Dienstag, 3. Juli 2018

Blaze of suicide glory

Christian Rottler macht jetzt Punkrock - zumindest für seine Verhältnisse. Wer die Gelegenheit hatte, ihn in den letzten zwei Jahren mit seiner Band Lenin Riefenstahl einmal live zu sehen, konnte sich davon bereits ein Bild machen. Auf der Bühne interpretiert er seine verschachtelten Kompositionen längst als straighte Hymnen. Was im Live-Kontext durchaus funktioniert.

Wer Rottler vor allem als den Autor von "Feuer" kennt, dürfte davon vielleicht überrascht sein und sich durchaus schwer tun mit der neuen Einfachheit, die seine Musik prägt. Denn von der feinfühlig-verschrobenen Art, Musik zu machen, die das nach wie vor unveröffentlichte Album "Augenrändercharme" prägte, ist auf der Bühne nur wenig geblieben.

Das kann aber auch eine musikalische Chance sein, wie "Gerald", die demnächst erscheinende erste Single von Lenin Riefenstahl (die ich vorab schon einmal hören konnte) zeigt. Ein düsteres, persönliches Stück, das eine Lebensgeschichte in sechs erstaunlich kurzen Minuten abhandelt: Kind reicher Eltern, weißes Cabrio mit 18, dann Keplerstraße Unipark, Morphium, offene Venen und der bodenlose Sturz in eine Drogenkarriere, schließlich "Suicide Glory".

Kein leichter Stoff - um im Bild zu bleiben, und dem Vernehmen des Künstlers nach auch ein verdammt realer. Der da porträtiert wird hat wirklich gelebt und war offensichtlich ein Freund.

Musikalisch wirkt der Nachruf, trotz aller Punk-Ästhetik, nicht eindimensional. Die ersten Akkorde könnten auch ein Tocotronic-Stück eröffnen, aus dem grölend auf Englisch vorgetragenen Refrain spricht Wipers-Wut - und der Spoken-Word-Teil mit der angefunkten Basslinie erinnert fern an frühe Sterne-Platten.

Gefällig ist das nur bedingt, radiotauglich wie einige seiner früheren Songs schon gar nicht. Eine bemerkswerte Weiterentwicklung aber allemal.

Keine Kommentare: