Montag, 4. Februar 2013

Eine Inszenierung von Normalität


Im Kernland der Liberalen hatte sich am Sonntag ein liberaler Hoffnungsträger angekündigt. Der schleswig-holsteinische Fraktionsvorsitzende Wolfgang Kubicki gab den Seelentröster und plädierte selbstbewusst für eine Wiederbelebung der liberalen Idee.

Von der wohl schwersten Krise in der Geschichte der FDP ist an diesem Sonntagmorgen wenig zu spüren. In Fellbach lebt es noch, das liberale Bürgertum. Doch ein Bedürfnis an Zuspruch ist beim traditionellen Neujahrsempfang auch hier deutlich zu spüren. Und niemand könnte dieses trotzige Beharren wohl gerade besser verkörpern als der Norddeutsche und alles andere als kühle Querdenker Kubicki.

Doch bevor der Stargast seine Ermunterungsrede halten darf, ist es an der lokalen Politprominenz, den Gästen - und sich selbst - Selbstbewusstsein zuzusprechen. Der Kreistagsabgeordnete Ulrich Lenk etwa kritisiert den Hang zur Selbstinszenierung mancher Parteikollegen mit harten Worten: „Man muss auch mal die Klappe halten, anstatt Parteikollegen öffentlich madig zu machen.“ Und der Fellbacher OB Christoph Palm verweist stolz auf das liberale schwäbische Bürgertum, das schon immer nach dem Motto lebe: „Müßiggang ist uns fremd.“

Auch der Bundestagsabgeordnete Hartfrid Wolff sieht die Aussichten für seine Partei vor der Bundestagswahl optimistisch: „Das liberale Milieu ist da und lebt.“ Er verweist auf die Rolle der FDP als Anwalt der Steuerzahler im Rahmen der Euro-Krise und äußert sich in Richtung des politischen Gegners: „Eine Gesellschaft lässt sich alleine mit Dagegensein nicht zusammenhalten.“

Fundamentalkritik an der grün-roten Landesregierung

Ex-Innenminister und Landtagsabgeordneter Ulrich Goll schließlich übt Fundamentalkritik an der grün-roten Landesregierung, die mit den pragmatischen Landes-Traditionen breche und praktisch auf keinem Politikfeld etwas zu Wege brächte. Sei es die Bildungs-, die Wirtschafts- oder auch die Integrationspolitik: Überall vermisse er Impulse und sehe allenthalben Politik, die sich auf die falschen Prämissen stütze. Mit Blick auf die Neuverschuldung mahnt er gar: „Das ist der Weg nach Griechenland!“

Nach einer Stunde Vorspiel betritt dann Kubicki die Bühne. In schnellen Stakkato-Sätzen spricht er abschätzig über all jene, die seine FDP auf dem absteigenden Ast sehen. „Wenn Sie Forsa-Aktien haben, verkaufen Sie sie“, rät er im Hinblick auf die schlechten Umfragewerte, die den Wahlerfolgen in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und unlängst Niedersachsen vorausgingen. Bei der kommenden Bundestagswahl, äußert er siegessicher, werde wieder dasselbe passieren.

Der für seine markigen Sprüche bekannte Politiker, der sich anschickt, beim nächsten Parteitag ins FDP-Präsidium gewählt zu werden, lässt kein gutes Haar an der herrschenden politischen Kultur. Die Political Correctness führe dazu, dass nur noch denunziert werde, anstatt über Sachthemen zu sprechen.

Bestes Beispiel: Die aktuelle Sexismus-Debatte, die ihm „mächtig auf den Senkel geht“. Denn auch hier werde nur wieder über Personen und nicht die Sache diskutiert. Und wenn er mit seinen 60 Jahren aus der Zeit gefallen erscheine, dann sei das eben so: „Ich werde auch in Zukunft einer Frau in den Mantel helfen - und gegebenenfalls auch wieder hinaus.“ Der vor allem bei den Grünen vorherrschende Erziehungsgedanke und das Moralisieren sei ihm zuwider: „Das Gegenteil von gut ist eben gut gemeint“. Wie übrigens alle seine Vorreder verurteilt er „rot-grüne Staatsgläubigkeit und Verschuldungspolitik“ und schreibt seinem alten Studienkollegen Peer Steinbrück ins Stammbuch: „Der Staat ist nicht der bessere Akteur im Wirtschaftsleben.“

Genüsslich zitiert er aus dem letzten Buch des SPD-Kanzlerkandidaten, dem er eine hohe finanzpolitische Kompetenz attestiert und kontrastiert diese Aussagen mit den aktuellen Forderungen der SPD. Egal ob Steuern, Europapolitik oder die Haltung zur Agenda 2010: Überall verabschiede sich Steinbrück von seinen Grundhaltungen. „Dass sie sich davon verabschieden, wird der SPD massiv auf die Füße fallen.“

Ein Traum: Die Vereinigten Staaten von Europa

Wolfgang Kubicki plädiert für eine klare pro-europäische Haltung der Liberalen: „Wenn wir auch künftig weltweit Regeln nach europäischen und nicht konfuzianischen Werten durchsetzen wollen, gelingt das nur mit der EU.“ Es könne kein Zurück geben, sondern nur ein Mehr an Integration: „Wir brauchen die Vereinigten Staaten von Europa.“

Das hieße nicht nur, mehr Parlamentarismus und Kontrolle zu fordern, sondern auch Solidarität mit den Griechen zu üben, sie gar in unser Land einzuladen: „Griechen, kommt zu uns. Wir leben alle in einem gemeinsamen europäischen Haus.“

Die FDP sei aber vor allem eine Rechtsstaatspartei. Gleichheit vor dem Gesetz solle daher auch für Großunternehmen und systemrelevante Banken gelten. Die Verlagerung von Haftung im Rahmen der Finanzkrise sei daher abzulehnen. Wenn Banken schlecht wirtschaften, hätten sie eben zu schrumpfen: „Ich will nicht in einem Staat leben, in dem Hedgefonds auf Staaten wetten. Das gehört verboten!“

Diesem für Liberale eher ungewöhnlichen Appell folgt am Ende der Rede die Betonung des sozialen Charakters der FDP. „Im sozialen Elend kann keine Freiheit wachsen, das wusste schon Friedrich Naumann.“ Doch Sozialpolitik, da gibt sich Kubicki wieder klassisch liberal, könne nur durch das ehrenamtliche Engagement der Bürger errungen werden. Die Verantwortung liege bei den Leistungsfähigen. Eine Botschaft, die gut ankommt beim liberalen Publikum, das den Stargast für seinen komplett frei gehaltenen Vortrag mit lang anhaltendem Beifall belohnt.

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