Montag, 28. Mai 2007

Briefe an die Leser


„Die endgültige Teilung Deutschlands – das ist unser Auftrag“ (Chlodwig Poth)

Als ich meine erste Titanic käuflich erwarb, tat ich dies noch mit D-Mark und unter dem Dicken aus Oggersheim als amtierendem Kanzler, der obendrein auch noch irre vom Cover heruntergrinste. Seitdem habe ich mir keine Ausgabe entgehen lassen, auch wenn die Qualität von Ausgabe zu Ausgabe recht stark schwankt, was auch an den eher prekären, anarchischen Produktionsbedingungen des „endgültigen Satiremagazins“ liegen mag. (Wen es interessiert, wie eine der wenigen wirklich unabhängigen deutschen Zeitschriftenredaktionen funktioniert, dem sei dieser Artikel ans Herz gelegt.) Doch auf einige Rubriken kann man sich stets verlassen: die Kolumne von Goldt, die exzellente Humorkritik von Hans Mentz – und natürlich die Briefe an die Leser, Deutschlands beste Leserbriefseiten. Die exzellente Idee, den Spieß einfach herumzudrehen und in wenigen Worten das Verhalten oder die Aussagen potenzieller Leser zu kommentieren, hat schon so manch durchwachsene Ausgabe (und mir so manche Tage) gerettet, weshalb ich mir sie stets als letztes zu Gemüte führe. Auch diesen Monat waren wieder einige satirische Schmankerl von Hilke Raddatz dabei, von denen ich hier einfach mal eines herauspicke:

Apropos, Hartmut Perschau!

Als Vorsitzender der Bremer CDU-Bürgerschaftsfraktion mussten Sie natürlich mit „Erstaunen und Unverständnis“ auf die Meldung reagieren, wonach die vor über zehn Jahren aus der Haft entlassene Ex-RAF-Frau Susanne Albrecht seit ebenso vielen Jahren in Bremen Ausländerkindern Deutschunterricht gibt. Laut ddp nannten Sie es „völlig untragbar, dass unsere Kinder von einer verurteilten RAF-Terroristin unterrichtet werden“. Resozialisierung sei ja schön und gut, aber die dürfe „nicht auf dem Rücken unserer Kinder erfolgen“. 

Auch wenn, Hartmut Perschau, ein, zwei Wochen vor den Bürgerschaftswahlen schon mal bisschen was durcheinander geraten kann: Glauben Sie wirklich, dass Ihnen Ihre Stammwähler das honorieren, wenn sie die Kanakenbälger als „unsere Kinder“ bezeichnen? Wir meinen ja nur: Propaganda und Profilierung mit Hilfe der billigsten RAF-Reflexe – schön und gut. Aber muss das wirklich auf dem Rücken der Ausländerfeindlichkeit sein?

Ihre PR-Berater von der 
Titanic

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Herrlich - auch wenn es schon weitaus durchtriebenere, gemeinere und wohl auch intelligentere Briefe an die Leser gab.

Btw darf man zur Auswahl des Covers gratulieren, mit Sicherheit eines der besten überhaupt.

Anonym hat gesagt…

Die Briefe an die Leser sind selbstverständlich nicht von Hilke Raddatz, sondern lediglich die Zeichnungen. Die Briefe selbst werden unter Federführung Stefan Gärtners von Redakteuren und Freien zusammengetragen...