und der gegen ihn entstandene Hass (in großen Teilen der Bevölkerung) verständlicher. Sprache und Duktus bleiben stets akademisch, und Dutschke hat sichtlich Freude daran, seine Positionen vor einem intellektuell ebenbürtigen Gesprächspartner zu verteidigen. Seine Sätze sind meistens druckreif, oft verschachtelt und voller marxistischer Termini, welche seine Gedanken sehr elaboriert, aber wenig verständlich erscheinen lassen.

Und wenn er sich noch so sehr von Lenin, Stalin und dem ganzen Staatsozialismus abzugrenzen versucht, so benötigt er doch für seine Utopie eine Avantgarde, die intellektuell fähig und bereit ist, ihn zu verstehen und ihm zu folgen. Auf die kritischen, völlig berechtigten Fragen von Gaus, gibt er keine praktisch politischen, sondern philosophisch analytische Antworten. Er ist sich der Gefahren seiner Utopie durchaus bewusst - Dutschke war beleibe kein verblendeter, orthodoxer Marxist, was sein klares Bekenntnis zum Christentum verdeutlicht - blieb aber letztlich doch gefangen in einem Denksystem, das die Realität von der Philosophie und nicht umgekehrt die Philosophie von der Realität aus betrachtet.

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