Montag, 7. Mai 2012

Kreative Koalitionen


Ein überraschendes Comeback für die FDP, in den Landtag einziehende Piraten, eine sich in die Bedeutungslosigkeit verabschiedende Linke und „Volksparteien“, die zusammen auf nicht einmal mehr 2/3 der Stimmen kommen. Was bedeuten diese Wahlen für die Republik?

Auf den ersten Blick nicht viel, handelt es sich doch um eine Wahl in einem kleinen, dünn besiedelten und ländlich geprägten Bundesland. Signalwirkungen sind kaum zu erwarten, auch nicht von der Regierungsbildung. Oder sollte der Südschleswigsche Wählerverband etwa bald Landesverbände in Niedersachsen oder Bayern gründen? Wohl kaum. Aber auf den zweiten Blick spiegelt die Wahl im hohen Norden ein paar grundsätzliche politische Entwicklungen wider:
  1. Die FDP darf wieder Hoffnung schöpfen, sie hat die Talsohle verlassen. Der Anti-Rösler Wolfgang Kubicki konnte die Partei deutlich vor dem Absturz in die Bedeutungslosigkeit bewahren. Zwar verloren die Liberalen auch hier einen Teil ihrer Wählerschaft. Die fast 15 % von 2009 sind jedoch kein Maßstab, acht Prozent sind für die Verhältnisse im Land durchaus gut. Doch Parteivorsitzender ist immer noch Philipp Rösler. Und eine grundsätzliche Erneuerung der Liberalen lässt immer noch auf sich warten.
  2. Die Linke hingegen ist abgestürzt. Vieles deutet darauf hin, dass sie sich auf lange Sicht im Westen wieder auf PDS-Niveau einpendeln werden. Die Westausdehnung (bis auf den Sonderfall Saarland) droht zu scheitern. Vieles wird von den Wahlen am kommenden Sonntag in NRW abhängen. Die Umfragen verheißen nichts Gutes. Letzte Hoffnung für die Partei: wieder einmal Oskar Lafontaine.
  3. Die Piraten können im Moment wohl einfach nichts falsch machen. Sie sind attraktiv für Protestwähler, integrieren Nichtwähler ins politische System, wirken jung, anders, bringen Bewegung in die Parteienlandschaft und können fordern, was sie wollen. Wenn sie denn mal etwas fordern. Kein Skandal kann ihnen etwas anhaben, und jeder negative Bericht in den Medien lässt sie nur noch attraktiver erscheinen. Nicht zuletzt sie haben den Höhenflug der Grünen jäh gestoppt. Wie die Ur-Grünen verbreiten sie den Charme einer Anti-Partei. Wie nachhaltig der Erfolg sein wird, ist schwer vorherzusagen. Der parlamentarische Test wird zeigen, wie schnell sich die Partei „normalisiert“.
  4. SPD und CDU haben ein strukturelles Problem: Sie sind selbst nicht mehr stark genug, um Mehrheiten zu generieren und leiden gleichzeitig unter der Schwäche ihrer „klassischen“ Partner. Weder für Rot-Grün noch für Schwarz-Gelb wird es in Schleswig-Holstein reichen. Aber auch im Bund hätte keine dieser Konstellationen eine Mehrheit. Auf absehbare Zeit dürfen wir daher immer mehr kreative Dreierkonstellationen (vielleicht sogar bald Rot-Grün-Pirat) erwarten – oder eine permanente Neuauflage der ungeliebten Großen Koalition.

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