Sonntag, 22. April 2007

Manderlay: oder was ist Freiheit?



Mitte der Neunziger Jahre verfassten vier dänische Regisseure, unter ihnen Lars von Trier, ein Manifest, mit dem sie ein Gelübde ablegten wider den Geist des modernen Films mit seiner zunehmenden Wirklichkeitsverfremdung. Die Regeln von Dogma 95 hießen wie folgt:

1. Als Drehorte kommen ausschließlich Originalschauplätze in Frage, Requisiten dürfen nicht herbeigeschafft werden.
2. Musik muss im Film vorkommen (zum Beispiel als Spiel einer Band) und darf nicht nachträglich eingespielt werden.
3. Zur Aufnahme dürfen ausschließlich Handkameras verwendet werden.
4. Die Aufnahme erfolgt in Farbe, künstliche Beleuchtung ist nicht akzeptabel.
5. Spezialeffekte und Filter sind verboten.
6. Der Film darf keine Waffengewalt oder Morde zeigen.
7. Zeitliche oder lokale Verfremdung ist verboten – d.h. der Film spielt hier und jetzt.
8. Es darf sich um keinen Genrefilm handeln.
9. Das Filmformat muss Academy 35 mm sein.
10. Der Regisseur darf weder im Vor- noch im Abspann erwähnt werden.

Doch durch Dogville, den ersten Film seiner Amerika-Trilogie wurde das Dogma teilweise wieder durchbrochen. Als Kulisse diente lediglich eine aufs wesentliche reduzierte Theaterbühne, auf der mit einigen wenigen auf den Boden geschriebenen Wörtern und Linien der Schauplatz, jenes gottverlassene Dorf in der amerikanischen Provinz namens Dogville, dargestellt wurde. Eben jene Reduktion, und die einfache, aber harte Geschichte von Ausgrenzung und Erniedrigung waren es, die den Film so radikal machten. Manderlay verkörpert sowohl inhaltlich wie darstellerisch die Fortsetzung dieses düsteren, ersten Amerikafilms.

Der Film thematisiert die alte Freiheitsproblematik explizit an einem erschreckend rückständigen amerikanischen Dorf der Dreißiger Jahre, in dem, als hätte es den Amerikanischen Bürgerkrieg nie gegeben, die Sklaverei noch immer existiert. Grace, die weiße Hauptprotagonistin schafft diese – mithilfe der Waffengewalt ihres kriminellen Vaters und eines guten Advokaten – ab und hofft auf den Freiheitswillen der schwarzen Bewohner des Dorfes. Sie führt Regeln der Demokratie ein, will den ehemaligen Sklaven die positiven Seiten der Freiheit und der Demokratie nahe legen. Doch „Mam’s Law“, das ehemalige Manifest der Unterdrückung (in dem die „Nigger“ nach sieben Kategorien eingeteilt und dementsprechend behandelt wurden) übt weiterhin Macht über die ehemals Unfreien aus. Sie verhalten sich nicht so, wie es sich die liberale, progressive Humanistin, die mit dem Gefühl handelt, über hundert Jahre Unterdrückung sühnen zu müssen, erhofft hatte. So konnte sie zwar die physischen Ketten, die geistigen allerdings blieben bestehen, denn: „Wir sind, wozu sie uns gemacht haben!“ Und so bleiben die Menschen auch in der Freiheit ganz bewusst Sklaven: "Amerika war vor siebzig Jahren nicht bereit, uns Neger als Gleiche willkommen zu heißen, und ist es immer noch nicht. (...) Ich habe Angst, dass die Erniedrigung, die dieses Land für uns freie Schwarze bereit hält, jede Vorstellung überschreiten wird. Also haben wir abgestimmt. Und wir haben uns dafür entschieden, auf Manderlay einen Schritt rückwärts zu gehen und das alte Gesetz wieder einzuführen."

Die Handlung von Manderlay ist größtenteils angelehnt an Pauline Réages Histoire d'O: Eine Gruppe von Schwarzen, denen vor kurzem vom Gesetz die Freiheit geschenkt wurde, wendet sich an ihren ehemaligen Herrn, den sie darum bitten, sie wieder als Sklaven aufzunehmen. Doch dieser weigert sich, niemand weiß, ob aus Furcht oder aus Skrupel, oder einfach weil er ein gesetzestreuer Bürger war. Seine früheren Sklaven begannen nun, Gewalt auszuüben. Nachdem ihre vorsichtigen Versuche keinen Erfolg hatten, massakrierten sie ihren ehemaligen Herrn und dessen Familie. In der selben Nacht zogen die Schwarzen wieder in ihre ehemaligen Quartiere, wo sie damit fortfuhren, ihrer einstigen Arbeit so nachzugehen, wie sie es vor der Abschaffung der Sklaverei getan hatten.

Der Film hat, im Gegensatz zu Dogville, keine eindeutigen oder einfachen Antworten zu bieten. Er lässt den Zuschauer etwas ratlos zurück, auch da sich gegen Ende die Rollen vertauschen. Er provoziert, da er die üblichen Denkmuster verwirft. Manderlay ist ein schmutziger, hässlicher Ort, auf den zu schauen man, wie bei ein hässlichen Ekzem, lieber verzichten mag. Aber er existiert noch in viel zu vielen Köpfen. Wann sind Menschen wirklich bereit für die Freiheit? Und wenn sie es sind, was machen sie mit ihrer Freiheit? Dass sie leider sehr oft die schlimmste Barbarei gebiert, dass sich Menschen, die plötzlich in Freiheit leben, aber noch nicht dazu bereit sind, mitunter fatal verhalten, zeigt die Menschheitsgeschichte ja nur zu deutlich...

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Seh es endlich ein: die Menschen sind nicht gleich. Und manche, so wie deine Nigger eben, sind nicht dafür geschaffen, in Freiheit zu leben. Oder kennst du EIN afrikanisches Land, das mit seiner Freiheit etwas anfangen konnte? Na, siehste...

Anonym hat gesagt…

Am Besten den Film noch einmal schauen @ den homunculus über mir. Darum geht's im vorliegenden Werk nämlich nicht. Aber das ist wohl eine Freiheit zur Meinung, mit der die meisten... na, siehste.

Gsell & Meister

Mathias Ellwanger hat gesagt…

"Drum wird es Zeit, dass Ausländer aller Bundesländer augestattet werden mit Polizeigewändern. Um zu ändern, was geändert werden muss, dass auch ich und meine Leute in den Genuss von Polizeischutz gelangen können, damit Gesetze sich ändern, die uns diesen Schutz nicht gönnen. Denn wir sind hier, und bleiben hier, und bleiben auch hier. Doch solange da nur Deutsche drin sind, bleibt die Polizei auf dem rechten Auge blind. Brüder aus Italien, Afrika und der Türkei - wenn ihr nicht wisst, was ihr tun sollt, geht zur Polizei"