Sonntag, 25. Juni 2006

Nietzsche






NIETZSCHE

Eine Sprache aus Trauer
Aus Licht eine Mauer
Gedanken aus Stein
Und ein Sein ohne Sein

Lebendige Leichen
Voll Kraft und Gewalt
Von Gott keine Zeichen
So schön von Gestalt

Eine Sehnsucht aus Tränen
Und Perlen von Zähnen
Gesichter aus Stein
Und ein Sein ohne Sein

Wird Schönheit versteigert
Nach Maßen gemessen
Wird Freiheit verweigert
Ganz einfach vergessen
Eine Schale aus Schmerzen
Vom Schmerz brechen Herzen
Muskeln aus Stein
Und ein Sein ohne Sein

Container an Ketten
Und die Haut die dich quält
Kein Gott dich zu retten
Vor dem Feuer das fehlt

Eine Sonne aus Eisen
Mit Qual lächelnd reisen
Götter aus Stein
Und ein Sein ohne Sein

(Rainer Werner Fassbinder)

Ein Gedicht von einem der beindruckendsten deutschen Regisseure (Faustrecht der Freiheit, Die Sehnsucht der Veronika Voss, Angst essen Seele auf, Warum läuft Herr R. Amok?, etc.) über den vielleicht (lyrisch) stärksten deutschen Philosophen. Geschrieben hat er den Text als Chanson - den ich leider nicht kenne - für seine damalige Freundin und Sängerin Ingrid Caven. Auf das Gedicht gestoßen bin ich durch den Text von Blumfelds "Eine eigene Geschichte" (1994), in dem Jochen Distelmeyer Fassbinder zitiert und etwas umbaut, dort heißt es in der ersten Strophe:

"Es hat uns niemand gefragt / wir hatten noch kein Gesicht / ob wir leben wollten oder lieber nicht / hin und her und hin und her gerissen / zwischen verstehen wollen und handeln müssen / keine Liebe keine Arbeit kein Leben / an meinem Kissen schlag ich mir den Kopf auf / und wenn der Tag kommt bleibt es kleben / und der Staat ist kein Traum / sondern bleibt wie mein Kissen / ein mich gestaltender, die Fäden, die rissen / und Welt verwaltender Zustand / der sich durch mich und mich bewegt / durch Gedanken aus Stein aus Licht eine Mauer / eine Sonne aus Eisen eine Sprache aus Trauer".

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