Freitag, 13. Dezember 2019

Ein Sieg für den Populismus

Boris Johnson und seine Tories haben einen Sieg bei den britischen Unterhauswahlen errungen - und was für einen! Alles sieht nach einem Sieg von historischen Ausmaßen aus. So viele Sitze hat nicht einmal Margret Thatcher für ihre Partei bei Wahlen gewinnen können. Umgekehrt kassiert Labour die seit Jahrzehnten höchste Niederlage bei einer Unterhauswahl. Doch was bedeutet das? Drei Thesen zum Wahlergebnis:

1. Die Wähler waren bereit, einen Politiker zu wählen, der zwar wiederholt und offensichtlich lügt, aber dafür für "Klartext" und einfache Lösungen steht. Johnson ist ein Paradebeispiel für diesen Typus. Bereits zu seinen Zeiten als Journalist (er arbeitete für die Times, den Daily Telegraph und war Herausgeber des Spectator) hat er es mit der Wahrheit nicht so genau genommen. Auch den Brexit selbst hat er nicht aus Überzeugung propagiert, um dann umso vehementer eine Kampagne für den Austritt anzuführen. Auch diese basierte auf einer Lüge: nämlich, dass das Vereinigte Königreich pro Woche 350 Millionen Pfund an die EU zahle - und diese besser im Gesundheitssystem investiert wären. Unnötig zu erwähnen, dass der ehemalige Bürgermeister von London die Institutionen verachtet. Johnsons Sieg ist auch und vor allem ein Sieg des Populismus.

2. Identitäre Themen überlagern ökonomische und soziale Fragen. Eigentlich sind die Tories für Arbeiter unwählbar. Unter Thatcher wurde das Land deindustrialisiert und dereguliert, weite Teile der Infrastruktur privatisiert. Mit der Folge, dass die Ungleichheit in kaum einem Industrieland so hoch ist (wozu New Labour unter Tony Blair leider auch beigetragen haben). Dass Johnson das ohnehin gerupfte Gesundheitssystem NHS möglicherweise komplett privatisieren will (das er vor dem Brexit-Referendum noch so großzügig ausbauen wollte), spielte im Wahlkampf aber nur eine untergeordnete Rolle. Labour ist mit seinen linken Forderungen bei vielen ihrer Kernwähler nicht durchgedrungen. Der EU-Austritt hat alle anderen Themen überlagert.

3. Aus der Niederlage von Labour lässt sich nicht der Schluss ziehen, dass ein Linkskurs der Sozialdemokratie zwangsläufig scheitern muss. Mit derselben, für UK recht radikalen Politik hatte Jeremy Corbyn bei den Unterhauswahlen vor zwei Jahren noch großen Erfolg. Mit rund 40 Prozent der Stimmen gelang es ihm und seiner links gewendeten Partei, viele junge Wähler und mehrere hunderttausend neue Mitglieder zu gewinnen. Dass er diesmal scheiterte liegt vor allen an drei Gründen: Corbyn hatte keine eindeutige Position zum EU-Austritt (auch weil seine Wählerschaft hier klar gespalten ist), auf der identitären Schiene also kein wirkliches Angebot. Soziale und ökonomische Themen spielten bei dieser Wahl, wie gesagt, keine entscheidende Rolle. Er musste zudem gegen Antisemitismus-Vorwürfe gegenüber seiner Partei ankämpfen - und tat dies nicht entschieden genug. Außerdem ist Corbyn bei weiten Teilen der Bevölkerung eher unbeliebt, obwohl sie seine politischen Forderungen durchaus teilen.

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