Samstag, 9. Februar 2019

High Fidelity No. 10: Fünf Bücher...

Im Höllental.

1. Hans Fallada - Jeder stirbt für sich allein: Falladas wohl wichtigster Roman handelt von einem Berliner Pärchen, das in der Zeit des Nationalsozialismus Widerstand übt, indem es Botschaften auf Postkarten schreibt und in der ganzen Stadt verteilt. Ein beklemmendes Buch, das die Sprache der einfachen Leute wiedergibt, auf Tatsachen beruht, bereits kurz nach dem Untergang des Dritten Reiches erschien und die ganze Menschenfeindlichkeit dieses Regimes im Alltag spürbar macht - ohne dabei auf seine historischen Groß-Verbrechen eingehen zu müssen. (Hier die ausführliche Rezi.) 

2. Heinrich Mann - Der Untertan:
Selten wurde die deutsche Untertanen-Mentalität besser beschrieben als in Manns "Untertan". Ein detailliertes Sittenbild des Deutschen Reiches am Ende des 19. Jahrhunderts, das den unaufhaltsamen Aufstieg des kaisertreuen Patrioten und Opportunisten Diedrich Heßling beschreibt. Ein abstoßender Charakter, den Mann in seiner ganzen gefährlichen Lächerlichkeit zeigt. Genauen Beobachtern dürften dabei gewisse Parallelen mit der Jetzt-Zeit nicht entgehen.

3. Karl-Ove Knausgard - Sterben:
Das autobiografische Projekt von Knausgard literarisiert den Alltag des Norwegers. Viel passiert in diesen Büchern meist nicht. Das gilt auch für "Sterben". Im Mittelpunkt steht hier Knausgards Kindheit und Jugend sowie sein Vater, zu dem er eine sehr komplizierte Beziehung hatte und der jämmerlich am Alkohol zu Grunde ging. Die Abgründe sind fürchterlich - und Knausgard schont den Leser nicht, sondern schreibt alles nüchtern (sic!) auf. Wenn er auf 50 Seiten darüber erzählt, wie er gemeinsam mit seinem Bruder das großmütterliche, komplett verwahrloste Haus aufräumt, in dem der Vater zuletzt gehaust hat, dann ist das durchaus große Literatur.

4. Benjamin von Stuckrad-Barre - Panikherz:
Ein autobiografischer Roman, der (im Gegensatz zu Knausgard) nicht die Tiefe im Alltäglichen findet, sondern eher einer (fast nie) enden wollenden Party gleicht. Eine solche war das Leben von Stuckrad-Barre im Grunde lange Zeit auch. Schien sich der Pfarrersjunge doch früh bewusst zu sein, dass er das Zeug zu Größerem hat. So reüisserte er bereits in jungen Jahren als Journalist, Fernsehmann und Romanautor. Doch die Party wollte irgendwann wirklich nicht mehr enden. Kokain, Bulimie und Alkohol hatten Stuckrad-Barre schließlich jahrelang völlig im Griff. Schonungslos schreibt er über diese Zeit hart am Abgrund. Seine Rettung? Ausgerechnet Udo Lindenberg. Der Sänger und die Drogen nehmen dann auch den größen Platz ein in diesem durchaus lesenswerten Buch. 

5. Christian Y. Schmidt - Der letzte Huelsenbeck:
In seinem ersten Roman lässt der ehemalige Titanic-Redakteur den Dadaismus wieder aufleben - und begibt sich auf eine irrwitzige innere Reise mit seinem Protagonisten Daniel S., der hinter einer Amerika-Fahrt mit seinen früheren Dada-Freunden ein Geheimnis wittert, das seine Lebenskrise erklärt. Auf dieser Suche fährt er unter anderem die Berliner U-Bahn nach den Methoden des Special Agents Dale Cooper (aus Twin Peaks) ab. Realität und Fantasie verschwimmen im Laufe dieses psychotischen Horror-Trips immer mehr. Keine Weltliteratur, aber ich hab's verschlungen.

...Und eine Enttäuschung: 
Alexander Schimmelbusch - Hochdeutschland: Hätte das Buch zur Zeit werden können, wenn der Autor sich nicht unnötig in Details verlieren würde, sondern an seinem Plot gearbeitet hätte. Ein hochintelligenter, gelangweilter, zynischer und unglücklicher Investmentbanker macht sich in der Geschichte Gedanken über Deutschland (das kaputt ist), formuliert schließlich ein Manifest und gründet eine populistische Bewegung. Das stellenweise regelrecht brilliante Buch leidet jedoch unter seiner Kürze. Gerade als es interessant wird, rafft Schimmelbusch die Handlung so zusammen, dass sie am Ende nicht mehr schlüssig wirkt. Dafür hat der Autor aber Zeit für mehrere Seiten inneren Monolog des Protagonisten über die Genialität des Döners oder das Geschäftsprinzip von Vapiano. Schade.

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